Migräne – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Vermeidung von Migräneattacken
  • Reduktion der Attackenfrequenz, -dauer und -intensität
  • Verbesserung der Symptomatik bei bestehender Migräneattacke
  • Vermeidung medikamenteninduzierter Kopfschmerzen
  • Verbesserung der Alltagsfunktion und Lebensqualität

Therapie der akuten Migräne

Therapieempfehlungen 

  • Allgemeines zur Beachtung:
    • Mit der medikamentösen Therapie sollte so früh wie möglich begonnen werden.
    • Bei Migräne mit Aura können Analgetika (Schmerzmittel) beim Einsetzen der Aura genommen werden. Dabei muss von Beginn an eine ausreichende Dosierung (Startdosis) erfolgen.
      Beachte: Während der Migräneattacken ist die Resorption von Analgetika verzögert ist, was möglicherweise durch eine gestörte gastrointestinale Motilität während des Migräneanfalls bedingt ist. Eine Kombination von Analgetika mit prokinetischen (motilitätsfördernd) wirksam Antiemetika (Arzneimittel gegen Übelkeit) ist deshalb angezeigt.
      • Vor der Analgetikagabe sollte initial die Nausea/Übelkeit mit z. B. Domperidon (Dopaminantagonist) behandelt werden, da durch das häufige Erbrechen der Patienten die Wirkung des Analgetikums nicht ausreichend wäre.
      • Ca. 10 Minuten nach Applikation des Antiemetikums (z. B. Tabletten, Tropfen; bei starker Übelkeit und/oder Erbrechen: Suppositorium oder parenterale Applikation) kann das Analgetikum verabreicht werden: Paracetamol (Mittel der ersten Wahl bei Kindern, Schwangeren und Stillenden) bzw. Ibuprofen (bei Migräne im 1.-2. Trimenon Mittel der Wahl, im 3. Trimenon kontraindiziert).
  • Akuttherapie
    • Leichte bis mittelgradige Migräne: Analgetika (Acetylsalicylsäure (ASS 1.000 mg) und andere nicht steroidale Antirheumatika (NSAR; Diclofenac, Ibuprofen) oder das Pyrazolon-Derivat Metamizol); bei Kontraindikationen gegen NSAR auch Paracetamol
      Ibuprofen zeigte in einer Netzwerk-Analyse von 88 Studien die beste Verträglichkeit [9].
    • Mittelschwere bis schwere Migräne: Triptane (Serotonin-Rezeptor-Agonisten); Indikationen: schwere Migräneattacken, bei denen unspezifische Analgetika bzw. die Kombination aus Antiemetikum und Analgetikum nicht ausreichend effektiv sind.
      Das Triptan kann zusammen mit einem lang wirksamen Analgetikum gegeben werden, diese Kombination ist der jeweiligen Monotherapie überlegen.
      Beachte: 
      • Die Einnahme sollte möglichst früh in der Kopfschmerzphase der Migräne erfolgen. Sie sind nicht wirksam in der Auraphase der Migräne!
      • Für Triptane liegt die Schwelle für einen arzneimittelinduzierten Kopfschmerz (Medikamentenübergebrauchskopfschmerz) bei ≥ 10 Einnahmetagen pro Monat, über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten.
    Eletriptan (Arzneistoff aus der Gruppe der Triptane) zeigte in einer Netzwerk-Analyse von 88 Studien die beste Wirksamkeit [9].
    Interaktionen: Die Kotherapie von Triptanen mit SSR oder SNRI sollte eigentlich wg. des Risikos eines Serotoninsyndroms (serotonerges Syndrom) vermieden werden; das ist allerdings nicht erforderlich: Ein Serotoninsyndrom wird nach Registerdaten bei gleichzeitiger Einnahme bei weniger als zehn von 100.000 Patienten im Jahr festgestellt [10].
  • Ärztliche Notfall- und Akutbehandlung der Migräne: Lysin-Acetylsalicylat 1.000 mg i. v.; Metamizol; Sumatriptan 6 mg s. c.; Metoclopramid 10 mg i. v.; Glucocorticoide)
  • Status migraenosus: Glucocorticoide (Dexamethason bzw. Prednisolon)
  • Prophylaxe der Migräne: Betablocker (Metoprolol, Propranolol); Calciumantagonist (Flunarizin); Antikonvulsiva (Topiramat, Valproinsäure); trizyklisches Antidepressivum Amitriptylin; monoklonale Antikörper (Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab)
  • Chronische Migräne: Topiramat und Onabotulinumtoxin A 
  • Zur Therapie der menstruellen Migräne (Migräne ohne Aura, deren Attacken in mindestens zwei von drei Zyklen in den Tagen um die Menstruation (Regelblutung) auftreten; Häufigkeit: ca. 10-15 % der Frauen) siehe unter prämenstruellen Syndrom (PMS)
    Beachte: Die Akutbehandlung der menstruell zeitlich gebundenen Migräne unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der nichtmenstrueller Attacken [2] 

Beachte

  • Folgende Schwellen gelten für die Entstehung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes (arzneimittelinduzierter Kopfschmerz):
    • Einnahme von Monoanalgetika an mehr als 15 Tagen/Monat
    • Einnahme von Kombinationsanalgetika an mehr als 10 Tagen/Monat
    • Einnahme von Kombinationen verschiedener Analgetika an mehr als 10 Tagen/Monat

Wirkstoffe (Hauptindikation) 

Antiemetika

Wirkstoffgruppe Wirkstoffe Besonderheiten
Dopaminantagonist Domperidon

Für Kinder und Jugendliche auch geeignet

Dosisanpassung bei
Niereninsuffizienz

H1-Rezeptorblocker (Antihistaminikum) Dimenhydrinat Mittel der zweiten Wahl (wg. antiemetisch, nicht jedoch prokinetisch wirksam); Einsatz nur, wenn der sedierende Nebeneffekt erwünscht ist

Mittel der ersten Wahl
 zur Behandlung von migräneassoziierter Übelkeit in der Schwangerschaft und Stillzeit
  • Wirkweise Domperidon: antiemetisch (gegen Übelkeit), prokinetisch (motilitätssteigernd) durch Dopamin-Rezeptorblockade (Blockade der Dopamin-Andockstellen) im ZNS (zentrales Nervensystem)
  • Indikationen: Übelkeit/Erbrechen
  • Nebenwirkungen: Diarrhoe (Durchfall), Hyperprolaktinämie (erhöhtes Prolaktin), Müdigkeit, Vertigo (Schwindel), QTc-Verlängerung (verlängerte Herzstromkurve), Torsade-de-Pointes-Tachykardien (bestimmte Herzrhythmusstörung), schwerwiegende ventrikuläre Arrhythmien (Kammer-Herzrhythmusstörungen) und plötzlicher Herztod (PHT) (plötzlicher Herztod)
  • Domperidon in der Prodromalphase der Migräne (Vorbotenphase der Migräne) eingenommen, verringert die Auftretenswahrscheinlichkeit einer nachfolgenden Kopfschmerzphase der Migräne
  • Wirkweise Dimenhydrinat: kompetitive H1-Rezeptor-Blockade (Blockade von Histamin-Rezeptoren); antiemetisch (gegen Übelkeit), nicht jedoch prokinetisch wirksam
  • Nebenwirkungen: Sedierung (Müdigkeit), anticholinerg (hemmend auf den Parasympathikus), RR ↓ (niedriger Blutdruck), P ↑ (erhöhter Puls), Appetit ↑ (Appetitsteigerung)

Analgetika

10 Minuten nach Gabe des Antiemetikums.

Wirkstoffe Besonderheiten
Acetylsalicylsäure Zugelassen auch im 1. und 2. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel)

Cave
: Nicht bei Kindern (< 12. Lj) anwenden
→ Reye-Syndrom!

KI: Leberfunktionsstörungen, Niereninsuffizienz
Paracetamol

Mittel der ersten Wahl bei Kindern

Beachte: Paracetamol wird mit späteren Gesundheitsstörungen
des Kindes in Verbindung gebracht (erhöhtes Asthma bronchiale-Risiko,
Störung der psychomotorischen Entwicklung des Kindes
oder Kryptorchismus bei Jungen).

In allen Phasen der Schwangerschaft und Stillzeit das
Mittel der ersten Wahl
 zur Behandlung der akuten Migräneattacke.

 

Ggf. Kombinationsbehandlung (z. B. ASS 250 mg + Paracetamol 200 mg + Koffein 50 mg)

KI: Magen-Darm-Ulzera

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz

 

Diclofenac Kontraindikationen: Herzinsuffizienz (New York Heart Association, NYHA, Stadien II-IV), ischämische Herzerkrankung, periphere Arterienerkrankung, zerebrovaskuläre Erkrankung
Ibuprofen Zugelassen für Kinder

Mittel der Wahl im 1. und 2. Trimenon zur Akuttherapie der Migräne.
In der Stillphase Mittel der ersten Wahl

Ibuprofen zeigte in einer Netzwerk-Analyse von 88 Studien die beste Verträglichkeit [9]

KI: Magen-Darm-Ulzera, Blutbildungsstörungen

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz

Naproxen

KI: Magen-Darm-Ulzera, Blutbildungsstörungen

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz

Metamizol

 

 

Zugelassen auch im 1. und 2. Trimenon

KI: Funktionsstörungen des Knochenmarks/hämatopoetischen Systems, Porphyrie

Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz

  • Wirkweise Acetylsalicylsäure (ASS): Hemmung der Cyclooxygenase (Enzym zur Prostaglandinbildung)
  • Dosierungshinweise:
    • leichte Migräneattacke: Acetylsalicylsäure 1.000 mg oral
    • schwere Migräneattacke: Lysinacetylsalicylat 1.000 mg i.v. (intravenös)
  • Nebenwirkungen: gastrointestinal (Übelkeit, Ulzera (Magengeschwüre)), Eisenmangelanämie (Blutarmut durch Eisenmangel) (Langzeittherapie), Vertigo (Schwindel), Tinnitus (Ohrgeräusche), Wasserretention (Wassereinlagerungen), Analgetikaasthma (Aspirin-Asthma), Uteruskontraktionshemmung (verminderte Gebärmutterkontraktion)
  • Wiederkehrkopfschmerz ist bei Triptanen (Migränemittel) mit 15-40 % häufiger als bei ASS
  • Wirkweise Paracetamol: reversible Cyclooxygenasehemmung (reversible Hemmung des Prostaglandin-Enzyms) → analgetisch (schmerzlindernd), antipyretisch (fiebersenkend); Metamizol schwach antiphlogistisch (schwach entzündungshemmend)
  • Nebenwirkungen: hepatotoxisch (leberschädigend), nephrotoxisch (nierenschädigend)
  • Antidot bei Überdosierung von Paracetamol: N-Acetylcystein (Gegenmittel N-Acetylcystein)
  • Wirkweise Ibuprofen: Hemmung der Cyclooxygenase (Prostaglandin-Enzymhemmung)
  • Dosierungshinweise: leichte Migräneattacke: Ibuprofen 400 mg
  • Nebenwirkungen: gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Ulzera (Magengeschwüre)), Magen-Darm-Ulzera, Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus (Ohrgeräusche), selten Leber-/Nierenfunktionsstörungen, Wasserretention (Wassereinlagerung)
  • Wirkweise Naproxen: Hemmung der Cyclooxygenase (Prostaglandin-Enzymhemmung)
  • Dosierungshinweise: leichte Migräne: Naproxen > 500 mg
  • Nebenwirkungen: gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Blutungen), Überempfindlichkeitsreaktionen (allergische Reaktionen), Magen-Darm-Ulzera (Magengeschwüre), Kopfschmerzen, Schwindel, Hör-/Sehstörungen
  • Wirkweise Metamizol: genauer Wirkmechanismus von Metamizol ist ungeklärt; diskutiert werden u. a. eine Beteiligung des 5-HT- oder Opioid-Stoffwechsels (Serotonin- oder Opioidstoffwechsel) oder des cGMP-Signalweges (intrazellulärer Botenstoffweg)
  • Nebenwirkungen: allergische Reaktionen, Blutbildungsstörungen bis zu einer toxischen Agranulozytose (stark verminderte Granulozyten) (typische Symptome: Fieber, Halsschmerzen, entzündliche Schleimhautveränderungen), Nierenfunktionsstörungen
  • Analgetikakombinationen sind zu vermeiden!
  • Analgetika mit Koffeinzusatz sind wirksamer; Koffein (ab 100 mg) gilt dabei als analgetisches Adjuvans (Wirkverstärker) bei guter Verträglichkeit
  • Opioide sollten bei Migräne nicht gegeben werden!

Triptane (Serotonin-Rezeptor-Agonisten (Serotonin-Rezeptor-Aktivatoren)) [6]

Hinweise:

  • Triptane sind für den Endpunkt Schmerzfreiheit nach 2 h den Analgetika überlegen.
  • Triptane mit den besten Responderraten um die 40 Prozent.

Triptane (Serotonin-Rezeptor-Agonisten (Serotonin-Rezeptor-Aktivatoren)) [6]

Hinweise:

  • Triptane sind für den Endpunkt Schmerzfreiheit nach 2 h den Analgetika überlegen.
  • Triptane mit den besten Responderraten um die 40 Prozent.
Wirkstoffe Besonderheiten
Almotriptan Hinweis: Vergleichbare Effektivität zu Sumatriptan,
aber eine bessere Verträglichkeit und eine anhaltendere Wirkung.

Dosisanpassung bei schwerer Niereninsuffizienz
Ki bei schwerer Leberinsuffizienz
Eletriptan

Hinweis: Wirksamkeit und Verträglichkeit mit Sumatriptan oral vergleichbar bei etwas geringerer Wiederkehrkopfschmerzrate.

Eletriptan zeigte in einer Netzwerk-Analyse von 88 Studien die beste Wirksamkeit [9]

Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
KI bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz

Frovatriptan Hinweis: Vergleichbar wirksam wie Sumatriptan oral, weist aber eine geringere Wiederkehrkopfschmerzrate und eine bessere Verträglichkeit auf.

KI bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz
Naratriptan Hinweis: Wirkt schwächer und langsamer als Sumatriptan, weist aber eine geringere Wiederkehrkopfschmerzrate auf.

KI bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz
Längste Plasmahalbzeit!
Rizatriptan Hinweis: Im Vergleich zum oralen Sumatriptan schneller,
stärker und anhaltender wirksam, bei vergleichbarer Verträglichkeit.

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
KI bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz
Sumatriptan

Mittel der ersten Wahl

Ab dem zwölften Lebensjahr zugelassen.

Im 2. und 3. Trimenon unter strenger Indikationsstellung
(d. h. bei anders nicht behandelbaren Attacken mit starken Schmerzen und Begleitsymptomen)
Hinweis: zwischen 1. und 2. Trimenon: Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen; KI gegenüber ASS: Paracetamol 
In der Stillzeit wird eine 8-stündige Stillpause nach der Einnahme empfohlen.

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
KI bei schwerer Leberinsuffizienz

Zolmitriptan Ab dem zwölften Lebensjahr zugelassen.
Hinweis: Kein wesentlicher Unterschied zu Sumatriptan oral in Wirksamkeit und Verträglichkeit. .

Dosisanpassung bei schwerer Nieren-/
Leberinsuffizienz
  • Wirkweise: selektive 5-HT1B/1D-Rezeptoragonisten (Serotonin-Rezeptor-Aktivatoren); Hemmung der aseptischen Entzündung der Duraarterien (Hirnhautarterien); Vasokonstriktion (Gefäßverengung)
  • Keine Kombination der Wirkstoffe untereinander
  • Indikationen: schwere Migräneattacken, bei denen unspezifische Analgetika bzw. die Kombination aus Antiemetikum (Mittel gegen Übelkeit) und Analgetikum (Schmerzmittel) nicht ausreichend effektiv sind
  • Anwendungsbeschränkungen: Hemiplegische Migräne (Migräne mit Lähmungserscheinungen), Migräne mit Hirnstammaura (Migräne vom Basilaristyp)
  • Dosierungshinweise:
    • Wenn sich die Kopfschmerzen nach der ersten Dosis nicht bessern, keine zweite Dosis im gleichen Anfall einnehmen
    • Treten nach bereits abgeklungenen Kopfschmerzen neue auf, kann eine einmalige Wiederholung der Einnahme erfolgen, jedoch frühestens 2-4 h (bei oraler Applikation (Einnahme über den Mund)) nach der Erstgabe.
    • In der Stillphase: Stillpause von 12 Stunden nach Einnahme von Sumatriptan (Triptan-Wirkstoff); für die übrigen Triptane werden 24 Stunden empfohlen
    • Einnahme auf max. 10 x pro Monat begrenzen; beachte: Es gilt die gleiche Grenze von 10 Tagen pro Monat bei abwechselnder Einnahme von Triptanen und Analgetika
    • Kombination von Triptanen mit Naproxen (entzündungshemmendes Schmerzmittel) ist wirksamer als die Monotherapie.
  • Wg. Kombinationen: Die gleichzeitige Einnahme von Sumatriptan (Triptan-Wirkstoff) und Naproxen kann zu einer schnelleren, stärkeren und anhaltenderen Wirkung als bei Sumatriptan allein führen [6]
  • Kontraindikationen:
    • Unkontrollierter Hypertonus (unkontrollierter Bluthochdruck)
    • Koronare Herzkrankheit (KHK) (Erkrankung der Herzkranzgefäße) inkl. Angina pectoris (Brustenge)
    • Transitorische ischämische Attacken (TIA) (kurzzeitige Durchblutungsstörung des Gehirns) und zerebrale Ischämie (minderdurchblutetes Gehirngewebe)
    • Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) (Durchblutungsstörung der Beine)
    • Zust. n. Myokardinfarkt (Zustand nach Herzinfarkt)
    • Gleichzeitige Anwendung mit anderen Triptanen, Ergotaminen (Mutterkornalkaloide) oder Monoaminooxidase-Hemmern (MAO-Hemmern) (bestimmte Psychopharmaka)
  • Cave: Gleichzeitig selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer-Einnahme (SSRI-Einnahme); die Wirkungsverstärkung kann eine Serotonin-Intoxikation (Serotonin-Vergiftung) auslösen
  • Interaktionen: Die Kotherapie von Triptanen mit SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) oder SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) sollte eigentlich wg. des Risikos eines Serotonin-Syndroms (serotonerges Syndrom (Überladung mit Serotonin)) vermieden werden; das ist allerdings nicht erforderlich: Ein Serotonin-Syndrom wird nach Registerdaten bei gleichzeitiger Einnahme bei weniger als zehn von 100.000 Patienten im Jahr festgestellt [10].
  • Nebenwirkungen: koronare Ischämie (Minderdurchblutung der Herzkranzgefäße), Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall, Schwindel, Parästhesien (Kribbelgefühle), Kältegefühl, Kopfschmerzen (Wiederkehrkopfschmerz ist bei Triptanen mit 15-40 % häufiger als bei ASS); Hinweise: Lebensbedrohliche Nebenwirkungen bei Triptan-Einnahme sind extrem selten (1 : 1.000.000)
  • Triptane erhöhen nicht das Risiko angeborener Fehlbildungen (Geburtsfehlbildungen) [2]
  • Laut einer Metaanalyse scheint es bei der Anwendung in der Schwangerschaft nicht häufiger zu Missbildungen (Fehlbildungen) oder Frühgeburten zu kommen [5].
  • Zolmitriptan-Nasenspray 5 mg war das wirksamste Mittel zum Erreichen von Schmerzfreiheit nach zwei Stunden (gemäß Netzwerkanalyse) [24].

Neue Wirkstoffe

Lasmiditan, Rimegepant und Ubrogepantgemessen an den Endpunkten Schmerzfreiheit oder Schmerzlinderung zwei Stunden nach der Einnahme – zwar besser als Placebo, aber nicht besser als die meisten Triptane [21].

  • Lasmiditan (Serotonin-1F-Rezeptor-Agonist) gehört zur neuen Substanzgruppe Ditane: diese wirken nur auf einen einzigen, nämlich den 5-HT1F-Rezeptor, dessen Aktivierung zu keiner Blutgefäßverengung führt.
    Lasmiditan ist in Dosierungen von 50 mg, 100 mg und 200 mg zur Behandlung akuter Migräneattacken wirksamer als Placebo [S1-Leitlinie].
  • Rimegepant (CGRP-Rezeptor-Antagonist) gehört zu einer neuen Substanzgruppe: Gepante wirkt wie die monoklonalen Antikörper, die seit vielen Jahren zur Migräneprophylaxe zugelassen sind, spezifisch am CGRP-Rezeptor, und blockiert die Effekte des migräneauslösenden Botenstoffs CGRP
    Rimegepant ist bei der Behandlung akuter Migräneattacken wirksamer als Placebo [S1-Leitlinie].

Wirkungseintritt

 Schneller Wirkungseintritt Mittelschneller Wirkungseintritt und länger anhaltende Wirkung   Langsamer Wirkungseintritt mit lang anhaltender Wirkung
 Sumatriptan 6 mg s.c.  Sumatriptan 50 mg/10 mg p. o.   Naratriptan 2,5 mg p. o. 
 Elitriptan 20 mg/40 mg/80 mg p. o.   Zolmitriptan 2,5 mg/5 mg p. o.  Frovatriptan 2,5 mg p. o. 
 Ritzatriptan 5 mg/10 mg p. o.  Almotriptan 12,5 mg p. o.   
 Zolmitripan 5 mg nasal    

*Zolmitriptan-Nasenspray 5 mg war das wirksamste Mittel zum Erreichen von Schmerzfreiheit nach zwei Stunden (gemäß Netzwerkanalyse) [24]. 

Gemäß einer Metaanalyse sind Eletrip­tan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan wirksamer als die neueren Medikamente Lasmiditan sowie Rimegepant und Ubrogepant (beide in Deutschland nicht verfügbar) [25].

Therapieempfehlungen bei Status migraenosus

  • Durchbrechen des Status migränosus durch i.v.-Gabe von Glucocorticoiden (Dexamethason bzw. Prednisolon)

Wirkstoffe (Hauptindikation) bei Status migraenosus

Glucocorticoide

Wirkstoff
Dexamethason
Prednisolon
  • Wirkweise der Glucocorticoide: Hemmung der Steroidsynthese in der NNR (Nebennierenrinde), antiphlogistisch (entzündungshemmend), immunsuppressiv (unterdrückt das Immunsystem), antiallergisch (wirkt gegen Allergien), antiproliferativ (hemmt Zellwachstum), Stimmung ↑ (Stimmungsanstieg)
  • Nebenwirkungen: Glucocorticoide (Kortisonpräparate): Hypertonie (Bluthochdruck), Thromboseneigung (erhöhte Gerinnungsbereitschaft), Infektanfälligkeit (Anfälligkeit für Infektionen), Wundheilungsstörungen (schlechte Wundheilung), diabetogen (fördernd für Zuckerkrankheit), katabol (abbaubetont), Osteoporose (Knochenschwund), Ulkusneigung (Magengeschwürneigung), Glaukom (grüner Star), Katarakt (grauer Star)
  • Corticoide (Kortisonpräparate) reduzieren das Risiko eines Wiederkehrkopfschmerzes (erneuter Kopfschmerz nach Abklingen).

derkehrkopfschmerzes.

Migräneprophylaxe

Indikationen für eine Migräneprophylaxe sind:

  • Regelmäßig länger als 72 h dauernde Migräneattacken
  • Mindestens 3 stark beeinträchtigende Migräneattacken pro Monat bzw. mindestens 6 behandlungsbedürftige Migränetage/Monat [6]
  • Komplizierte Migräneattacken mit beeinträchtigenden und/oder lang anhaltenden Auren
  • Zustand nach migränösem Infarkt bei Ausschluss anderer Infarktursachen
  • Neurologische Symptome während der Attacke
  • Ausgeprägter Leidensdruck
  • Einnahme von Analgetika (Schmerzmittel) oder Migränemedikamenten an mehr als 10 Tagen pro Monat
  • Intoleranz gegenüber oder fehlende Wirksamkeit der Akuttherapie
  • Therapieresistente Migräneattacken mit unzureichender Wirksamkeit, Unbedenklichkeit oder Verträglichkeit der bisherigen Akuttherapie [6]
  • Rezidivierender Status migraenosus
  • Kontraindikationen (Gegenanzeigen) für Triptane und/oder intolerable Nebenwirkungen der Akuttherapie

Therapieempfehlungen

  • Mittel der ersten Wahl:
    • Betarezeptorenblocker (Betablocker)
    • Amitriptylin (Trizyklische Antidepressivum) [falls begleitend eine Depression oder Angststörung vorliegt, ist Amitriptylin das Mittel der ersten Wahl] (USA: insb. bei Kindern und Jugendlichen)
  • Mittel der zweiten Wahl:
    • Topiramat* (Antiepileptikum) [für Epilepsiepatienten mit komorbider Migräne sowie für Patienten mit chronischer Migräne] (USA: insb. bei Kindern und Jugendlichen)
    • Flunarizin (Calciumantagonisten)
    • Valproat (Antiepileptikum) [für Epilepsiepatienten mit komorbider Migräne; bei Frauen im gebärfähigen Alter ist auf eine sichere Kontrazeption zu achten!]
  • Mittel der dritten Wahl:
    • Venlafaxin (selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SSNRI)
    • Magnesium
    • Vitamin B 2
  • Weitere Mittel:
    • Monoklonale Antikörper: Eptinezumab, Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab (CGRP-Antagonisten) – wenn andere medikamentöse Therapie ausgeschöpft sind und mindestens vier Migränetage pro Monat vorliegen
    • Onabotulinumtoxin A – wird ebenfalls zur Prophylaxe der chronischen Migräne empfohlen.
  • Beachte: Eine Prophylaxe gilt als wirksam, wenn sich die Anfallshäufigkeit nach ca. 2 Monaten nach Erreichen der tolerierten Höchstdosis um mindestens 50 % verringert hat
  • Eine Beurteilung der Wirksamkeit einer oralen Migräneprophylaxe sollte in der Regel frühestens 8 Wochen nach Erreichen der Zieldosis erfolgen, auch wenn eine Besserung zum Teil bereits im ersten Behandlungsmonat auftreten kann [6].
  • Die Dauer einer wirksamen medikamentösen Prophylaxe sollte mindestens 6-12 Monate betragen [2].
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

*Bei Kindern und Jugendlichen zeigte in einer Metaanalyse nur Topiramat einen signifikanten Effekt bei der Prophylaxe der Migräne [19].

Wirkstoffe (Hauptindikation) zur Migräne-Prophylaxe – Mittel der ersten Wahl

Betarezeptorenblocker 

Wirkstoffe Besonderheiten
Metoprolol

Mittel der ersten Wahl

Auch in der Stillzeit indiziert; Beachte: Es sind Einzelfälle beschrieben, bei denen es zu Bradykardie bei den gestellten Kindern kam

KI: Asthma bronchiale, Bradykardie < 50/min, AV-Block II/III

Dosisanpassung bei schwerer
Leberinsuffizienz

 

 
Propranolol
Bisoprolol
  • Wirkweise Betablocker: Kompetitive Hemmung adrenerger Substanzen (Stresshormone) an den β-Rezeptoren (Beta-Rezeptoren)
  • Metoprolol (Betablocker) und Propranolol (Betablocker) sind zur Migräneprophylaxe (Vorbeugung von Migräneanfällen) zugelassen.
  • Kontraindikationen: Nicht bei dekompensierter Herzinsuffizienz; Betablocker eignen sich nicht als Standardtherapie, um die Prognose von Patienten (Kranken) zu verbessern, die gleichzeitig unter Vorhofflimmern (VHF) (Herzrhythmusstörung) und einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) leiden (hochwertige Metaanalyse) [10].
  • Nebenwirkungen: Bradykardie (langsamer Herzschlag), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Bronchokonstriktion (Verengung der Atemwege), Hypoglykämie (Unterzuckerung) bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), gastrointestinal (Magen-Darm-Beschwerden), Kopfschmerzen, Schwindel
  • Propranolol (Betablocker) hat in der Prophylaxe der chronischen Migräne (dauerhafte Migräneform) eine vergleichbare Wirksamkeit wie Topiramat (Antiepileptikum) [S1-Leitlinie].

Trizyklische Antidepressiva

Wirkstoffe  Besonderheiten
 Amitriptylin (AMI)

 

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
KI: schwere Nieren-/ Leberinsuffizienz; KI: Herzrhythmusstörungen

  • Wirkweise: Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin (Stressüberträgerstoff), Serotonin (Stimmungsbotenstoff) und Dopamin (Antriebsbotenstoff)
  • Nebenwirkungen: anticholinerg (hemmend auf das vegetative Nervensystem), kardiotoxisch (herzschädigend), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Sedierung (Beruhigung), Schlafstörungen (Probleme beim Schlafen), gastrointestinal (Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Erbrechen), Transaminasen ↑ (Leberenzyme: Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Gamma-Glutamyl-Transferase (γ-GT, Gamma-GT; GGT)), Gewichtszunahme (Zunahme des Körpergewichts), sexuelle Funktionsstörungen (Störungen der Sexualfunktion)
  • Weitere Indikationen: Depressionen (depressive Erkrankungen); Panik-, Zwangsstörungen (Angst- und Zwangserkrankungen), Phobien (Angststörungen); Kotherapeutika bei Schmerzen (unterstützende Schmerzmitteltherapie)
  • Eine randomisierte Doppelblindstudie zur Behandlung von Migräne-Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen konnte zeigen, dass Placebos ebenso gut zur Prophylaxe wirksam waren wie sonst üblich verordnete Medikamente (Amitriptylin: 1 mg/kg/die oder Topiramat: 2 mg/kg/die). Placebos hatten zudem eine deutlich bessere Verträglichkeit [7, 8].

Wirkstoffe (Hauptindikation) zur Migräne-Prophylaxe – Mittel der zweiten Wahl

Calciumantagonisten

Wirkstoff Besonderheiten
Flunarizin

Einnahme zur Nacht

KI: Morbus Parkinson, Depression, Störungen des extrapyramidalen Systems

  • Wirkweise Calciumantagonisten: Blockade des Ca-Einstroms (Calcium-Einstroms) in die glatte Muskulatur (Muskelwand der Gefäße)
  • Indikation: Einsatz, wenn Beta-Rezeptorenblocker (Betablocker) kontraindiziert sind oder keine ausreichende Wirkung gezeigt haben
  • Nebenwirkungen: Bradykardie (langsamer Herzschlag), AV-Blockierungen (Leitungsstörungen am Herzen), Hypotension (niedriger Blutdruck), gastrointestinal (Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Obstipation/Verstopfung), Kopfschmerzen, Schwindel, Flush (Gesichts­röte), Ödeme (Wassereinlagerungen), Müdigkeit, Gewichtszunahme (Zunahme des Körpergewichts), Depression (depressive Verstimmung), extrapyramidale Störungen (Bewegungsstörungen), Galaktorrhoe (Milchfluss)

Antiepileptika

Wirkstoffe Besonderheiten
Pregabalin Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
Pregabalin war Propranolol bei der Verringerung der Anzahl und Dauer monatlicher Migräneattacken bei Kindern deutlich überlegen [4]
Topiramat (TPM) KI: Nephrolithiasis, Glaukom, Depression

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz

Beachte die Nebenwirkungen!
Valproat
(Valproinsäure)

Off-Label-Use

KI: Pankreasfunktionsstörungen, Leberfunktionsstörungen, Schwangerschaft 

Dosisanpassung bei
Nieren-/ Leberinsuffizienz

  • Wirkweise Antiepileptika: Blockade von Calcium-Kanälen (Ionenkanälen der Nervenzellen)
  • Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen (verminderte Aufmerksamkeit), Überempfindlichkeitsreaktionen (allergische Reaktionen), gastrointestinal (Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Erbrechen), Leukopenie (verminderte Zahl weißer Blutkörperchen), hepatotoxisch (leberschädigend)
  • Wirkweise Topiramat (Antiepileptikum): Natrium-Kanal-Hemmung (Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle) und Glutamat-Rezeptoren (Blockade erregender Rezeptoren)
  • Zulassungsstatus: Zugelassen zur Prophylaxe von Migränekopfschmerzen bei Erwachsenen nach sorgfältiger Abwägung möglicher alternativer Behandlungsmethoden.
  • Nebenwirkungen: Depressionen (sehr häufig), kognitive/psychische Störungen (häufig; z. B. Gedächtnis- und Denkstörungen), Appetitlosigkeit (verminderter Appetit)
  • Wirkweise Valproinsäure: Blockade von erregenden Ionenkanälen (spannungsabhängige Natrium-Kanäle und Calcium-Kanäle) sowie eine Verstärkung der Wirkung des hemmenden Neurotransmitters GABA (durch Hemmung des Abbaus und Aktivierung der Synthese von GABA)
  • Ärzte und Apotheker werden aufgefordert, bei jeder Verordnung bzw. Abgabe von Valproat jeder Patientin (weiblichen Kranken) im gebärfähigen Alter die Patientenkarte auszuhändigen und die Inhalte zu erläutern (AkdÄ Drug Safety Mail | 23-2017)
  • Die Einnahme von Valproinsäure während Schwangerschaft schadet der Intelligenz des Kindes langfristig [3].
  • Off-Label-Use: "Nach Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16. September 2010 kann Valproinsäure nach sorgfältiger Abwägung möglicher alternativer Behandlungsmethoden zur Migräneprophylaxe von Erwachsenen ab 18 Jahren durch Fachärzte für Nervenheilkunde, für Neurologie und/oder Psychiatrie oder für Psychiatrie und Psychotherapie eingesetzt werden, wenn eine Behandlung mit anderen dafür zugelassenen Arzneimitteln nicht erfolgreich war oder kontraindiziert ist. (BAnz. Nr. 190 (S. 4169) vom 15.12.2010)"
  • Rote-Hand-Brief (AkdÄ Drug Safety Mail): Kontraindikation, Warnhinweise und Maßnahmen zur Vermeidung einer Valproat-Exposition während der Schwangerschaft [11]:
    • Bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter darf Valproat nur dann angewendet werden, wenn andere Behandlungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
    • Valproat ist bei Frauen im gebärfähigen Alter kontraindiziert, es sei denn, dass eine Kontrazeption (Schwangerschaftsverhütung) gewährleistet ist.
    • Bei Epilepsie ist Valproat während der Schwangerschaft kontraindiziert, außer wenn keine geeigneten Alternativen zur Verfügung stehen.
    • Bei bipolaren Erkrankungen und zur Migräneprophylaxe ist Valproat während der Schwangerschaft kontraindiziert.
  • Nebenwirkungen: Depressionen (depressive Verstimmung), erhöhte Blutungsneigung (gerinnungshemmend), Haarausfall, hepatotoxisch (leberschädigend), Hypocalcämie (niedriger Calciumspiegel), hämatotoxisch (blutschädigend), Obstipation (Verstopfung), Osteoporose (Knochenschwund), photosensibilisierend (Lichtüberempfindlichkeit), Pruritus (Juckreiz), sexuelle Funktionsstörung (Störung der Sexualfunktion), Störung der Thrombozyten (Blutplättchenstörung), Tinnitus (Ohrgeräusche), Tremor (Zittern)

Wirkstoffe (Hauptindikation) zur Migräne-Prophylaxe – Mittel der dritten Wahl

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)

Wirkstoffe Besonderheiten
Venlafaxin Off-Label-Use

Dosisanpassung bei Nieren-/
Leberinsuffizienz
  • Wirkweise: Hemmung der Wiederaufnahme der biogenen Amine (Botenstoffe wie Serotonin, Noradrenalin, Dopamin)
  • Wirklatenz: 2-6 Wochen (Zeit bis zum Wirkungseintritt); keine Gefahr der Abhängigkeit (keine Suchtentwicklung)
  • Indikation: Mittel der dritten Wahl in der Prophylaxe der Migräne bei gleichzeitigen Vorliegen einer depressiven Störung (Depression)
  • Nebenwirkungen: gastrointestinal (Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Erbrechen), Schlafstörungen (Probleme beim Schlafen), Hypotonie (niedriger Blutdruck), sexuelle Funktionsstörungen (Störungen der Sexualfunktion)

Monoklonale Antikörper (CGRP-Antagonisten)

 Wirkstoffe Besonderheiten 
Eptinezumab Eptinezumab ist auch dann prophylaktisch wirksam, wenn es während einer Migräneattacke gegeben wird: mediane Zeit bis zur nächsten Migräneattacke betrug zehn Tage in der Verum- und fünf Tage in der Plazebogruppe; migränebedingte Belastung ging unter Eptinezumab stärker zurück als unter Plazebo (gemessen im Headache-Impact-Test(HIT)-6) [20].
Erenumab Im Vergleich zu Placebo reduziert Erenumab statistisch signifikant die durchschnittlichen Migränetage um 1,4-1,9 Tage pro Monat bei episodischer Migräne und um 2,5 Tage pro Monat bei chronischer Migräne [12].


Fremanezumab   
Galcanezumab  Im Vergleich zu Placebo reduziert Galcanezumab statistisch signifikant die durchschnittlichen Migränetage um 3,7-4 Tage pro Monat bei episodischer Migräne und um 4,3-4,7 Tage pro Monat bei chronischer Migräne [13].
  • Wirkweise: CGRP-Antagonist (Blockade des Schmerzbotenstoffs CGRP): bindet an den Rezeptor des Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) (Schmerzbotenstoff); der CGRP-Rezeptor ist an Stellen lokalisiert, die für die Pathophysiologie der Migräne relevant sind, wie etwa dem Ganglion trigeminale (Nervenknoten des Trigeminusnervs).
    Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab richten sich gegen CGRP selbst; Erenumab bindet an den CGRP-Rezeptor.
    Hinweis: Nach aktuellem Wissensstand greift der Antikörper gegen CGRP nicht in das immunologische System (Abwehrsystem des Körpers) ein.
  • Indikation: Migräneprophylaxe (Vorbeugung von Migräne) bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat
  • Wirkungseintritt: Bereits nach ein bis zwei Wochen lässt sich ein signifikanter Unterschied zu einem Placebo nachweisen.
    Die 50 %-Responderraten liegen für die monoklonalen Antikörper nach 3–6 Monaten zwischen 30 und 62 %.
  • Kontraindikationen: Alter kleiner 18 Jahre; Schwangerschaft und Stillzeit; weitere Kontraindikationen siehe Fachinformation.
  • Nebenwirkungen: Obstipation (Verstopfung), Pruritus (Juckreiz), Muskelspasmen (Muskelkrämpfe), Reaktionen an der Injektionsstelle (Rötung, Schwellung)
    Eptinezumab: Nasopharyngitis (Erkältungsähnliche Entzündung des Nasen-Rachen-Raums) und Überempfindlichkeit (allergische Reaktion)
  • Der G-BA hat bzgl. Erenumab beschlossen, dass für Patienten (Kranke), die auf keine der verfügbaren Therapien (Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin, Valproinsäure oder Clostridium botulinum Toxin Typ A) ansprechen, diese nicht vertragen bzw. diese Therapien für sie nicht geeignet sind, ein Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen besteht [15].
  • Eptinezumab ist auch dann prophylaktisch wirksam, wenn es während einer Migräneattacke gegeben wird: Mediane Zeit bis zur nächsten Migräneattacke betrug zehn Tage in der Verum- und fünf Tage in der Plazebogruppe; migränebedingte Belastung ging unter Eptinezumab stärker zurück als unter Plazebo (gemessen im Headache-Impact-Test (HIT)-6) [20].
  • Signifikant mehr Patienten erreichten mit Erenumab versus Topiramat eine mindestens 50-prozentige Reduktion ihrer monatlichen Migräne-Tage (55,4 % versus 31,2 %; OR 2,76; p < 0,001). In der Erenumab-Gruppe brachen 10,6 % die Behandlung aufgrund unerwünschter Ereignisse ab – gegenüber 38,9 % in der Topiramat-Gruppe (OR 0,19; p < 0,001) [22].
  • Metaanalyse bestätigt Erfolg der CGRP-Antagonisten: Bei einem Vergleich der Wirksamkeit der drei am häufigsten verschriebenen migräneprophylaktischen Medikamente, Topiramat, Botulinumtoxin Typ A mit monoklonalen CGRP-Antikörpern: Topiramat erwies sich als noch etwas effektiver als die Antikörper (OR 2,7). Botulinumtoxin Typ A hingegen war vermeintlich nur halb so wirksam (OR 1,28). Topiramat zeigte die größte Effektivität, hatte aber mit fast 30 % auch die mit Abstand höchste Rate an Therapieabbrüchen [23].

Mikronährstoffe

Wirkstoffgruppe Wirkstoffe Dosierung Besonderheiten
Vitamine Vitamin B2 400 mg/d  
Mineralstoffe Magnesium 600 mg/d Bei akuten Migräneschmerzen [1]
Auch zur Prophylaxe bei Kindern geeignet
Weitere Mikronährstoffe Coenzym Q10   s. u. Therapie mit Mikronährstoffen
  • Wirkweise Magnesium: Calciumantagonist
  • Überschüssiges Magnesium wird bei intakter Nierenfunktion mit dem Urin ausgeschieden
  • Nebenwirkungen: Bei Überdosierung Durchfall (= Überschreiten der Aufnahmekapazität des Darmes für Magnesium)
  • Magnesiumsulfat ist laut einer Studie bei der Behandlung akuter Migränekopfschmerzen wirksamer und schneller wirksam als eine Kombination von Dexamethason und Metoclopramid [1].

Medikamentöse Prophylaxe der chronischen Migräne [6]

  • Topiramat (50-100 mg/d)
  • Botulinumtoxin A (Botulinumneurotoxin A; BoNT-A)/Onabotulinumtoxin A
  • Indikation: chronische Migräne, die unzureichend auf eine medikamentöse Prophylaxe angesprochen hat oder diese nicht vertragen.
  • Kontraindikationen: Myasthenia gravis; Nebenwirkungen: Gesichtsasymmetrien, allergische Reaktion, Hämatome, Entzündungen
  • Dosierung: 155-195 Einheiten; verteilt auf 31-39 Injektionsstellen
    • 1. Jahr: Einhalten von 3‑Monats-Intervallen ist im 1. Jahr sinnvoll.
    • 2. Jahr: nach erfolgreicher Behandlung im 1. Jahr, ohne regelmäßige deutliche Verschlechterung gegen Ende der 3‑Monats-Intervalle → Behandlungsintervall auf 4 Monate verlängern; nach erfolgreicher Verlängerung des Intervalls auf 4 Monate und bei stabiler Besserung über mindestens zwei konsekutive 4‑Monats-Intervalle → Auslassversuch kann gemacht werden
  • Eine Metaanalyse bestätigt eine begrenzte Wirksamkeit einer Botox-Behandlung: leichter Rückgang der Kopfschmerztage um 1,56 Episoden pro Monat (Vorteil war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,07 bis 3,05 Episoden weniger pro Monat statistisch signifikant) [14].

Medikamentöse Prophylaxe der menstruellen Migräne [6]

  • Hormonelle Vorbeugung: Die Anwendung eines östrogen- und gestagenhaltiges oralen Kontrazeptivums ohne Einnahmepause kann das Auftreten einer menstruellen Migräne ohne Aura verhindern.
  • Nicht-hormonelle Vorbeugung: Die prophylaktische Einnahme von Naproxen 500 mg, Frovatriptan 2,5 mg, Naratriptan 2,5 mg, Sumatriptan 25 mg oder Zolmitriptan 2,5 mg zweimal täglich über eine Dauer von 5-6 Tagen beginnend 1-3 Tage vor der erwarteten menstruellen Migräne kann diese abschwächen oder verhindern. Hierbei muss jedoch die Möglichkeit einer Bahnung von Kopfschmerzen bei Medikamentenübergebrauch beachtet werden.

Weiteres zur menstruellen Migräne, s. u. PMS-Syndrom/Medikamentöse Therapie.

Medikamentöse Prophylaxe der Migräne in der Schwangerschaft und Stillzeit

  • Acetylsalicylsäure, Ibuprofen bis zum zweiten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel)
  • Magnesium (250-400-500 mg)

Phytotherapeutika

  • Pestwurz zur Migräneprophylaxe [16, 17] bei Erwachsenen und Kindern [18]

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für den Energiestoffwechsel sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Biotin)
  • Mineralstoffe (Calcium, Kalium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Kupfer, Mangan, Selen, Zink)
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), L-Carnitin, Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesiumcitrat und Kaliumcitrat), Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Shahrami A, Assarzadegan F, Hatamabadi HR, Asgarzadeh M, Sarehbandi B, Asgarzadeh S: Comparison of Therapeutic Effects of Magnesium Sulfate vs. Dexamethasone/Metoclopramide on Alleviating Acute Migraine Headache. J Emerg Med. 2014 Sep 30. pii: S0736-4679(14)00757-4. doi: 10.1016/j.jemermed.2014.06.055.
  2. Ephross SA, Sinclair SM: Final results from the 16-year sumatriptan, naratriptan, and treximet pregnancy registry. Headache 2014; 54: 1158-1172
  3. Lindhoout D: Antiepileptic drugs during pregnancy and cognitive outcomes. Lancet Neurol 2013; 12: 244-52, Published Online, January 23, 2013
  4. Bakhshandeh Bali M, Rahbarimanesh AA, Sadeghi M, Sedighi M, Karimzadeh P, Ghofrani M: Comparison of Propranolol and Pregabalin for Prophylaxis of Childhood Migraine: a Randomised Controlled Trial. Acta Med Iran. 2015;53(5):276-80.
  5. Marchenko A et al.: Pregnancy Outcome Following Prenatal Exposure to Triptan Medications: A Meta-Analysis. Headache 2015; 55: 490-501
  6. PraxisLeitlinie: DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz: Für eine Verbesserung in der Primärversorgung. DGS-2022
  7. Powers SW et al.: Trial of Amitriptyline, Topiramate, and Placebo for Pediatric Migraine. October 27, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1610384
  8. Powers SW, Coffey CS, Chamberlin LA et al.: Trial of amitriptyline, topiramate, and placebo for pediatric migraine. N Engl J Med 2017; 376:115-124 January 12, 2017 doi: 10.1056/NEJMoa1610384
  9. Xu H, Han W, Wang J, Li M: Network meta-analysis of migraine disorder treatment by NSAIDs and triptans. J Headache Pain. 2016;17:113
  10. Orlova Y et al.: Association of Coprescription of Triptan Antimigraine Drugs and Selective Serotonin Reuptake Inhibitor or Selective Norepinephrine Reuptake Inhibitor Antidepressants With Serotonin Syndrome. JAMA Neurol, epub 26.2.18, https://doi.org/10.1001/jamaneurol.2017.5144
  11. Rote-Hand-Brief zu Valproat: AkdÄ Drug Safety Mail | 64-2018
  12. AKdÄ Neue Arzneimittel 08-2018
  13. Stauffer VL et al.: Evaluation of Galcanezumab for the Prevention of Episodic Migraine The EVOLVE-1 Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol. 2018;75(9):1080-1088. doi:10.1001/jamaneurol.2018.1212
  14. Bruloy E et al.: Botulinum Toxin versus Placebo: A Meta-Analysis of Prophylactic Treatment for Migraine. Plast Reconstr Surg. 2019 Jan;143(1):239-250. doi: 10.1097/PRS.0000000000005111
  15. "Update – Neue Arzneimitte"l: Erenumab AkdÄ Neue Arzneimittel | 03–2019
  16. Diener HC, Rahlfs VW, Danesch U: The First Plazebo-Controlled Trial of a Special Butterbur Root Extract for the Prevention of Migraine: Reanalysis of Efficacy Criteria. Eur Neurol. 2004;51: 89-97
  17. Lipton RB et al.:  Petasites hybridus root (butterbur) is an effective preventive treatment for migraine. Neurology, 2004;63, 2240-2244
  18. Pothmann R, Danesch U: Migraine Prevention in Children and Adolescents. Results of an Open Study With a Special Butterbur Root Extract. Headache 2005;45, 196-203
  19. Locher C et al.: Efficacy, Safety, and Acceptability of Pharmacologic Treatments for Pediatric Migraine Prophylaxis A Systematic Review and Network Meta-analysis JAMA Pediatr. Published online February 10, 2020. doi:10.1001/jamapediatrics.2019.5856
  20. McAllister P et al.: Eptinezumab Treatment Initiated During a Migraine Attack Prolonged the Time to Next Migraine and Improved HIT-6 Outcomes Eur J Neurol 2021; 28 (Suppl. 1): 227
  21. Yang CP et al.: Comparison of New Pharmacologic Agents With Triptans for Treatment of Migraine A Systematic Review and Meta-analysis JAMA Netw Open. 2021;4(10):e2128544. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.28544
  22. Reuter U, Ehrlich M, Gendolla A et al.: Erenumab versus topiramate for the prevention of migraine – a randomised, double-blind, active-controlled phase 4 trial. Cephalalgia 2021 Nov 7;3331024211053571. doi: 10.1177/03331024211053571.
  23. Frank F, Ulmer H, Sidoroff V et al.: CGRP-antibodies, topiramate and botulinum toxin type A in episodic and chronic migraine: A systematic review and meta-analysis. Cephalalgia. 2021 Oct;41(11-12):1222-1239. doi: 10.1177/03331024211018137.
  24. Li G et al: Efficacy and safety of intranasal agents for the acute treatment of migraine: a systematic review and network meta-analysis. J Headache Pain 2023;24:129; https://doi.org/10.1186/s10194-023-01662-6
  25. Karlsson WK et al.: Comparative effects of drug interventions for the acute management of migraine episodes in adults: systematic review and network meta-analysis BMJ 2024;386:e080107

Leitlinien

    1. PraxisLeitlinie: DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz: Für eine Verbesserung in der Primärversorgung. DGS-2022
    2. S1-Leitlinie: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. (AWMF-Registernummer: 030-057), August 2025 Langfassung