Muskelschmerzen (Myalgie) – Labordiagnostik

Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen

  • Kleines Blutbild
  • Differentialblutbild
  • Entzündungsparameter – CRP (C-reaktives Protein) bzw. BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit)
  • Creatinkinase (CK) (Isoenzym CK-MM) – wichtigster Parameter bei Nachweis von Muskelerkrankungen (Polymyositis, Dermatomyositis, aber auch bei infektiösen Myositiden) Beachte: Ein normaler CK-Wert schließt eine Myopathie (Muskelerkrankung) nicht aus.
    Achtung!
    Auch bei Gesunden nach schwerer Muskelarbeit (z. B. Bodybuilder, Hochleistungssportler oder Bauarbeiter), nach i. m. (intramuskulären) Injektionen finden sich deutlich erhöhte CK-Werte (nicht selten bis zum 10-fachen der Normobergrenze).
    Bei Statin-behandelten Patienten sollte bei  
    • CK-Wert > 4- und < 10-mal über dem Normwert → bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko in Anhängigkeit von den Symptomen unter Laborkontrollen kann die Therapie fortgeführt werden; bei niedrigem kardiovaskulären Risiko sollte das Statin abgesetzt werden.
      Es gibt dazu auch folgende Empfehlung: Bei einer CK-Erhöhung über das 4-5-fache der Norm soll ein Statin bzw. bei einer CK-Erhöhung über das 10-Fache der Norm muss das Statin abgesetzt werden.
    • CK-Wert > 10-mal über dem oberen Normwert → Therapie sollte zeitweilig pausiert werden, wenn kein sekundärer Grund (z. B. sportliche Aktivitäten) vorliegt
    Die Bestimmung der CK sollte bei jedem Patienten einmal vor Beginn und ein zweites Mal unter der Statintherapie erfolgen.
    Beachte: 
    • Die Bestimmung der CK sollte bei jedem Patienten einmal vor Beginn und ein zweites Mal unter der Statintherapie erfolgen.
    • Die Mehrzahl der Patienten mit einer Statintherapie weist keine relevante CK-Konzentration-Erhöhung auf und klagt aber dennoch über Muskelbeschwerden/-schmerzen.
    Interpretation erhöhter CK-Werte:
    • geringe Erhöhung der CK-Konzentration (2 Gruppen: CK-Wert < 4‑fach erhöht, > 4‑fach und < 10‑fach erhöht) → Muskelsymptome (Muskelschmerzen) [ggf. statinassoziierte Muskelbeschwerden („statin-associated muscle symptoms“, SAMS)]
    • CK-Wert > 10-fache der oberen Norm → Myopathie, Myositis (klinisches Bild: häufig generalisierte Schmerzen; eigenständige zugrundeliegende Muskelerkrankung?)
    • CK-Wert > 40-fache der oberen Norm → Rhabdomyolyse/Auflösung quergestreifter Muskelfasern/Skelettmuskulatur sowie Herzmuskulatur (klinisches Bild: Muskelsymptome (wg. Myonekrose/Absterben von Muskelzellen), Myoglobinurie (dunkel verfärbter Urin) und/oder akutem Nierenversagen (Anstieg der Serum-Kreatinin-Konzentration um 0,5 mg/dl))
    • CK-Wert >1000 U/l (16,7 µkat/l) und auftreten einer proximale Muskelschwäche → Myopathie
  • Elektrolyte 
    • Calcium
      • Hypocalcämie (Calciumangel) – verursacht Tetanie (krampfartige Schmerzen), Parästhesien (Missempfindungen) und Muskelkrämpfe.
      • Hypercalcämie (Calciumüberschuss) – kann zu Muskelschwäche und Muskelschmerzen führen.
    • Kalium
      • Hypokaliämie (Kaliummangel) – führt zu Muskelschwäche, Krämpfen und ggf. Myalgien.
      • Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss) – kann Muskelzuckungen, Parästhesien und generalisierte Muskelschmerzen auslösen.
    • Magnesium
      • Hypomagnesiämie (Magnesiummangel) – häufig mit neuromuskulärer Übererregbarkeit, Muskelkrämpfen und generalisierten Myalgien verbunden.
      • Hypermagnesiämie (Magnesiumüberschuss) – selten, aber in höheren Konzentrationen ebenfalls mit Muskelschwäche assoziiert.
    • Natrium
      • Hyponatriämie (Natriummangel) – kann diffuse Muskelbeschwerden und Krämpfe verursachen, v. a. bei raschem Abfall.
      • Hypernatriämie (Natriumüberschuss) – selten primäre Ursache von Myalgie, kann aber indirekt durch Dehydratation (Austrocknung) Muskelbeschwerden begünstigen.
    • Phosphat
      • Hypophosphatämie (Phosphatmangel) – kann zur Muskelschwäche, Rhabdomyolyse und generalisierten Myalgien führen.
      • Hyperphosphatämie (Phosphatüberschuss) – spielt bei Myalgien in der Regel keine führende Rolle.
  • Urinstatus (Schnelltest auf: Nitrit, Eiweiß, Hämoglobin, Erythrozyten, Leukozyten) inkl. Sediment, ggf. Urinkultur (Erregernachweis und Resistogramm, das heißt Austestung geeigneter Antibiotika auf Sensibilität/Resistenz)
  • Nüchternglucose (Nüchternblutzucker)

Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Myoglobin (Muskelprotein aus der Gruppe der Globine)
  • Vitamin D (25-OH-Vitamin D) [2]
  • Serologische bzw. bakteriologische Untersuchung – bei Verdacht auf bakterielle, virale oder parasitäre Infektionen
  • Molekulargenetische Untersuchung bei Verdacht auf genetisch bedingte Erkrankungen
  • Schilddrüsenparameter – TSH, fT3, fT4
  • Nebenschilddrüsenfunktionsparameter Parathormon 
  • Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) und Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT, GGT), alkalische Phosphatase, Bilirubin – bei Verdacht auf chronischem Alkoholismus
  • Rheumadiagnostik – CRP (C-reaktives Protein) bzw. BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit); Rheumafaktor (RF), CCP-AK (cyclische Citrullin Peptid-Antikörper), ANA (antinukleäre Antikörper)
  • HMGCR (3-hydroxy-3-methylglutaryl-CoA reductase) – bei Verdacht auf immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (NM)
  • Porphyrine 
  • Muskelbiopsie – bei Verdacht auf muskuläre Genese*
  • Toxikologische Untersuchung – bei Verdacht auf Intoxikation (Alkohol, Heroin, Kokain)
  • Porphyrine im Urin – bei Verdacht auf Porphyrie
  • Carnitin- und Acetycarnitin-Bestimmung im Serum (mit Tandem-Massenspektrometerie) – bei Verdacht auf eine Carnitin-Stoffwechselstörung
  • Liquorpunktion (Entnahme von Nervenwasser durch Punktion des Rückenmarkskanals) zur Liquordiagnostik – bei Verdacht auf Poliomyelitis (Kinderlähmung), Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Weitere Hinweise

  • *Bei belastungsabhängigen Myalgien:
    • Muskelbiopsie ist nur bei mindestens siebenfach erhöhten CK-Werten erfolgversprechend.
      Bei nicht belastungsabhängigen Myalgien und unauffälligem neurologischem Befund findet sich in 2 % der Muskelbiopsien ein in der Regel unspezifisch auffälliger Befund [1].
    • diagnostische Aussagekraft einer Muskelbiopsie steigt, wenn ein oder mehrere der folgenden Zeichen/Symptome bestehen:
      • Myoglobinurie (Ausscheidung von Myoglobin im Urin)
      • „second wind“-Phänomen (= Betroffene spüren eine Linderung der Beschwerden nach kurzer Pause und einer Reduzierung der Belastung)
      • Muskelschwäche
      • Muskelhypertrophie/Atrophie
      • CK: > 3-5-fach erhöht
      • Veränderungen einer Myopathie (Muskelerkrankung) in der Elektromyographie (EMG; elektrophysiologische Methode in der neurologischen Diagnostik, bei der die elektrische Muskelaktivität anhand von Aktionsströmen der Muskeln gemessen und dargestellt wird)
      • positive Familienanamnese für die gleichen Beschwerden bzw. eine neuromuskuläre Erkrankung [3, 4]

Differentialdiagnostik bei Myalgien (Muskelschmerzen)

Ursache Typische Symptome/Befunde Laborwerte Charakteristische Befundkonstellation
Medikamentenassoziierte Ursachen (v. a. Statine) Muskelschmerzen, evtl. Muskelschwäche, zeitlicher Zusammenhang mit Medikamenteneinnahme CK [↑] (häufig < 10-fach), bei Beschwerden auch normale CK Muskelschmerzen nach Beginn einer Statintherapie; CK > 4- bis 10-fach → Statin pausieren/absetzen
Elektrolytstörungen (Calcium, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphat) Muskelkrämpfe, Parästhesien (Kribbelgefühle), diffuse Myalgien (Muskelschmerzen), Muskelschwäche Abweichungen der Elektrolyte (Hypo-/Hypercalcämie, Hypo-/Hyperkaliämie, Hypomagnesiämie, Hyponatriämie, Hypophosphatämie) Neuromuskuläre Symptome parallel zu laborchemisch nachgewiesener Elektrolytstörung
Endokrine Ursachen (Hypothyreose = Schilddrüsenunterfunktion, Hyperthyreose = Schilddrüsenüberfunktion, Hyperparathyreoidismus = Nebenschilddrüsenüberfunktion, Vitamin-D-Mangel) Myalgien (Muskelschmerzen), Muskelschwäche, systemische Zeichen (z. B. Gewichtszunahme/-verlust, Müdigkeit) TSH, fT3, fT4, Parathormon, Vitamin D [↓], CK variabel [↑] Endokrine Auffälligkeiten mit muskuloskelettalen Beschwerden, z. B. Hypothyreose + CK [↑]
Infektionen (viral, bakteriell, parasitär) Akute Muskelschmerzen, Fieber, Infektzeichen CK [↑], CRP/BSG [↑], spezifischer Erregernachweis (Urin, Kultur, Serologie) Akute Myalgien (Muskelschmerzen) mit Infektzeichen, Laborentzündung, positiver Erregernachweis
Idiopathische entzündliche Myopathien (Polymyositis = entzündliche Muskelerkrankung, Dermatomyositis = entzündliche Muskelerkrankung mit Hautbeteiligung) Symmetrische proximale Muskelschwäche, generalisierte Schmerzen, Hautbefunde (bei Dermatomyositis) CK [↑], CRP/BSG [↑], Autoantikörper Muskelschwäche + Myalgien (Muskelschmerzen), hohe CK, ggf. typische Hautmanifestationen
Rheumatische Erkrankungen (Polymyalgia rheumatica = Muskelrheuma, rheumatoide Arthritis = chronische Gelenkentzündung, Kollagenosen = Bindegewebserkrankungen) Symmetrische Muskel- und Gelenkschmerzen, Morgensteifigkeit CRP/BSG [↑], RF, CCP-AK, ANA Myalgien (Muskelschmerzen) im Rahmen systemischer Autoimmunerkrankungen
Rhabdomyolyse (Zerfall von Muskelgewebe) Akute generalisierte Schmerzen, Muskelschwäche, dunkler Urin (Myoglobinurie), evtl. Nierenversagen (akutes Nierenversagen) CK massiv [↑] (> 40-fach), Myoglobin [↑], Kreatinin [↑] Kombination: sehr hohe CK, Myoglobinurie, akutes Nierenversagen
Neurologische Erkrankungen (Polyneuropathie = Nervenschädigung, Guillain-Barré-Syndrom = akute Nervenentzündung, Multiple Sklerose = chronische Nervenkrankheit, Parkinson = Schüttellähmung) Sensibilitätsstörungen (Gefühlsstörungen), Muskelschwäche, ggf. Lähmungen, brennende Schmerzen Liquorveränderungen (z. B. GBS), CK meist normal Neurologische Symptome im Vordergrund, Myalgien (Muskelschmerzen) sekundär
Genetische Muskelerkrankungen (Muskeldystrophien = Muskelschwund, Carnitin-Stoffwechselstörung = Störung des Fettstoffwechsels) Belastungsabhängige Myalgien (Muskelschmerzen), Muskelschwäche, positive Familienanamnese (familiäre Häufung) CK [↑], Carnitin/Acylcarnitin verändert, molekulargenetischer Nachweis Chronisch-progrediente Muskelsymptome mit pathologischer Familienanamnese
Porphyrien (Stoffwechselerkrankungen) Kolikartige Bauchschmerzen, neurologische Symptome, Muskelschmerzen Porphyrine im Urin [↑] Kombination aus abdominellen Beschwerden, neurologischen Zeichen und Porphyrinurie
Toxische Ursachen (Alkohol, Kokain, Heroin, weitere Medikamente) Diffuse Muskelschmerzen, teils akut, Begleitsymptome (neurologisch, kardiovaskulär) CK [↑], toxikologische Tests positiv Exposition in Anamnese, CK-Erhöhung passend zum Toxin
Sonstige seltene Ursachen Fibromyalgiesyndrom (chronisches Schmerzsyndrom ohne Laborveränderungen), paraneoplastische Myopathien (tumorassoziierte Muskelerkrankungen) CK normal, keine spezifischen Laborbefunde Klinische Diagnose, Ausschlussdiagnose

Literatur

  1. Filosto M, Tonin P, Vattemi G, Bertolasi L, Simonati A, Rizzuto N et al.: The role of muscle biopsy in investigating isolated muscle pain. Neurology 2007;68(3):181-186.
  2. Kennel et al.: Vitamin D Deficiency in Adults: When to Test and How to Treat. Mayo Clinic Proceedings 2010; 85(8): 752-758. doi: 10.4065/mcp.2010.0138
  3. Kyriakides T et al.: EFNS review on the role of muscle biopsy in the investigation of myalgia. European journal of neurology. 2013 Jul;20(7):997-1005. doi: 10.1111/ene.12174. Epub 2013 Apr 30.
  4. Te Riele MG et al.: The yield of diagnostic work-up of patients presenting with myalgia, exercise intolerance, or fatigue: A prospective observational study. Neuromuscular disorders 2017 Mar;27(3):243-250. doi: 10.1016/j.nmd.2016.12.002.

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Diagnostik von Myopathien. (AWMF-Registernummer: 030-115), Mai 2021 Langfassung
  2. S1-Leitlinie: Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien. (AWMF-Registernummer: 030-051), März 2025 Langfassung