Polysaccharide: Aufbau und Bedeutung komplexer Kohlenhydrate für die Gesundheit
Polysaccharide – auch Glykane oder Vielfachzucker genannt – gehören zu den zentralen Kohlenhydraten in der menschlichen Ernährung und spielen sowohl biologisch als auch technologisch eine große Rolle.
Chemisch bestehen sie aus vielen einzelnen Monosacchariden (Einfachzuckern), die über unterschiedliche, sogenannte glykosidische, Bindungen miteinander verbunden sind. Die allgemeine Strukturformel lautet (C6H10O5)n, wobei das "n" die Anzahl der verbundenen Bausteine beschreibt und je nach Polysaccharid von wenigen bis zu mehreren Tausend reichen kann.
Warum Polysaccharide so unterschiedlich wirken
Die Art und Weise, wie die Zucker miteinander verknüpft sind, bestimmt entscheidend die Eigenschaften des Polysaccharids:
- Art der Bindung: α- oder β-glykosidisch
- Position der Bindung: zwischen C1/C2 und C2-C6
- Form der Kette: linear oder verzweigt
- Länge der Kette: kurze Fragmente bis extrem lange Speicherformen
Diese strukturelle Vielfalt erklärt, warum manche Polysaccharide leicht verdaulich sind (z. B. Stärke), andere nur teilweise verwertet werden (z. B. Oligosaccharide wie Raffinose) und wieder andere überhaupt nicht verdaut werden können (z. B. Cellulose).
Rolle der Polysaccharide im menschlichen Körper
Polysaccharide übernehmen eine Reihe essentieller (lebensnotwendiger) Funktionen:
- Energieversorgung: Stärke in Getreide, Kartoffeln oder Mais ist Hauptlieferant für Glucose.
- Energiespeicherung: Tiere speichern Glucose als Glykogen in Leber und Muskulatur – ein kurzfristig abrufbarer Energiespeicher.
- Darmgesundheit: Nicht abbaubare oder nur teilweise abbaubare Polysaccharide wirken als Ballaststoffe und sind Nahrungsquelle für die Darmflora.
- Blutzuckerregulation: Unterschiedliche Polysaccharide beeinflussen die glykämische Antwort (beschreibt, wie stark und wie schnell der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit ansteigt) sehr unterschiedlich.
- Strukturelle Funktionen: In Pflanzen dienen Polysaccharide der Stabilität und als Gerüstsubstanz, z. B. Cellulose.
Polysaccharide in der Ernährung – schnell vs. langsam, verdaulich vs. unverdaulich
Verdauliche Polysaccharide wie Stärke liefern rasch Energie, wobei der Verdauungsgrad stark von der Struktur abhängt:
- Amylose (linear) wird langsamer abgebaut → niedrigere glykämische Antwort
- Amylopektin (verzweigt) wird schneller abgebaut → höhere glykämische Antwort
Unverdauliche Polysaccharide wirken als Ballaststoffe:
- Sie fördern die Darmbewegung.
- Sie dienen nützlichen Darmbakterien als Substrat (präbiotisch).
- Sie beeinflussen das Sättigungsgefühl positiv.
- Sie können sich günstig auf Cholesterin- und Glucosewerte auswirken.
Während Stärke den Blutzucker ansteigen lässt, tun dies Ballaststoffe nicht – im Gegenteil, sie können den Anstieg sogar abflachen.
Polysaccharide und die Mikroflora des Darms
Einige Polysaccharide, besonders Inulin oder die Raffinose-Familie, sind wertvolle Nährstoffe für spezielle Darmbakterien. Diese Bakterien fermentieren die Kohlenhydrate zu:
- Kurzkettingen Fettsäuren (z. B. Butyrat, Acetat, Propionat)
- Gasen (z. B. CO2, H2)
Diese Stoffwechselprodukte haben gesundheitliche Vorteile, etwa für die Darmschleimhaut, können aber – je nach Menge und individueller Toleranz – auch Blähungen verursachen.
Bedeutung in der Lebensmitteltechnologie
Polysaccharide sind nicht nur Nährstoffe, sondern auch technologische Hilfsmittel:
- Sie dienen als Verdickungs- und Geliermittel (z. B. modifizierte Stärken, Dextrine).
- Sie verbessern Textur und Wasserbindung.
- Sie stabilisieren Emulsionen und verlängern die Haltbarkeit.
- In Sirupen und Süßstoffen dienen sie als Grundlage für Glucose- und Isoglucosesirup.
Übersicht wichtiger Polysaccharide und verwandter Kohlenhydrate
| Kohlenhydrate | Vorkommen in Lebensmitteln |
| Amylose | Stärke, Getreide, Kartoffeln |
| Amylopektin (pflanzliche Stärke) | Stärke, Getreide, Kartoffeln, Dickungsmittel |
| Glykogen (tierische Stärke) | Leber, Muskelfleisch |
| Inulin | Artischocken |
| Raffinose | Rübenzucker |
| Stachyose | Hülsenfrüchte |
| Verbascose | Hülsenfrüchte |
| Dextrine | Lebensmittelzusatz |
| Invertzucker | Lebensmittelzusatz |
| Glucosesirup | Lebensmittelzusatz |
| Isomerisierter Glucosesirup | Lebensmittelzusatz |
Fazit
Polysaccharide sind deutlich mehr als nur „Kohlenhydrate“. Sie bestimmen, wie lange Lebensmittel sättigen, wie der Darm arbeitet, wie der Blutzucker reagiert und sogar, wie Lebensmittel sich anfühlen und schmecken. Ihre Vielfalt – von leicht verdaulicher Stärke über körpereigenes Glykogen bis hin zu Ballaststoffen wie Inulin – macht sie zu einem der wichtigsten Bausteine der Ernährung.
Literatur
- Elmadfa I, Muskat E (Hrsg.): Ernährung des Menschen. 5. Auflage. Berlin: Springer; 2020.