Quantitative EEG-Analyse (qEEG)

Die quantitative Elektroenzephalographie (qEEG; computergestützte Hirnstrommessung) stellt eine computergestützte Weiterentwicklung der klassischen Elektroenzephalographie (EEG; Hirnstromableitung) dar. Sie ermöglicht die digitale Erfassung, Frequenzanalyse und statistische Auswertung kortikaler Bioelektrizität (Hirnströme) und wird in der neurologischen, neuropsychiatrischen und neurokognitiven Diagnostik eingesetzt. Ziel ist die objektive Beurteilung kortikaler Aktivitätsmuster (Hirnaktivitätsmuster), deren Abweichungen von alters- oder populationsbezogenen Normwerten sowie deren funktionelle Interpretation.

Synonyme

  • Quantitative EEG-Analyse
  • Computerisierte EEG-Spektralanalyse
  • EEG Brain Mapping
  • Normative EEG-Datenbankanalyse

Beurteilbare Strukturen

  • Kortexaktivität (Hirnrindenaktivität) in verschiedenen Frequenzbändern (Delta, Theta, Alpha, Beta, Gamma)
  • Interhemisphärische Kohärenz (Verbindungsaktivität zwischen den Hirnhälften) und Konnektivitätsmuster
  • Lokalisierung fokaler Aktivitätsabweichungen (Lokalisation von Abweichungen in bestimmten Hirnregionen)
  • Netzwerkaktivität (z. B. fronto-thalamisch, parieto-temporal; funktionelle Netzwerke im Gehirn)
  • Lateralisierungsasymmetrien (Unterschiede zwischen linker und rechter Hirnhälfte) im Vergleich zur Norm

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Objektivierung kognitiver Störungen (z. B. Demenzabklärung, Aufmerksamkeitsstörungen)
  • Diagnostik und Verlaufskontrolle bei epileptischen Syndromen (Epilepsieformen)
  • Differentialdiagnostik von neuropsychiatrischen Erkrankungen (z. B. ADHS, Depression, Schizophrenie)
  • Präoperative Lokalisation von epileptogenen Herden (Hirnbereiche, die Anfälle auslösen)
  • Unterstützung bei der Beurteilung von Schädel-Hirn-Traumen (SHT; Gehirnerschütterung und andere Kopfverletzungen) oder Post-Concussion Syndrome (Beschwerden nach Gehirnerschütterung)
  • Evaluation neurokognitiver Leistungsfähigkeit bei Leistungseinbußen oder Fatigue (Erschöpfung)
  • Therapiekontrolle bei Neurofeedback-Interventionen (Training der Hirnaktivität) oder medikamentösen Therapien
  • Forschung: Analyse funktioneller Hirnmuster in der Kognitions- und Bewusstseinsforschung

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Unkooperative Patienten (z. B. schwere psychomotorische Unruhe, unkontrollierbare Bewegungen)
  • Störquellen durch externe Artefakte (z. B. starke Muskelaktivität, elektronische Implantate in unmittelbarer Nähe)
  • Fehlinterpretation bei unzureichender Artefaktbereinigung oder nicht validierten Normdatenbanken

Vor der Untersuchung

  • Erhebung einer ausführlichen Anamnese (Krankengeschichte), insbesondere bezüglich neurologischer Grunderkrankungen, Medikamenteneinnahme (z. B. Antikonvulsiva, Psychopharmaka) und kognitiver Beschwerden
  • Ggf. Durchführung einer klassischen Ruhestrom-EEG-Aufzeichnung (Standard-Hirnstrommessung) zur Beurteilung des Grundmusters
  • Verzicht auf koffeinhaltige Getränke oder sedierende Substanzen am Tag der Untersuchung
  • Haarwäsche zur Reduktion von Hautfett und Artefakten (optimale Elektrodenhaftung)

Das Verfahren

Die qEEG-Analyse basiert auf der digitalen Weiterverarbeitung eines standardisierten 10-20-EEG (Elektrodenplatzierung nach internationalem System). Hierzu wird das Rohsignal:

  • in definierte Frequenzbänder (Delta, Theta, Alpha, Beta, Gamma) zerlegt (Fast-Fourier-Transformation; mathematische Analyse)
  • topographisch als Farbkarte („Brain Mapping“) visualisiert
  • mit altersabhängigen Normdatensätzen verglichen (z-score-Analyse; standardisierter Vergleich mit Durchschnittswerten)
  • in Bezug auf Leistung, Kohärenz, Phase und Asymmetrie (Stärke, Vernetzung, Synchronität, Seitenunterschiede) ausgewertet

Zur Anwendung kommen dabei je nach Fragestellung:

  • Absolute und relative Spektralanalyse (µV²/Hz; Spannungswerte in Frequenzbändern)
  • Low-Resolution Electromagnetic Tomography (LORETA/sLORETA) (niedrigauflösende elektromagnetische Tomographie zur dreidimensionalen Darstellung der Hirnaktivität)
  • Functional Connectivity Measures (z. B. coherence, phase lag index; Maße für funktionelle Hirnverbindungen)
  • EEG-Microstate-Analyse (Analyse kurzzeitiger Aktivitätsmuster im Gehirn)

Die gesamte Untersuchung dauert in der Regel 30-60 Minuten.

Mögliche Befunde

  • Vermehrte langsame Aktivität (Delta-/Theta-Erhöhung) bei organischen Hirnerkrankungen oder Aufmerksamkeitsdefiziten
  • Alpha-Desynchronisation (gestörte Ruherythmen) bei Depression oder Demenz
  • Beta-Hyperaktivität bei Angststörungen oder Medikationseinfluss
  • Asymmetrische Muster bei fokalen Läsionen, Schlaganfall oder traumatischen Veränderungen
  • Pathologische Kohärenzveränderungen bei ADHS, Autismus-Spektrum-Störung, Epilepsie
  • Z-Score-Abweichungen in bestimmten Regionen mit Bezug zu funktionellen Beschwerden (z. B. Frontalhirn bei exekutiven Dysfunktionen)

Nach der Untersuchung

  • Besprechung der Ergebnisse im Kontext klinischer Symptomatik und anderer diagnostischer Befunde
  • Empfehlung zur weiterführenden Diagnostik oder Therapie (z. B. bildgebende Verfahren, Neurofeedback, medikamentöse Therapie)
  • Dokumentation der qEEG-Daten zur Verlaufskontrolle oder wissenschaftlichen Analyse