Raffinose: Funktionen, Stoffwechsel und Bedeutung für die Gesundheit

Die Oligosaccharide der Raffinose-Familie gehören zu den Kohlenhydraten, die aus mehreren Monosacchariden (Einfachzuckern) bestehen. Die wichtigsten Vertreter sind Raffinose, Stachyose und Verbascose. Sie entstehen aus der Saccharose (Haushaltszucker), an die zusätzlich Galactosemoleküle gebunden sind.

Raffinose enthält die drei Zuckerbausteine Galactose, Glucose und Fructose. Stachyose besteht aus vier Bausteinen und Verbascose aus fünf.
Mit zunehmender Kettenlänge nimmt die Süße ab – die Oligosaccharide schmecken daher nur wenig süß.

Diese Zucker sind vor allem in Hülsenfrüchten und einigen Getreide- und Gemüsearten enthalten. Ein besonders hoher Anteil findet sich in Sojabohnen, Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Erbsen sowie in Chicorée, Schwarzwurzel und in kleineren Mengen in Amaranth oder Hirse.

Verdauung und Resorption

Damit Kohlenhydrate aufgenommen werden können, müssen sie im Dünndarm in einzelne Monosaccharide zerlegt werden. Für Raffinose, Stachyose und Verbascose besitzt der menschliche Körper jedoch keine passenden Enzyme. Das hat zwei praktische Folgen:

  1. Die Oligosaccharide gelangen unverdaut in den Dickdarm.
  2. Dort werden sie durch Darmbakterien fermentiert (abgebaut).

Bei dieser bakteriellen Fermentation entstehen Gase wie Kohlendioxid, Methan und Wasserstoff. Genau diese Gase verursachen die typischen Beschwerden nach dem Verzehr von Hülsenfrüchten:

  • Blähungen
  • Bauchkrämpfe
  • Völlegefühl

Diese Reaktion ist normal und kein Zeichen einer Unverträglichkeit – sie zeigt lediglich, dass unsere Verdauungsenzyme die Raffinose-Familie nicht spalten können.

Stoffwechsel und Regulation

Da Raffinose und ihre verwandten Zucker nicht aufgenommen werden, dienen sie dem Körper nicht als Energiequelle. Sie werden vollständig im Dickdarm abgebaut und anschließend ausgeschieden. Bei der Energieberechnung spielen sie daher keine Rolle.

Überhöhte Zufuhr

In der Praxis kann eine überhöhte Zufuhr vor allem dann auftreten, wenn große Mengen Hülsenfrüchte konsumiert werden – etwa bei ballaststoffreicher Ernährung, vegetarischer oder veganer Kost.

Da die Verdauungsenzyme fehlen, kann dies die oben genannten Beschwerden verstärken. Die Reaktion ist jedoch harmlos und lässt sich oft lindern durch:

  • Langsame Steigerung der Hülsenfruchtmenge
  • Einweichen und gründliches Spülen von Hülsenfrüchten
  • Längeres Kochen
  • Verwendung von Gewürzen wie Kümmel, Fenchel oder Ingwer
  • Gute Kombination mit anderen Lebensmitteln (z. B. Fett- oder Eiweißquellen)

Mangel

Ein Mangel an Raffinose, Stachyose oder Verbascose ist nicht möglich – der Körper benötigt diese Zucker nicht für lebenswichtige Prozesse. Sie gelten nicht als essentiell (lebensnotwendig).

Vorkommen

Wichtig für den Alltag ist vor allem Folgendes: Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Oligosacchariden der Raffinose-Familie sind häufig auch ballaststoffreich, eiweißreich und insgesamt ernährungsphysiologisch sehr wertvoll. Raffinose, Stachyose und Verbascose sind typische Bestandteile von Hülsenfrüchten, kommen aber ebenso in einigen Getreide- und Gemüsearten vor. Raffinose findet sich zusätzlich in Zuckerrohr und Zuckerrüben. Bei der Zuckerherstellung reichert sie sich in der Melasse – einem Nebenprodukt – an, sodass sie im fertigen Zucker nur noch in Spuren enthalten ist.

Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über das Vorkommen der Oligosaccharide der Raffinose-Familie in unseren Lebensmitteln.

Gehalt an Oligosacchariden der Raffinose-Familie – angegeben in mg – pro 100 g Lebensmittel

  Raffinose Stachyose Verbascose
Amaranth  750 50 *
Augenbohne, Samen (trocken) 1.466 2.918 2337
Chicorée  1.150 340 *
Erbse, Samen (trocken) 670 1.940 920
Gartenbohne, Samen (trocken) 717 4.020 *
Goabohne, Samen (trocken) 1.510 3.200 800
Hirse  630 82 *
Kichererbse, Samen (trocken)  830 2.000 Spuren
Limabohne, Samen (trocken)  935 2.440 270
Linse, Samen (trocken)  412 1.727 *
Mungbohne, Samen (trocken)  885 1.675 2430
Schwarzwurzel  1.560 1.120 *
Sojabohne, Samen (trocken)  1.280 3.750 *
Sojamehl  3.280 3.680 4.100
Straucherbse, Samen (trocken)  1.100 2.800 3.600
Urdbohne, Samen (trocken)  Spuren 720 *
Weizenkleie  1.300 40 *

*Es liegen keine Daten vor.

Zufuhr-Empfehlungen

Es gibt keine Zufuhrempfehlungen, da diese Oligosaccharide nicht essentiell sind. Ihre ungewollten Nebenwirkungen (Blähungen) sind der Hauptgrund für den Wunsch vieler Menschen, die Aufnahme zu reduzieren. Auf der anderen Seite sind raffinosehaltige Lebensmittel sehr nährstoffdicht – weshalb es meist darum geht, den Konsum verträglicher zu gestalten, nicht unbedingt ihn zu vermeiden.

Literatur

  1. Belitz HD, Grosch W, Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 6. Auflage. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2008
  2. Elmadfa I, Muskat E (Hrsg.): Ernährung des Menschen. 5. Auflage. Berlin: Springer; 2020.
  3. Souci SW, Fachmann W, Kraut H: Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen. 7. Auflage. medpharm Scientific Publishers, Stuttgart 2008