Speicheldrüsenentzündung (Sialadenitis) – Einleitung

Sialadenitiden sind entzündliche Erkrankungen der Speicheldrüsen, die akut oder chronisch verlaufen können. Ein akuter Verlauf wird meist durch virale oder bakterielle Infektionen ausgelöst, während chronische Verlaufsformen häufig mit Sekretionsstörungen, Obstruktionen oder immunologischen Erkrankungen verbunden sind. Radiogene (strahlenbedingte) Sialadenitiden und infektiös-granulomatöse Erkrankungen wie Tuberkulose können ebenfalls eine Rolle spielen.

Thesaurus-Synonyme und ICD-10: Sialoadenitis; Speicheldrüsenentzündung; Entzündung einer Speicheldrüse; Abszess der sublingualen Drüsen; Abszess der submandibulären Drüsen; Abszess des Speicheldrüsenganges; Adenitis der Speicheldrüsen; Adenitis des Speicheldrüsenganges; akute Parotitis; akute Sialadenitis; chronische Parotitis; chronische Sialadenitis; Eiterung des Speicheldrüsenganges; eitrige Adenitis der Glandula sublingualis; eitrige Adenitis der Glandula submandibularis; eitrige Adenitis der Parotis; eitrige Entzündung des Wharton-Ganges; eitrige Parotitis; eitrige Sialadenitis; Entzündung der Glandula submandibularis; Entzündung des Ductus submandibularis; Entzündung eines Speicheldrüsenausführungsganges; Hyposekretion der Speicheldrüse; Hyposialie; Infektion der Speicheldrüse; Infektion des Speicheldrüsenganges; Mangel an Speicheldrüsensekretion; nichtepidemische Parotitis; Obstruktive Sialadenitis; Ohrspeicheldrüsenentzündung; Parotisabszess; Parotisentzündung; Parotisinfektion; Parotitis; Parotitis, nicht durch Mumps bedingt; purulente Parotitis; septische Parotitis; Sialadenitis; Sialitis; Sialoadenitis; Sialodochitis; Sialodochitis fibrinosa; Speicheldrüsenabszess; Speicheldrüseneiterung; Speicheldrüsengangstein; Speicheldrüsensekretionsstörung; Speicheldrüsenstein; Speichelmangel; Speichelsekretionsstörung; Speichelstauung ICD-10-GM K11.2 -: Sialadenitis; ICD-10-GM K11.3 -: Speicheldrüsenabszess; griech. σίαλον, síalon, "Speichel", ἀδεν, áden, "Drüse" und -ίτις, -ítis, "Entzündung"; ICD-10-GM K11.7 -: Störungen der Speichelsekretion)

Folgende Drüsen können von einer Sialadenitis betroffen sein:

  • Glandula parotis (Synonym: Glandula parotidea, Parotis; Ohrspeicheldrüse) – Ausführungsgang: Stenon-Gang
  • Glandula submandibularis (Unterkieferdrüse)
  • Glandula sublingualis (Unterzungendrüse) – gemeinsamer Ausführungsgang mit Glandula submandibularis: Wharton-Gang
  • Kleine Speicheldrüsen in Lippen- und Mundschleimhäuten

Formen der Erkrankung

Nach Verlauf

  • Akut: Häufig durch virale oder bakterielle Infektionen
  • Chronisch: Oft durch Obstruktionen oder immunologische Erkrankungen

Nach Ätiologie (Ursachen)

  • Virale Sialadenitiden: Parotitis epidemica (Mumps), Cytomegalie-Sialadenitis, Begleitsialadenitiden bei Coxsackie-Virus, ECHO-Viren, Epstein-Barr-Virus, Parainfluenza-Viren, HIV-Infektion
  • Akute bakterielle Sialadenitis: Meist durch hämolysierende Streptokokken (Gruppe A) und Staphylokokken (S. aureus), begünstigt durch Hyposialie
  • Chronische Sialadenitiden: Häufig durch Obstruktionen wie Sialolithen (Speichelsteine), die eine bakterielle Infektion fördern

Spezielle Formen

  • Obstruktive Elektrolyt-Sialadenitis: Gestörter Elektrolythaushalt führt zu zähem Speichel und Schleimobstruktion
  • Chronisch-rezidivierende Parotitis: Wiederkehrende bakterielle Infektionen der Ohrspeicheldrüse, oft im Kindesalter
  • Chronisch-myoepitheliale Sialadenitis (Sjögren-Syndrom): Autoimmun bedingte Entzündung der Speichel- und Tränendrüsen
  • Chronische epitheloidzellige Parotitis (Heerfordt-Syndrom): Extrapulmonale Manifestation der Sarkoidose
  • Strahlensialadenitis: Durch Bestrahlung induzierte Schädigung der Speicheldrüsen
  • Sialadenitiden bei Hyposialie: Bei vermindertem Speichelfluss durch Marasmus, Dehydratation, Diabetes mellitus/insipidus, Durchfall, Erbrechen, Blutverlust, Alkoholabusus
  • Infektiös-granulomatöse Sialadenitiden: Tuberkulose, atypische Mykobakteriosen, Aktinomykose, Syphilis

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis

  • Obstruktive Sialadenitis: 55,5 % Männer, 44,5 % Frauen
  • Sjögren-Syndrom: Verhältnis Männer zu Frauen 1:9-10

Häufigkeitsgipfel

  • Obstruktive Sialadenitis: 6. und 7. Lebensjahrzehnt
  • Sjögren-Syndrom: Postmenopausale Frauen im 5. bis 7. Lebensjahrzehnt

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Küttner-Tumor: 34 % der chronischen Speicheldrüsenentzündungen
  • Sialolithiasis: 22 % der chronischen Entzündungen, häufig in der Glandula submandibularis
  • Speichelsteine: 1,2 % der deutschen Bevölkerung, wobei nur 10 % der Steine Beschwerden verursachen
  • Sjögren-Syndrom: 0,1-4 % der Bevölkerung

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Akute Sialadenitis: Meistens gut behandelbar mit Antibiotika oder antiviralen Medikamenten. Ohne Behandlung kann die Infektion zu Abszessen oder chronischen Entzündungen führen.
  • Chronische Sialadenitis: Langwieriger Verlauf mit wiederkehrenden Entzündungen. Bei chronisch-rezidivierender Parotitis (Ohrspeicheldrüsenentzündung) können die Symptome in der Pubertät verschwinden, während Erwachsene häufig langwierige Verläufe mit narbigen Veränderungen und Funktionseinschränkungen der Speicheldrüsen erleben.
  • Obstruktive Sialadenitis: Fortschreitende Zerstörung des Drüsenparenchyms durch aszendierende ("aufsteigende") Infektionen und fibrotische Veränderungen.
  • Strahlensialadenitis: Irreversible Schädigung der Drüsen mit resultierender Mundtrockenheit.

Prognose

  • Akute bakterielle Sialadenitis: Gute Prognose bei frühzeitiger und adäquater Therapie.
  • Chronische Sialadenitis: Abhängig von der Ursache und dem Ausmaß der Drüsenschädigung. Früherkennung und Behandlung von Obstruktionen (vollständigen Verschluss) können die Prognose verbessern.
  • Sjögren-Syndrom: Chronische Erkrankung mit progressivem (fortschreitenden) Verlauf, oft symptomatische Behandlung erforderlich.
  • Strahlensialadenitis: Dauerhafte Mundtrockenheit und Funktionsverlust der betroffenen Drüsen.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Obstruktive Sialadenitis. (AWMF-Registernummer: 017-025), Novemnber 2019 Langfassung