Sport in der Schwangerschaft – sicher trainieren

Regelmäßige Bewegung in der Schwangerschaft gilt heute als sicher und ist ausdrücklich empfehlenswert. Internationale Leitlinien empfehlen mindestens 150 Minuten moderater körperlicher Aktivität pro Woche, ergänzt durch kräftigende, koordinative und beckenbodenorientierte Übungen [1, 2]. Ein strukturiertes, individuell angepasstes Bewegungsprogramm senkt nachweislich das Risiko für Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes), hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (Bluthochdruck in der Schwangerschaft), übermäßige Gewichtszunahme und psychische Beschwerden [1-3]. Zusätzlich verbessert Bewegung die Lebensqualität und das Wohlbefinden vieler Schwangerer.

Physiologische Anpassungen und Konsequenzen für die Trainingssteuerung

Die Schwangerschaft führt zu einer Vielzahl körperlicher Veränderungen, die das Training beeinflussen:

  • Herz-Kreislauf-System: Erhöhung des Herzzeitvolumens
  • Atmung: Steigerung des Atemminutenvolumens
  • Thermoregulation: veränderte Fähigkeit zur Wärmeabgabe
  • Stoffwechsel: veränderte Zuckerverwertung
  • Muskeln und Gelenke: zunehmende Bandlockerung, veränderte Stabilität
  • Mechanik: veränderter Körperschwerpunkt
  • Psyche: hormonell bedingte Schwankungen in Motivation und Belastbarkeit

Diese Anpassungen machen eine kluge Trainingssteuerung erforderlich.

Empfehlenswerte Steuerungsprinzipien:

  • Talk-Test: Eine Aktivität wird als "moderat" bezeichnet, solange während der Aktivität noch Sprechen möglich ist.
  • Zielbereiche: Keine Maximalbelastung; bei trainierten Schwangeren sind angepasste Ausdauer- und Krafteinheiten möglich [2].
  • Frequenz/Umfang: 3-5 Einheiten/Woche, insgesamt ≥ 150 min/Woche, zzgl. 2-mal/Woche Kraft/Koordination/Beckenboden [1, 2], wenn möglich.

Beckenboden im Fokus

Der Beckenboden ist während der Schwangerschaft durch hormonelle Einflüsse – insbesondere der Hormone Relaxin und Progesteron – sowie durch den zunehmenden intraabdominalen Druck (Druck im Bauchraum) besonders belastet.

Regelmäßiges Beckenbodentraining (mind. 3x/Woche):

  • Senkt das Risiko für Harninkontinenz [4]
  • Reduziert Episiotomieraten (Häufigkeit von Dammschnitten während der Geburt) [4]
  • Verringert höhergradige Dammverletzungen [4]

Bei Beschwerden wie Senkungsgefühl, Druck oder Schmerzen ist eine beckenbodenspezifische Physiotherapie sinnvoll.

Absolute Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Sport muss unterlassen werden bei [2]:

  • Placenta praevia (ab ≥ 26. SSW) – der Mutterkuchen liegt so tief in der Gebärmutter, dass er den Muttermund teilweise oder vollständig überdeckt
  • Vorzeitigem Blasensprung oder Wehenbeginn
  • Anhaltender vaginaler Blutung
  • Manifester Präeklampsie ("Schwangerschaftsvergiftung"/Bluthochdruck und Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie))
  • Relevanter fetaler Wachstumsrestriktion (das ungeborene Kind wächst im Mutterleib langsamer als erwartet und bleibt in seinem Gewicht oder seiner Größe zurück)
  • Instabilen Herz- oder Lungenerkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Herzrhythmusstörungen, Dyspnoe (Atemnot))

Relative Kontraindikationen

Hier ist eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung erforderlich [2]:

  • Ausgeprägte Anämie (Blutarmut der Schwangeren)
  • Schlecht eingestellter Diabetes mellitus
  • Restriktive Lungenerkrankungen – die Lunge kann sich schlechter füllen, wodurch Atemnot, besonders bei Belastung, entsteht
  • Schwere Schilddrüsenerkrankungen
  • Essstörungen
  • Adipositas Grad III
  • Vorausgegangene Fehlgeburten (Einzelfallentscheidung)

Warnzeichen – Training sofort abbrechen!

Folgende Symptome erfordern ein sofortiges Beenden der Belastung und ärztliche Abklärung [2]:

  • Vaginale Blutung
  • Fruchtwasserabgang
  • Brustschmerzen
  • Atemnot in Ruhe
  • Schwindel oder Synkopen (Bewusstseinsverlust)
  • Starke Kopfschmerzen
  • Wehenartige Unterbauchschmerzen
  • Verminderte Kindsbewegungen

Risikofaktoren und präventive Maßnahmen

Erhöhte Risiken bestehen bei:

  • Wenig Bewegung schon vor der Schwangerschaft
  • Übergewicht/Adipositas
  • Familiärer Belastung für Schwangerschaftsdiabetes oder Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Komplikationen in vorangegangenen Schwangerschaften
  • Vorab bestehenden Rücken- oder Beckenbodenbeschwerden
  • High-impact-Sportarten (Sportarten oder Trainingsformen, bei denen der Körper starken Stoßbelastungen, Sprungbewegungen oder harten Landungen ausgesetzt ist), ohne das passende Kraftniveau oder die richtige Technik

Prävention umfasst [1, 2, 4]:

  • Langsamen, stufenweisen Trainingsaufbau
  • Fokus auf Rumpf-, Hüft- und Beckenbodenstabilität
  • Technikschulung
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
  • Vermeidung von Überhitzung
  • Längeres Liegen in Rückenlage ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel meiden

Praktische Trainingsempfehlungen

Für zuvor inaktive Frauen

  • Täglich 10-15 Minuten zügiges Gehen
  • Wöchentliche Steigerung um 5 Minuten
  • Ziel: 30 Minuten pro Tag an ≥ 5 Tagen/Woche

Kraft und Koordination

  • 2x/Woche Ganzkörpertraining
  • 6-8 Übungen
  • 2-3 Sätze
  • 8-12 Wiederholungen
  • Technisch sauber, submaximale Intensität

Beckenboden [4]

  • Mindestens 3x/Woche
  • Fokus auf Atmung, Entspannung

Für sporterfahrene Schwangere [2]

  • Fortsetzung des Trainings möglich
  • Reduktion von Maximallasten
  • Gelenkschonende Alternativen bevorzugen
  • Engmaschige Eigen- und ärztliche Kontrolle

Allgemeine Empfehlungen [1, 2, 5]

  • 5-10 Minuten aufwärmen und abkühlen
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
  • Lockere Kleidung und gut sitzende Schuhe
  • Keine Sauna oder hohe Umgebungstemperaturen

Fazit

Sport in der Schwangerschaft ist sicher und wirkungsvoll. Bei Beachtung von Kontraindikationen und Warnzeichen wirkt regelmäßige Aktivität präventiv, verbessert die Gesundheit von Mutter und Kind und unterstützt einen positiven Verlauf von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Der zusätzliche Fokus auf den Beckenboden ist besonders wirksam und gut belegt.

Literatur

  1. Bull FC, Al-Ansari SS, Biddle S et al.: World Health Organization 2020 guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Br J Sports Med. 2020;54(24):1451-1462. doi: 10.1136/bjsports-2020-102955.
  2. American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG): Physical Activity and Exercise During Pregnancy and the Postpartum Period. Committee Opinion No. 804. Obstet Gynecol. 2020;135(4):e178-e188. doi: 10.1097/AOG.0000000000003772.
  3. Davenport MH, Ruchat SM, Poitras VJ et al.: Prenatal exercise for the prevention of gestational diabetes mellitus and hypertensive disorders of pregnancy. Br J Sports Med. 2018;52(21):1367-1375. doi: 10.1136/bjsports-2018-099355.
  4. Zhang D, Bø K, Montejo R et al.: Influence of pelvic floor muscle training during pregnancy on urinary incontinence, episiotomy and third- or fourth-degree perineal tear. Acta Obstet Gynecol Scand. 2024;103(6):1015-1027. doi: 10.1111/aogs.14744.
  5. Roland CB, Knudsen SD, Alomairah SA et al.: Effects of prenatal exercise on gestational weight gain, obstetric and neonatal outcomes: FitMum randomized controlled trial. BMC Pregnancy Childbirth. 2023;23:214. doi: 10.1186/s12884-023-05507-7.