Purine: Stoffwechsel, Ernährung und Bedeutung für die Gesundheit
Purine gehören zu den natürlichen Bausteinen unseres Körpers. Jede Zelle enthält sie, weil sie für grundlegende Aufgaben benötigt werden: Purine bilden Teile der Erbsubstanz (DNA und RNA), werden für die Erneuerung und Reparatur von Zellen gebraucht und sind Bausteine wichtiger Moleküle, mit denen der Körper Energie nutzbar macht – auch wenn Purine selbst keine Energie liefern.
Ein Teil dieser Purine entsteht im Körper selbst, ein anderer Teil stammt aus der Nahrung. Beim Abbau der Purine entsteht Harnsäure. Wenn jedoch mehr Harnsäure gebildet wird, als über Nieren und Darm ausgeschieden werden kann, steigt der Harnsäurespiegel im Blut an. Für Menschen mit Hyperurikämie (erhöhte Harnsäure im Blut), Gicht oder einem erhöhten Risiko für Harnsäuresteine ist es daher hilfreich, zu verstehen, woher Purine kommen und wie sich ihre Menge im Alltag beeinflussen lässt. So können Beschwerden gelindert und schmerzhafte Gichtanfälle wirksam verhindert werden.
Funktionen
Purine übernehmen im Körper mehrere grundlegende Aufgaben. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass Zellen wachsen, sich erneuern und auf innere und äußere Signale reagieren können.
1. Purine sind Bausteine der Erbsubstanz (DNA und RNA)
Die Erbsubstanz besteht aus vier Basen – zwei davon sind Purine: Adenin und Guanin. Sie werden benötigt für:
- Speicherung der Erbinformation,
- Verdopplung der DNA bei jeder Zellteilung,
- Reparatur von DNA-Schäden,
- Bildung verschiedener RNA-Moleküle, die wiederum notwendig sind, um Proteine zu bauen.
2. Purine sind Bestandteile wichtiger Energie- und Signalträger
Purine liefern selbst keine Energie, aber sie ermöglichen dem Körper, seine Energie zu nutzen. Wichtige Moleküle, die Purine enthalten, sind:
- ATP (Adenosintriphosphat) – die zentrale „Energiewährung“ der Zellen.
- NAD und NADP – unverzichtbare Coenzyme im Energiestoffwechsel und in vielen Stoffwechselreaktionen.
- cAMP – ein Botenstoff, der steuert, wie Zellen auf Hormone reagieren oder Stoffwechselprozesse anpassen.
Damit Purine Energie verfügbar machen können, müssen sie ständig neu gebildet und verbraucht werden. Das erklärt auch, warum Purine im Körper ununterbrochen entstehen und abgebaut werden.
Fazit: Alle Prozesse, die im Körper dauerhaft stattfinden – Zellteilung, Heilung, Proteinbildung, Hormonreaktionen oder Energiestoffwechsel – benötigen Purine. Sie sind damit an nahezu allen lebenswichtigen Vorgängen beteiligt.
Stoffwechsel, Resorption und Abbau
Alles, was an Purinen in den Körper gelangt, muss am Ende in Form von Harnsäure wieder „entsorgt“ werden. Wie gut das gelingt, entscheidet wesentlich darüber, ob der Harnsäurespiegel im Blut normal bleibt oder ansteigt.
Purine gelangen auf zwei Wegen in den Körper:
- exogene Zufuhr über die Nahrung: etwa 300 bis > 600 mg Harnsäureäquivalente pro Tag
- endogene Neusynthese: etwa 300-400 mg pro Tag durch den Abbau eigener Zellen, wenn alte oder geschädigte Zellen erneuert werden
Mit der Nahrung werden Purine überwiegend als Bestandteil von Nukleoproteinen aufgenommen – also aus Strukturen, die aus Proteinen und Erbsubstanz (DNA, RNA) bestehen. Im Darm werden diese zunächst in Aminosäuren und Nukleinsäuren zerlegt. Die Nukleinsäuren werden anschließend weiter in kleinere Bausteine wie Nukleotide (Bausteine von Nukleinsäuren wie DNA (Desoxyribonukleinsäure) und RNA (Ribonukleinsäure)), Nukleoside (Verbindung aus Nukleinbase und Pentose) und schließlich Purinbasen abgebaut.
Nicht alle Purine gelangen dabei gleichermaßen in den Stoffwechsel:
- DNA wird langsamer abgebaut als RNA.
- Manche Nukleoside wie Inosin und Guanosin werden besonders gut aufgenommen.
Im nächsten Schritt wandelt der Körper diese Purinbausteine in mehreren Reaktionsstufen um – am Ende steht immer Harnsäure als Endprodukt des Purinabbaus. Eine weitere Spaltung ist nicht möglich, weil das dafür notwendige Enzym fehlt.
Nach einer sehr purinreichen Mahlzeit (z. B. Innereien, große Fleischmengen, viel Bier) kann der Harnsäureumsatz im Körper auf das 100- bis 400-Fache ansteigen. Das erklärt, warum gerade „Festessen“ oder „Feierabende mit viel Bier“ häufig Gichtanfälle auslösen.
Die Ausscheidung von Harnsäure erfolgt zu 70-80 % über die Nieren (Urin) und zu 20-30 % über den Darm. Nur etwa 10 % der täglich gebildeten Harnsäure werden tatsächlich ausgeschieden. Die übrigen 90 % werden vom Körper wieder aufgenommen und für die erneute Purinsynthese genutzt. Dieses Recycling ist grundsätzlich sinnvoll, kann aber zum Problem werden, wenn zusätzlich sehr viel Harnsäure entsteht oder die Ausscheidung eingeschränkt ist.
Der Purin- und Harnsäurestoffwechsel ist ein fein austariertes System. Es kann an drei Stellen aus dem Gleichgewicht geraten:
- Zu viele Purine gelangen in den Körper
- vor allem durch eine purinreiche Ernährung (viel Fleisch, Innereien, bestimmte Fische, Bier).
- Es werden vermehrt körpereigene Zellen abgebaut
- z. B. bei starkem Übergewicht, Crash-Diäten oder bestimmten Erkrankungen.
- Die Ausscheidung der Harnsäure ist gestört
- etwa durch eine eingeschränkte Nierenfunktion (Niereninsuffizienz), Medikamente (z. B. Diuretika (Entwässerungsmittel) wie Thiazide oder Schleifendiuretika, niedrig dosierte Acetylsalicylsäure, Ciclosporin) oder genetische Faktoren.
In allen Fällen steigt die Harnsäurekonzentration im Blut. Dies bezeichnet man als Hyperurikämie. Bleibt sie länger erhöht, können sich Harnsäurekristalle ablagern – insbesondere in Gelenken (→ Gicht) oder in den Harnwegen (→ Harnsäure- bzw. Uratsteine).
De-novo-Purinnukleotidsynthese
Auch wenn die Purinzufuhr über die Ernährung reduziert wird, produziert der Körper weiterhin Purine. Deshalb reicht die Anpassung der Ernährung allein bei manchen Betroffenen nicht aus, um die Harnsäure dauerhaft zu senken. Hier sind dann ggf. Medikamente nötig (s. u. Hyperurikämie/Gicht).
Purinreiche Lebensmittel
Lebensmittel mit vielen Zellen und viel Zellkernmaterial sind besonders purinreich, vor allem tierische Produkte:
- Fleisch und Wurstwaren (v. a. Schwein, Rind, Wild, Innereien)
- Innereien: Leber, Niere, Herz, Bries
- Bestimmte Fische und Meeresfrüchte:
- Makrele, Hering, Sardinen, Sardellen, Heilbutt
- Muscheln, Hummer
- Hülsenfrüchte: Erbsen, weiße Bohnen, Linsen
- Soja und Sojaprodukte: Sojabohnen, Sojaschrot, Tofu
- Buchweizen
- Bier (enthält zusätzlich Purine, s. u.)
Etwa 60 % der aufgenommenen Purine stammen aus Fleisch. Interessant dabei ist, dass die Tierart (Schwein, Rind, Geflügel) für die Purinmenge weniger eine Rolle spielt als der Teil des Tieres (Innereien vs. Muskelfleisch).
Tierische Purinquellen sind in Studien stärker mit Gicht verknüpft als pflanzliche Purinquellen. Viele pflanzliche Lebensmittel mit Purinen (z. B. Hülsenfrüchte) liefern gleichzeitig Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und können in Maßen oft im Speiseplan bleiben – abhängig von Harnsäurewerten, Gichtanamnese und individueller Verträglichkeit.
Purinarme bzw. günstige Lebensmittel
Für Betroffene sind folgende Lebensmittelgruppen meist gut geeignet:
- Gemüse (Ausnahme: sehr purinreiche wie Spinat oder Spargel nur in moderaten Mengen)
- Obst (Fructose (Fruchtzucker) in großen Mengen kann Harnsäure erhöhen – daher keine „Saftkuren“)
- Milch und Milchprodukte, v. a. fettarm
- Eier
- Getreideprodukte (Reis, Pasta, Brot – Vollkorn bevorzugen)
- Pflanzenöle, Nüsse, Saaten
Milchprodukte scheinen in Studien sogar mit einem niedrigeren Gichtrisiko verbunden zu sein.
Einfluss der Zubereitung
Der Puringehalt eines Lebensmittels ist nicht nur eine Eigenschaft des rohen Produkts. Zubereitung und Lagerung verändern ihn:
- Kochen (z. B. Fleisch, Hülsenfrüchte)
- Purine sind teilweise wasserlöslich und gehen in das Kochwasser über.
- Das Lebensmittel selbst enthält danach weniger Purine pro 100 g.
- Das Kochwasser (z. B. Gemüsebrühe) ist purinreich und sollte bei Gicht eher nicht getrunken werden.
- Braten/Grillen
- Lebensmittel verlieren Wasser, wodurch Purine zunächst konzentriert werden könnten.
- Gleichzeitig werden Purine teilweise mit austretendem Fleischsaft herausgelöst.
- Insgesamt kann der Puringehalt etwas sinken, ist aber oft höher als bei gekochten Varianten.
- Lagerung
- Beim Lagern von Fleisch/Fisch werden Nukleinsäuren abgebaut. Dabei entstehen Nukleoside und Purinbasen, die oft leichter resorbiert werden.
- Lebensmitteltabellen können deshalb nur Richtwerte liefern.
Praktische Tipps
- Fleisch lieber kochen oder dünsten, statt scharf anbraten oder frittieren.
- Purinreiche Brühen (z. B. Fleischfond, Knochenbrühe) nicht als Getränk verwenden.
- Bei purinreichen Lebensmitteln auf kleinere Portionen und weniger Häufigkeit achten (z. B. eher 1-2 kleine Fleischmahlzeiten pro Woche statt täglich).
- Hülsenfrüchte bei Hyperurikämie in moderaten Mengen testen, ggf. mit behandelndem Arzt/Ernährungsfachkraft abstimmen.
Alkohol und Purine
Alkohol hat einen Doppelfeffekt auf den Harnsäurehaushalt – und ist daher für Gichtbetroffene besonders kritisch;
- Mehr Harnsäure entsteht
- Beim Abbau von Alkohol in der Leber kommt es zu einem vermehrten Abbau von Adeninnukleotiden.
- Diese werden letztlich zu Harnsäure umgewandelt.
- Weniger Harnsäure wird ausgeschieden
- Alkohol wird zu Acetaldehyd und weiter zu Acetat verstoffwechselt.
- Dabei entsteht viel NADH, was das Verhältnis von Pyruvat zu Lactat verschiebt → es bildet sich mehr Lactat.
- Lactat konkurriert in der Niere mit Harnsäure um die Ausscheidung.
→ Harnsäure bleibt vermehrt im Blut.
Bier ist bei Gicht doppelt problematisch:
- Es enthält Alkohol → beeinträchtigt die Ausscheidung von Harnsäure.
- Es enthält Purine, vor allem das leicht resorbierbare Guanosin.
- Alkoholfreies Bier ist zwar alkoholfrei, enthält aber weiterhin Purine.
Wein enthält praktisch keine Purine, kann aber über den Alkoholanteil ebenfalls die Harnsäureausscheidung reduzieren.
Zufuhr-Empfehlungen
Die Empfehlungen richten sich insbesondere an Menschen mit Hyperurikämie (erhöhte Harnsäure im Blut), Gicht oder Uratsteinen. Ziel ist, die Harnsäurelast zu reduzieren, ohne Mangelernährung zu verursachen.
Purinarme Kost
Sie wird eingesetzt bei erhöhten Harnsäurewerten und zur Vorbeugung von Gichtanfällen.
- Ziel: etwa 500 mg Harnsäure pro Tag,
- Maximal 3.000 mg Harnsäure pro Woche.
- Kleine Ausreißer (etwas mehr an einem Tag) können durch bewusst purinarme Tage ausgeglichen werden.
Streng purinarme Kost
Sie ist deutlich strikter und wird z. B. bei akutem Gichtanfall oder ausgeprägter Hyperurikämie eingesetzt.
- Ziel: etwa 300 mg Harnsäure pro Tag
- Maximal 2.000 mg Harnsäure pro Woche
- Ausgleich über Folgetage ist hier nicht vorgesehen – die Einhaltung soll täglich erfolgen.
Nutzen im Alltag
Eine purin- bzw. streng purinarme Ernährung kann:
- Harnsäurewerte senken
- Häufigkeit und Schwere von Gichtanfällen reduzieren
- Das Risiko für Uratsteine verringern
- Medikamente entlasten (in Absprache mit dem behandelnden Arzt)
Hinweis: In Lebensmitteltabellen wird häufig nicht der Purin-, sondern der Harnsäuregehalt angegeben, obwohl in Lebensmitteln selbst kaum Harnsäure vorkommt. Die Angabe beruht darauf, wie viel Harnsäure aus den enthaltenen Purinen im Stoffwechsel entstehen kann.
Für die Umrechnung gelten:
- 1 mg Harnsäure entspricht 0,42 mg Purine
- 1 mg Purine entspricht 2,4 mg Harnsäure
Literatur
- Song Y, Li Q, Lu J, Ren M, Han Q, Cai Z, Wang H, Lin L, Zheng B, Xue C: Dietary purines and health: Dietary purines and health: Metabolism, impact, and regulation. Trends in Food Science & Technology Volume 163, September 2025, 105191. doi: 10.1016/j.tifs.2025.105191.
- Danve A, Sehra ST, Neogi T: Role of diet in hyperuricemia and gout. Best Practice & Research Clinical Rheumatology Volume 35, Issue 4, December 2021, 101723. doi: 10.1016/j.berh.2021.101723.
- Choi HK, Atkinson K, Karlson EW, Willett W, Curhan G. Purine-rich foods, dairy and protein intake, and the risk of gout in men. N Engl J Med. 2004;350(11):1093-1103. doi:10.1056/NEJMoa035700.
- Kaneko K, Aoyagi Y, Fukuuchi T, Inazawa K, Yamaoka N. Total purine and purine base content of common foodstuffs for facilitating nutritional therapy for gout and hyperuricemia. Biol Pharm Bull. 2014;37(5):709-721. doi:10.1248/bpb.b13-00967.