Stärke: Aufbau, Eigenschaften und ernährungsphysiologische Bedeutung

Das Polysaccharid Stärke besteht aus vielen miteinander verbundenen Glucosebausteinen. Es ist das wichtigste Kohlenhydrat in unserer Ernährung und kommt in zahlreichen Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln, Reis, Nudeln oder Brot vor. Sie dient Pflanzen als Energiespeicher – und genau diese Energie nutzt auch der menschliche Körper. Beim Essen wird Stärke in Glucose umgewandelt, die allen Körperzellen als zentraler Brennstoff zur Verfügung steht.

In den Pflanzen liegt Stärke in kleinen Stärkekörnern vor, deren Form und Größe je nach Pflanze unterschiedlich sind. Diese Körner bestimmen mit, wie gut Stärke verdaulich ist und welchen Einfluss sie auf den Blutzucker hat. Stärke ist immer aus zwei Bestandteilen aufgebaut: einem eher linearen Anteil (Amylose) und einem stark verzweigten Anteil (Amylopektin). Das Verhältnis dieser beiden Komponenten beeinflusst Eigenschaften wie Verdaulichkeit, Sättigungswirkung, glykämischen Index und technologische Einsatzmöglichkeiten in der Lebensmittelherstellung. In den meisten Pflanzen besteht Stärke zu etwa 20-30 % aus Amylose und zu 70-80 % aus Amylopektin.

Klassifikation der Stärke

Stärke lässt sich nach ihrer Verdaulichkeit in drei funktionelle Gruppen einteilen:

  • schnell verdauliche Stärke
  • langsam verdauliche Stärke
  • resistente Stärke

Unter Hitzeeinwirkung kann Stärke große Mengen Wasser aufnehmen und aufquellen. Dadurch wird ihre Struktur gelockert und die Stärke für Verdauungsenzyme besser zugänglich – sie wird leichter verdaulich. Resistente Stärke bildet hier eine Ausnahme: Sie bleibt trotz Verdauungsenzymen weitgehend unzugänglich und gelangt unverändert in den Dickdarm. Dort dient sie den Darmbakterien als Futter und wird zu gesundheitsförderlichen kurzkettigen Fettsäuren (Butyrat, Acetat, Propionat) abgebaut. Resistente Stärke kann dadurch:

  • die Darmflora positiv beeinflussen (fördert das Wachstum gesundheitsförderlicher Bifidobakterien, hemmt potentiell pathogene (krankmachende), säureempfindliche Keime),
  • die Stuhlmasse erhöhen,
  • den Blutzuckeranstieg nach dem Essen abflachen (durch ihren verlangsamten Abbau senkt resistente Stärke den glykämischen Index eines Lebensmittels und sorgt dafür, dass Glucose und Insulinspiegel weniger stark ansteigen),
  • den pH-Wert im Dickdarm senken,
  • Entzündungen reduzieren,
  • die Passagezeit beschleunigen
  • und langfristig die Darmgesundheit stärken.

Die durch resistente Stärke gesteigerte Butyratbildung gilt als wichtiger Schutzfaktor vor kolorektale Karzinome (Dickdarm- und Enddarmkrebs) [2]. Zudem wird die Konzentration sekundärer, potentiell zytotoxischer (zellschädigender) Gallensäuren reduziert.

Resistente Stärke tritt in verschiedenen Formen auf, die sich dadurch unterscheiden, warum sie für Verdauungsenzyme unzugänglich bleibt:

  • Resistenter Stärketyp I entsteht, wenn Stärke durch pflanzliche Zellwände geschützt ist. Diese „eingeschlossene“ Stärke kann im unverarbeiteten Lebensmittel kaum abgebaut werden. Erst durch Mahlen, Kauen oder Erhitzen werden die Zellstrukturen teilweise aufgebrochen, sodass die Stärke besser verdaulich wird.
    • Enthalten in ganzen Körnern, grob geschrotetem Getreide, unzerkleinerten Hülsenfrüchten.
  • Resistenter Stärketyp II umfasst Stärken mit einer besonders festen, kompakten Struktur. Die dichte äußere Hülle der Stärkekörner verhindert, dass Verdauungsenzyme an die Stärke gelangen.
    • Enthalten in rohen Kartoffeln (z. B. in Stärkeform), unreifen Bananen („grüne Bananen“).
  • Resistenter Stärketyp III entsteht beim Abkühlen zuvor erhitzter stärkehaltiger Lebensmittel. Dieser Prozess wird Retrogradation genannt. Beim Abkühlen ordnen sich die Stärkemoleküle neu an und bilden kristalline Strukturen, die sehr widerstandsfähig gegenüber enzymatischer Spaltung sind.
    • Gekochte und anschließend abgekühlte Kartoffeln, Kartoffelsalat, Reis oder Brot vom Vortag enthalten daher deutlich mehr resistente Stärke als im warmen Zustand.

Klassifikation der Stärke und ihre Verdauungsrate im Dünndarm [5]

Stärketyp Vorkommen Abbaurate im Dünndarm
Schnell verdauliche Stärke frisch gekochte stärkehaltige Lebensmittel schnell
Langsam verdauliche Stärke die meisten rohen Getreidearten langsam
Resistente Stärke   resistent
  • Typ I – eingeschlossene Stärke
Gemüse, teilweise gemahlene Körner und Samen resistent
  • Typ II – resistente Stärkekörner
rohe Kartoffeln, unreife Bananen resistent
  • Typ III – retrogradierte Stärke
gekochte und abgekühlte Kartoffeln, Brot, Cornflakes resistent

Funktion

Stärke ist eines der wichtigsten Energiereserven der menschlichen Ernährung und Hauptbestandteil vieler Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Reis oder Getreide. Nach ihrer Spaltung zu Glucose im Dünndarm dient sie nahezu allen Körperzellen als Energiequelle. Der Energiegehalt beträgt 4 kcal pro Gramm Stärke.

In der Lebensmittelindustrie wird Stärke vielseitig eingesetzt – etwa zum Andicken von Suppen, Soßen und Desserts oder als Bindemittel, Füllstoff und Stabilisator. Amylose wird unter anderem für Überzüge von Trockenfrüchten genutzt, während Amylopektin (verzweigtes Polysaccharid) häufig als Stabilisator dient. Zudem ist Stärke ein zentraler Rohstoff für die Herstellung von Stärkesirup und Glucose.

Verdauung und Resorption

Gekochte Stärke kann der Körper sehr gut verwerten, ganz gleich, aus welcher Pflanzenquelle sie stammt. Bei roher Stärke ist das anders: Ihre Verdaulichkeit hängt stark von der Größe und Beschaffenheit der Stärkekörner ab – je kleiner und weicher diese sind, desto leichter können sie genutzt werden.

Die Verdauung beginnt bereits im Mund. Beim Kauen wird Stärke durch das Enzym α-Amylase im Speichel leicht vorverdaut, was bei Lebensmitteln wie Brot zu einem leicht süßlichen Geschmack führt, wenn man sie länger kaut.

Der Hauptteil der Stärkespaltung findet im Dünndarm statt. Dort zerlegen Verdauungsenzyme aus dem Pankreas (Bauchspeicheldrüse) und der Darmschleimhaut die Stärke vollständig in die zugrundeliegenden Monosaccharideinheiten (Einfachzucker) Glucose.

Die freigesetzte Glucose wird anschließend von den Zellen der Dünndarmschleimhaut aufgenommen und gelangt mit dem Blut zu den Organen, wo sie als Energiequelle dient.

Stärkeintoleranz

Eine Stärkeintoleranz entsteht durch eine unzureichende oder fehlende Aktivität des Enzyms Maltase im Dünndarm. Nicht abbaubare Oligosaccharide gelangen in tiefere Darmabschnitte und führen dort durch osmotische Effekte und verstärkte Peristaltik zu Symptomen wie Bauchschmerzen und Durchfall.

Es werden zwei Formen unterschieden:

  • Primäre Stärkeintoleranz: autosomal-rezessiv, manifestiert sich ab dem 6. Lebensmonat
  • Sekundäre Stärkeintoleranz: Folge entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Zöliakie.

Die Therapie besteht aus einer stärke- und maltosearmen Ernährung.

Glucosemalabsorption

Neben der Stärkeintoleranz kann auch eine Glucosemalabsorption (Glucoseaufnahmestörung) Ursache für gastrointestinale (den Magen-Darm-Trakt betreffende) Symptome nach Zufuhr von Stärke sein. Es handelt sich dabei um eine seltene genetische Erkrankung, bei der der Transport von Glucose in die Zellen der Darmschleimhaut gestört ist. Unverdaute Glucose führt zu einem starken Wassereinstrom in den Darm und damit zu schweren Durchfällen.

Betroffene profitieren von einer Ernährung, die auf Fructose basiert und möglichst frei von Glucose, Galactose, Maltose, Lactose, Stärke und Saccharose ist.

Stoffwechsel und Regulation

Nach der Resorption gelangt die Glucose in die Leber. Je nach Bedarf:

  • wird sie in die Blutbahn abgegeben,
  • in den Geweben verwertet oder
  • als Glykogen in Leber und Muskeln gespeichert.

Überhöhte Zufuhr

Eine zu hohe Kohlenhydratzufuhr kann:

  • zu einem relativen Proteinmangel führen,
  • zur Bildung freier Fettsäuren beitragen.

Die Fähigkeit des Menschen, Fette aus Kohlenhydraten zu synthetisieren (Lipogenese), ist jedoch begrenzt.

Mangel

Stärke selbst ist für den Körper nicht essentiell (lebensnotwendig). Jedoch ist Stärke das wichtigste Kohlenhydrat in unserer Ernährung. Wird sie über längere Zeit zu wenig aufgenommen, kann es zu einem Glucosemangel kommen.

Sinkt die Glucose im Blut zu stark ab (unter 70 mg/dl), spricht man von einer Hypoglykämie (Unterzuckerung). Das ist besonders kritisch, weil das Gehirn auf eine gleichmäßige Glucoseversorgung angewiesen ist. Der Körper schüttet daraufhin Stresshormone aus, die gespeicherte Energie freisetzen. Typische Warnzeichen sind Heißhunger, Schwitzen, Zittern oder Herzklopfen. Fällt der Blutzucker weiter, können Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit oder sogar Bewusstlosigkeit auftreten.

Die körpereigenen Glucosespeicher – vor allem in der Leber – reichen nur etwa einen Tag, wenn keine Kohlenhydrate aufgenommen werden. Hält der Mangel länger an, beginnt der Körper, aus körpereigenem Protein (Eiweiß) Glucose zu bilden. Das betrifft vor allem Muskelgewebe und kann bei länger andauernder Unterversorgung zu Muskelabbau führen.

Nach einiger Zeit stellt sich der Stoffwechsel teilweise um: Das Gehirn kann dann vermehrt Ketonkörper nutzen, die aus Fett gewonnen werden. Das spart Proteine ein, birgt aber bei sehr strenger kohlenhydratarmer Ernährung ein Risiko. Wenn zu viele Ketonkörper anfallen, kann es zu einer Ketoazidose (Übersäuerung des Körpers) kommen – einem Zustand, der zahlreiche Stoffwechselprozesse beeinträchtigt.

Vorkommen

Stärke wird in Pflanzen als Energiespeicher vor allem in Samen, Knollen und Wurzeln eingelagert. Stärkehaltige Lebensmittel sind unter anderem:

  • Getreide und -produkte: Cornflakes (77,8 %), Reis (72,7 %), Eierteigwaren (64,5 %), Zwieback (53,7 %), Knäckebrot (47,1 %), Brötchen (45,4 %), Weizenmischbrot (36,5 %), Pumpernickel (29,3 %)
  • Hülsenfrüchte: Kichererbsen (20,8 %), Erbsenschoten (11,0 %), Erdnüsse (5,5 %)
  • Gemüse: Batate (19,5 %), Kartoffeln (14,1 %), Zuckermais (12,3 %)
  • Obst: Brotfrucht (19,6 %), Banane (2,76 %)

Zufuhr-Empfehlungen

Spezifische Empfehlungen zur Stärkezufuhr existieren nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt jedoch, mindestens 50 % der täglichen Energiezufuhr aus Kohlenhydraten zu decken.

Die Mindestzufuhr liegt bei:

  • 10 % der täglichen Energiezufuhr oder
  • 2 g/kg Körpergewicht.

Für einen 70-kg-Mann ergibt sich somit ein Richtwert von etwa 300 g Kohlenhydraten pro Tag. Empfohlen werden kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse und Kartoffeln.

Literatur

  1. Belitz HD, Grosch W, Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 6. Auflage. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2008
  2. Kendall CW, Emam A, Augustin LS, Jenkins DJ: Resistant starches and health. J AOAC Int. 2004 May-Jun;87(3):769-74.
  3. Löffler G, Petrides PE, Heinrich PC: Biochemie & Pathobiochemie. 8. Auflage. Springer Medizin Verlag Heidelberg. 2007
  4. Souci SW, Fachmann W, Kraut H: Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen. 7. Auflage. medpharm Scientific Publishers, Stuttgart 2008
  5. Watzl B, Leitzmann C: Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln. 3. Auflage. Hippokrates Verlag; 2005.
  6. Elmadfa I, Muskat E (Hrsg.): Ernährung des Menschen. 5. Auflage. Berlin: Springer; 2020.