Vojta-Therapie

Die Vojta-Therapie (Synonyme: Reflexlokomotion (reflektorische Bewegungsauslösung), Vojta-Konzept) ist ein neurophysiologisches Therapieverfahren (Behandlung basierend auf Nerven- und Muskelsteuerung), das auf der Aktivierung angeborener Bewegungsmuster (Reflexlokomotion) basiert. Entwickelt wurde sie in den 1950er-Jahren von Prof. Dr. Václav Vojta zur Behandlung von Kindern mit Zerebralparese (Bewegungsstörung durch frühkindliche Hirnschädigung). Heute ist sie ein anerkanntes Verfahren zur Behandlung von motorischen Störungen (Bewegungsstörungen) bei Kindern und Erwachsenen mit neurologischen (Nervensystem betreffenden) und orthopädischen (Bewegungsapparat betreffenden) Krankheitsbildern.

Therapieprinzipien
Die Vojta-Therapie nutzt definierte Ausgangsstellungen und gezielte Druckreize an sogenannten Aktivierungszonen, um zwei grundlegende Bewegungsmuster auszulösen:

  • Reflexkriechen
  • Reflexumdrehen

Durch diese Muster wird das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) stimuliert, was zu einer Aktivierung ganzer Muskelketten führt. Ziel ist es, Haltungskontrolle, Bewegungskoordination (Zusammenspiel von Nerven und Muskeln) und Muskeltonusregulation (Spannung der Muskulatur) zu verbessern. Zudem werden häufig auch Atemfunktion, Schluckkoordination und Stabilisationsmechanismen positiv beeinflusst.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Vojta-Therapie wird insbesondere eingesetzt bei:

  • Pädiatrischen Indikationen (Kinderheilkunde)
    • Zerebralparese
    • Spinale Muskelatrophie (Muskelschwund durch Nervenschäden)
    • Plexusläsionen (Schädigung von Nervengeflechten)
    • Haltungsasymmetrien
    • Entwicklungsverzögerungen
  • Neurologischen Erkrankungen bei Erwachsenen
    • Schlaganfall (Apoplex)
    • Multiple Sklerose (entzündliche Erkrankung des Nervensystems)
    • Schädel-Hirn-Traumata (Verletzungen von Kopf und Gehirn)
    • Periphere Nervenläsionen (Nervenschädigungen außerhalb von Gehirn und Rückenmark)
  • Orthopädischen Funktionsstörungen
    • Skoliose (seitliche Wirbelsäulenverkrümmung)
    • Hüftdysplasien (Fehlentwicklung des Hüftgelenks)
    • Postoperative motorische Rehabilitation (Bewegungstherapie nach Operationen)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Absolute Kontraindikationen

  • Akute fieberhafte Infektionen
  • Instabile Frakturen (nicht stabilisierte Knochenbrüche)
  • Akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Akute unkontrollierte Epilepsie (Krampfanfälle)

Relative Kontraindikationen (ärztliche Abwägung erforderlich)

  • Erschöpfungszustände
  • Schmerzhafte akute Zustände
  • Psychiatrische Erkrankungen (psychische Störungen) mit eingeschränkter Kooperationsfähigkeit

Therapieablauf
Die Therapie wird in regelmäßigen Sitzungen unter Anleitung spezialisierter Physiotherapeuten (Bewegungstherapeuten) durchgeführt. Die Anwendung zu Hause durch geschulte Angehörige (Eltern) ist integraler Bestandteil, insbesondere in der pädiatrischen Behandlung. Der Therapieverlauf wird regelmäßig anhand funktioneller Assessments (Tests zur Überprüfung der Bewegungsfähigkeiten) überprüft.

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Muskelkater und vorübergehende Erschöpfung
  • Vorübergehende Unruhe oder Weinen bei Säuglingen

Spätkomplikationen

  • Überlastungsreaktionen bei unsachgemäßer Durchführung
  • Fehlanpassungen bei fehlender fachlicher Supervision

Evidenz und aktueller Stellenwert

Die Wirksamkeit der Vojta-Therapie ist durch zahlreiche klinische Beobachtungen und Fallserien gestützt, insbesondere in der Kinderneurologie (Lehre von Erkrankungen des kindlichen Nervensystems). Randomisierte kontrollierte Studien (wissenschaftlich hochwertige Vergleichsstudien) liegen vor allem bei Zerebralparese und Schlaganfallrehabilitation (Bewegungstherapie nach Schlaganfall) vor. Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) und die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) erkennen die Methode als etabliertes Therapieverfahren an, wenngleich weitere hochqualitative Studien zur Effizienz in spezifischen Indikationsbereichen wünschenswert sind [1-4].

Literatur

  1. Ma T, Li C, Liu Y. Effect of VOJTA Therapy on Gross Motor Function in Children with Cerebral Palsy. Open Journal of Pediatrics. 2024;14(2):359–363. https://www.scirp.org/journal/paperinformation?paperid=131849
  2. Epple C, Maurer-Burkhard B, Lichti MC, Steiner T. Vojta therapy improves postural control in very early stroke rehabilitation: a randomised controlled pilot trial. Neurology Research and Practice. 2020;2:23. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33324926
  3. Ha SY, Sung YH. Vojta therapy affects trunk control and postural sway in children with central hypotonia: a randomized controlled trial. Children. 2022;9(10):1470. https://www.mdpi.com/2227-9067/9/10/1470
  4. Sánchez-González JL et al.: Critical review of the evidence for Vojta Therapy: a systematic review and meta-analysis Sec. Neurorehabilitation Volume 15 - 2024 | https://doi.org/10.3389/fneur.2024.1391448