Knochenmarkszintigraphie

Bei der Knochenmarkszintigraphie handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Nuklearmedizin, das die Darstellung des hämatopoetisch (Blutbildung betreffend) aktiven Knochenmarks ermöglicht und primär zur Beurteilung von knochenmarksassoziierten Tumoren wie dem multiplen Myelom eingesetzt werden kann. Für die Bildgebung mittels Szintigraphie wird ein 99mTechnetium-Marker als Radiopharmakon (auch "Tracer" genannt; chemische Verbindung eines Radionuklids mit anderen Stoffen) intravenös injiziert, sodass das Knochenmark präzise beurteilt werden kann.

Beurteilbare Strukturen

Die Knochenmarkszintigraphie ermöglicht die Visualisierung des funktionell aktiven Knochenmarks. Beurteilt werden können:

  • Verteilung des aktiven Knochenmarks im Körper, besonders in Wirbelsäule, Becken, Schädel, Rippen und langen Knochen.
  • Anomalien im Knochenmark, einschließlich Verdrängung durch Tumoren, fibrotische Veränderungen oder Infiltration durch maligne Zellen.
  • Reaktion des Knochenmarks auf verschiedene Therapien, einschließlich Chemotherapie oder Strahlentherapie.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Plasmozytom (Synonyme: multiples Myelom, Kahler-Krankheit nach Otto Kahler, Huppert-Krankheit)  − dieses Krankheitsbild stellt die Hauptindikation für die Anwendung der Knochenmarkszintigraphie dar.
    Bei dem multiplen Myelom handelt es sich um eine sogenannte monoklonale Gammopathie, bei der durch einen Knochenmarkstumor eine pathologische Freisetzung und Produktion von Immunglobulinen (Antikörpern) erfolgt. Typischerweise treten beim multiplen Myelom funktionsbeeinträchtigte Plasmazellen (reifste Differenzierungsstadium der B-Lymphozyten; ihre Funktion ist die Sekretion von Antikörpern) auf, die für die Bildung der Immungobuline verantwortlich sind.
  • Leukämien (Blutkrebs) − der Einsatz der Knochenmarkszintigraphie ermöglicht hier eine genaue Darstellung des betroffenen Knochenmarks.
  • Diagnostik knochenmarksverdrängender Prozesse − hierbei handelt es sich um eine unspezifische Reduktion des Knochenmarks beispielsweise durch Karzinome, die mit einer Funktionsreduktion einhergehen.
  • Tumoren aus dem lymphatischen System wie Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome − bei Verdacht auf eine Knochenmarksbeteiligung bei einem vorliegenden bösartigen Tumor des Lymphsystems sollte eine Knochenmarkszintigraphie erfolgen.
  • Metastasen bei soliden Tumoren − bei einem bestehenden Mammakarzinom oder einem Bronchialkarzinom finden sich häufig Metastasen im Knochenmark, sodass die Anwendung der Knochenmarkszintigraphie angezeigt ist. 
  • Vor der Durchführung einer Knochenmarksbiopsie − bei einer hämolytischen Erkrankung wird die Knochenmarkszintigraphie vor der Knochenmarksbiopsie durchgeführt

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Relative Kontraindikationen

  • Laktationsphase (Stillphase) – das Stillen muss für 48 Stunden unterbrochen werden, um eine Gefährdung des Kindes zu verhindern.
  • Wiederholungsuntersuchung – innerhalb von drei Monaten sollte aufgrund der Strahlenbelastung keine Wiederholung einer Szintigraphie durchgeführt werden.

Absolute Kontraindikationen

  • Gravidität (Schwangerschaft)

Vor der Untersuchung

  • Patientenvorbereitung: Der Patient sollte über die Prozedur aufgeklärt werden, insbesondere über die Notwendigkeit der Ruhe nach der Injektion des Radiopharmakons, um eine optimale Verteilung zu gewährleisten.
  • Medikamentöse Interaktionen: Bestimmte Medikamente, die die Knochenmarkfunktion beeinflussen, könnten vor der Untersuchung angepasst oder pausiert werden müssen.
  • Applikation des Radiopharmakons: Das am häufigsten genutzte Radiopharmakon für die Durchführung der Knochenmarkszintigraphie bei einer onkologischen Fragestellung ist ein 99mTechnetium markierter monoklonaler Antikörper vom Typ IgG (Immunglobulin G) gegen das "nonspecific cross-reacting antigen"-95. Bei diesem Antigen handelt es sich um ein Differenzierungsantigen der Granulopoese (Differenzierung von Vorläuferzellen zu Granulozyten/weiße Blutkörperchen).

Das Verfahren

Das Grundprinzip der Knochenmarkszintigraphie beruht auf der Detektion der vom Radiopharmakon freigesetzten γ-Strahlung mithilfe einer γ-Kamera. Beim Radiopharmakon handelt es sich um eine intravenös injizierte kolloide Substanz, die über eine Größe von mehreren Nanometern verfügt und somit neben der Leber und der Milz auch im Retikulohistiozytären System (Teil des Immunsystems) des Knochenmarks abgelagert werden kann. Anhand der Verteilung des Radiopharmakons kann abgeleitet werden, wo das blutbildende Knochenmark lokalisiert ist.

Mithilfe der Knochenmarkszintigraphie ist neben der seltenen Mehranreicherung des Radiopharamkons im Gewebe auch eine häufigere Verdrängung des Knochenmarks diagnostizierbar. Für den Einsatz der Knochenmarkszintigraphie ist von entscheidender Bedeutung, dass das Verfahren potentiell sensitiver (Wahrscheinlichkeit für die korrekte Erkennung einer Erkrankung) als die Anwendung der Skelettszintigraphie ist.


Die Knochenmarkszintigraphie ist ein fortgeschrittenes nuklearmedizinisches Bildgebungsverfahren, das besonders nützlich ist, um die Verteilung und Aktivität des hämatopoetischen Knochenmarks im Körper zu beurteilen. Dieses Verfahren ist besonders relevant für die Diagnose und Überwachung von Knochenmarkserkrankungen und der Metastasierung bestimmter Tumoren.

Mögliche Befunde

  • Normale Verteilung: gleichmäßige Verteilung des Radiopharmakons in den bekannten aktiven Knochenmarkregionen.
  • Fokale Mehranreicherung: könnte auf lokale Erkrankungsprozesse wie Metastasen (Tochtergeschwülste) oder fokale Myeloproliferation (Zustand, bei dem das Knochenmark übermäßig viele Blutzellen produziert) hinweisen.
  • Diffuse Mehranreicherung: könnte auf eine systemische Knochenmarkaktivierung oder -erkrankung hinweisen, beispielsweise im Rahmen einer systemischen malignen (bösartige) Erkrankung oder einer ausgedehnten Knochenmarkstimulation durch Wachstumsfaktoren.
  • Reduzierte oder fehlende Anreicherung: könnte auf eine Knochenmarksverdrängung oder -fibrose hinweisen, möglicherweise durch Tumoren oder infolge einer intensiven Chemotherapie oder Bestrahlung.

Nach der Untersuchung

  • Hydratation: Patienten sollten zur Förderung der Ausscheidung des Radiopharmakons und zur Minimierung der Strahlenexposition ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.
  • Überwachung: Bei auftretenden Nebenwirkungen oder Komplikationen sollte umgehend medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden.

Mögliche Komplikationen

  • Lokale Reaktionen an der Injektionsstelle, einschließlich Schmerzen, Rötung oder Schwellung.
  • Allergische Reaktionen auf das Radiopharmakon, obwohl selten, können auftreten und erfordern sofortige medizinische Intervention.
  • Strahlenexposition: Obwohl die Strahlendosis gering ist, besteht theoretisch das Risiko strahleninduzierter Langzeiteffekte.

Literatur

  1. Schmoll H: Kompendium Internistische Onkologie. Springer Verlag 2005
  2. Baur-Melnyk A, Reiser MF: Multiples Myelom. Der Onkologe. 2010. 16:242-251
  3. Goldschmidt H, Cremer FW, Möhler TM, Ho AD: Multiples Myelom. Der Onkologe. 2003. 9:1152-1168
  4. Grünwald F: Nuklearmedizinische Diagnostik in der klinischen Onkologie. Der Onkologe. 2003. 9:272-282