HbA1c

Um eine Beurteilung der Glykämie über die vergangenen Wochen zu erhalten, eignet sich insbesondere der Glykämie-Langzeitparameter HbA1c (Hämoglobin A1c). Mit diesem Parameter lässt sich die mittlere Stoffwechsellage der letzten 8-12 Wochen beurteilen, mit stärkerer Gewichtung der letzten 4-6 Wochen aufgrund des kontinuierlichen Erythrozytenumsatzes.

Glucose und andere Monosaccharide reagieren nicht-enzymatisch und konzentrationsabhängig mit freien Aminogruppen der für sie erreichbaren Proteine (Glykierung). Besonders geeignet zur Langzeitbeurteilung der Glucoseexposition sind glykierten Hämoglobine. Das Ausmaß der HbA1c-Bildung hängt dabei neben der Lebensdauer der Hämoglobine – die relativ stabil bei 100-120 Tagen liegt – im Wesentlichen von der Dauer und der Höhe des Glucose-Serumspiegels ab. Das bedeutet: Je höher der Glucose-Serumspiegel ist, desto höher ist der prozentuale Anteil von HbA1c am Gesamthämoglobin.

Synonyme

  • Glykiertes Hämoglobin
  • Glykohämoglobin
  • Hämoglobin A1c

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA)-Vollblut oder Kapillarblut

Vorbereitung des Patienten

  • Nicht erforderlich

Störfaktoren

  • "Falsch" hohe Werte von HbA1c durch:
    • Anämie (Blutarmut) (Eisenmangelanämie) [niedriges mittleres korpuskuläres Volumen (MCV) (mittleres Zellvolumen)- und mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH) (mittlerer Hämoglobingehalt pro rotem Blutkörperchen)-Werte als Zeichen eines Eisenmangels]
    • Infekt- und Tumoranämie (Blutarmut)
    • Terminale Niereninsuffizienz (Nierenversagen) ([Kreatinin > 5 mg/dl]: karbamylatiertes HbA)
    • Hämoglobinopathien (vererbte Hämoglobinveränderungen) (HbH, HbF, Typ Wayne etc.; methodenabhängig)
    • Splenektomie (Milzentfernung) und aplastische Anämie (Knochenmarkversagen)
    • Organtransplantation (Organverpflanzung)
    • Medikamente (hohe Dosen Acetylsalicylsäure (ASS) (Schmerzmittel); Immunsuppressiva (Abwehrunterdrücker); Proteaseinhibitoren (Virusmedikamente))
  • "Falsch" niedrige Werte von HbA1c durch:
    • Ernährungsbedingt (hoher Alkohol- und Fettkonsum)
    • Folsäuremangel (Vitamin-B9-Mangel) (Schwangerschaft)
    • Leistungssport (intensiver Sport)
    • Große Höhen (Sensitivität von HbA1c sinkt mit zunehmender Höhe) [3]
    • Höheren Erythrozyten-Turnover (schnellerer Austausch roter Blutkörperchen)
    • Chronische Niereninsuffizienz (chronische Nierenschwäche) mit verkürztem Erythrozytenüberleben
    • Hämoglobinopathien (vererbte Hämoglobinveränderungen) (HbS, HbC, HbD; methodenabhängig)
    • Hämolytische Anämie (Blutarmut durch Zerfall roter Blutkörperchen)
    • Leberzirrhose (Leberschrumpfung) mit verkürztem Erythrozytenüberleben
    • Blutverlust (Blutungen)
    • Nach Bluttransfusionen (Blutübertragungen)
    • Medikamente (Erythropoetin (blutbildendes Hormon); Eisensupplementierung (Eisengabe))

Hinzu kommen zwei weitere wesentliche Faktoren, die bisher bei der Interpretation der HbA1c-Werte unzureichend berücksichtigt wurden:

    • niedrigerer diagnostischer Wert in verschiedenen Populationen (Bevölkerungsgruppen) (z. B. ältere Menschen, verschiedene ethnische Gruppen)
    • Überdiagnostik (zu häufige Diagnose) bei Menschen mit genetisch bedingter Hyperglykierung (veranlagter stärkerer Verzuckerung von Eiweißen)

Methode

  • High-Performance Liquid Chromatography (HPLC) (Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographie), standardisiert und IFCC-kalibriert (International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (IFCC))

Normwerte

Referenz- und Entscheidungsbereiche (Erwachsene; methoden- und laborabhängig)

Physiologischer Bereich < 5,7 % 39 mmol/mol
Prädiabetes 5,7-6,4 % 39-47 mmol/mol
Diabetes ≥ 6,5 % ≥ 48 mmol/mol

 Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) (Deutsche Diabetes Gesellschaft) e.V. empfiehlt in ihren Leitlinien einen individuell festzulegenden HbA1c-Zielkorridor; häufig liegt dieser im Bereich von 6,5-7,5 % (48-58 mmol/mol) und berücksichtigt Alter, Komorbiditäten (Begleiterkrankungen), Hypoglykämierisiko (Unterzuckerungsrisiko) und Lebenserwartung.

Den HbA1c-Werten in Prozent (NGSP, National Glycohemoglobin Standardization Program) entsprechen die HbA1c-Werte in mmol/mol (IFCC) wie folgt:

 Alt    Neu
 6,0 % entspricht  42 mmol/mol
 6,5 % entspricht  48 mmol/mol
 7,0 % entspricht  53 mmol/mol
 7,5 % entspricht  58 mmol/mol

Der Referenzbereich für Gesunde ist 20 bis 42 HbA1c (mmol/mol).

Indikationen

  • Langzeitkontrolle des Kohlenhydratstoffwechsels bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) Typ 1 und Diabetes mellitus Typ 2

HbA1c sollte in folgenden Abständen kontrolliert werden:

Diabetes mellitus Typ 1

      • circa 3-4 Mal jährlich
      • häufiger bei Therapieänderung oder instabiler Stoffwechsellage

Diabetes mellitus Typ 2

      • mindestens 2-mal pro Jahr bei stabilen Patienten
      • häufiger bei Therapieänderung oder instabiler Stoffwechsellage

Gestationsdiabetes mellitus (GDM) (Schwangerschaftsdiabetes)

    • HbA1c ist nicht primärer Verlaufsparameter, kann jedoch ergänzend interpretiert werden (Störfaktoren beachten)

Interpretation

Interpretation erhöhter Werte

  • Ist das HbA1c um ein Prozent erhöht, lag die mittlere Blutglucose in den vorangehenden Wochen bis Monaten typischerweise um etwa 25-30 mg/dl über dem Vergleichsbereich.
  • Diabetes-Einstellung sollte verbessert werden, wenn der HbA1c-Wert > 8 % ist.

Interpretation erniedrigter Werte

  • Nicht krankheitsrelevant; Störfaktoren (verkürzte Erythrozytenlebensdauer, Blutverlust, Hämolyse, Transfusion) sind auszuschließen.

Weitere Hinweise

  • Diagnostik
    • HbA1c unter 5,7 %: Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) ausgeschlossen
    • HbA1c von 5,7- 6,7 %: Messung der Glucose (DDG) (Deutsche Diabetes Gesellschaft) [Patienten, die bei einer zufälligen Untersuchung einen HbA1c ≥ 5,6 % aufweisen, entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Diabetes mellitus]
    • HbA1c größer 6,5 %: Diabetes mellitus [Sowohl die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) als auch die American Diabetes Association (ADA) (Amerikanische Diabetesgesellschaft) betrachten glykiertes Hämoglobin als relevanten Diagnosemarker, sofern es nach international standardisiertem Verfahren ermittelt wurde.]
  • Therapie
    • Individuell abzustimmender HbA1c-Zielkorridor von 6,5-7,5 % (48-58 mmol/mol)
    • Ein HbA1c-Zielwert nahe 6,5 %, nur wenn dieser durch Lebensstiländerungen und/oder Metformin (Blutzuckermedikament) zu erreichen ist (DEGAM) (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin)
  • Krankenhauseinweisung: Patienten im mittleren Lebensalter von 57 Jahren (13.522 Teilnehmer), mit erhöhtem HbA1c-Serumspiegel, mussten in den folgenden 20 Jahren häufiger ins Krankenhaus [1]:
    • HbA1c < 5,7 %: 3,7 % zehn oder mehr stationäre Aufnahmen
    • Patienten mit bekanntem Diabetes und guter Blutzuckerkontrolle (HbA1c < 7,0 %): 13,5 %
    • schlechter Kontrolle: 18,2 %
  • Mortalität (kardiovaskuläre und Krebssterblichkeit) von Diabetikern in Abhängigkeit von den HbA1c-Werten [2]
    • < 6,5 %: +30 %
    • 6,5-6,9 %: +60 %
    • 7,0-7,9 %: +60 %
    • 8,0-8,9 %: +120 % (+170 %)
    • > 9,0 %: +160 % (+220 %)
  • HbA1c und Nierenfunktion: Höhere HbA1c-Werte sprechen für einen rascheren Abfall der Nierenfunktion. Dies gilt bereits im prädiabetischen HbA1c-Bereich (5,7-6,5 %) [4]:
    • HbA1c < 5,7 % → Auftreten einer moderaten Nierenschwäche (estimated glomerular filtration rate (eGFR)) im Mittel 15,9 Jahre
    • HbA1c 5,7-6,5 % → Auftreten im Mittel 14,5 Jahre
    • HbA1c 6,5-8,5 % → Auftreten im Mittel 11,1 Jahre
    • HbA1c > 8,5 % → Auftreten im Mittel 8,5 Jahre

Literatur

  1. Schneider A et al.: Diabetes and Prediabetes and Risk of Hospitalization: The Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) Study. Diabetes Care 2016, online 7. März. doi: 10.2337/dc15-1335
  2. Palta P et al.: Hemoglobin A1c and Mortality in Older Adults With and Without Diabetes: Results From the National Health and Nutrition Examination Surveys (1988–2011). Diabetes Care 2017 Apr; 40(4): 453-460. https://doi.org/10.2337/dci16-0042
  3. Bazo-Alvarez JC et al.: Glycated haemoglobin (HbA1c) and fasting plasma glucose relationships in sea-level and high-altitude settings. Diabet Med 2017; 34: 804-812. doi: 10.1111/dme.13335
  4. Arnold F et al.: HbA1c-dependent projection of long-term renal outcomes. J Intern Med 2023; https://doi.org/10.1111/joim.13736