Galactose: Funktionen, Stoffwechsel und Bedeutung für die Gesundheit
Galactose ist ein natürlich vorkommendes Monosaccharid (Einfachzucker) und wird auch als Schleimzucker bezeichnet. Sie ist vor allem in Milch und Milchprodukten enthalten.
Im Körper wird Galactose schnell in Glucose umgewandelt und dient damit als wichtige Energiequelle – besonders für Säuglinge, da Galactose ein zentraler Bestandteil der Lactose (Milchzucker) ist.
Außerdem wird Galactose für den Aufbau wichtiger Zellstrukturen wie Glykoproteine (Proteine, die kovalent mit Kohlenhydraten (Glykanen) verbunden sind) und Glykolipide (organische Moleküle, die aus einem Lipid- und einem Zuckeranteil bestehen und als Bausteine der Zellmembran fungieren) benötigt, die an Immunfunktionen, Gewebeaufbau und der Kommunikation zwischen Zellen beteiligt sind.
Funktionen
Galactose dient – nach ihrer Umwandlung in Glucose – als Energiequelle für nahezu alle Körperzellen. Ihre Süßkraft ist deutlich geringer als die von Glucose (Traubenzucker), Fructose (Fruchtzucker) oder Saccharose (Haushaltszucker).
Eine zentrale Rolle spielt Galactose bei der Bildung von Lactose (Milchzucker) in der Brustdrüse. Da Lactose Hauptbestandteil der Muttermilch ist, trägt Galactose wesentlich zur Energieversorgung von Säuglingen bei.
Ferner ist Galactose an der Bildung komplexer Moleküle beteiligt, die für den Körper unverzichtbar sind:
- Glykoproteine unterstützen das Immunsystem, die Blutgerinnung und die Kommunikation zwischen Zellen.
- Proteoglykane stabilisieren Gewebe, binden Wasser und tragen zur Gleitfähigkeit von Gelenken bei.
- Glykolipide, insbesondere Ganglioside, sind wichtige Bestandteile von Zellmembranen und spielen eine Rolle bei Wachstum, Signalübertragung und Regeneration von Nervenzellen.
Galactose wirkt somit nicht nur als Energielieferant, sondern ist auch ein Baustein für zahlreiche Zell- und Gewebestrukturen. Selbst Blutgruppenmerkmale im ABO-System (Blutgruppensystem beim Menschen) basieren teilweise auf Galactose.
Verdauung und Resorption (Aufnahme)
Galactose wird im Dünndarm sehr schnell aufgenommen. Dafür nutzt der Körper einen speziellen Transportmechanismus, der auf Natrium angewiesen ist und Energie verbraucht. Nach dem Eintritt in die Darmzellen gelangt Galactose über weitere Transportproteine in den Blutkreislauf und steht dem Körper sofort als Energiequelle und Baustoff zur Verfügung.
Dass Galactose gemeinsam mit Glucose über denselben Transportweg aufgenommen wird, erklärt auch die seltene Glucose-Galactose-Malabsorption. Bei dieser genetischen Störung können beide Zucker nicht in die Darmzellen gelangen. Sie bleiben im Darmlumen, ziehen Wasser an und führen dadurch zu starken, wässrigen Durchfällen. Eine Ernährung, die auf Fructose statt auf Glucose und Galactose basiert, kann die Beschwerden deutlich verringern.
Stoffwechsel und Regulation
Ohne Nahrungszufuhr findet sich praktisch keine freie Galactose im Blut. Nach Aufnahme gelangt Galactose insulinunabhängig in die Zellen. Da sie vor ihrem Eintritt in den Stoffwechsel zu Glucose umgewandelt wird, beeinflusst sie indirekt auch den Blutzucker- und Insulinspiegel.
Galactosesynthese
Der Körper kann Galactose selbst herstellen, auch wenn über die Ernährung keine Galactose zugeführt wird. Das ist wichtig, weil Galactose ein Baustein vieler Zellstrukturen ist und deshalb ständig in kleinen Mengen benötigt wird. Die körpereigene Bildung findet überwiegend in der Leber statt und stellt sicher, dass auch bei einer galactosearmen oder galactosefreien Ernährung alle notwendigen Funktionen aufrechterhalten bleiben.
Hereditäre Galactosämien
Galactosämien sind seltene, angeborene Störungen des Galactosestoffwechsels. Sie entstehen durch Veränderungen in den Genen für drei Enzyme, die am Abbau der Galactose beteiligt sind: GALK, GALT, GALE. Da die Erkrankungen unbehandelt schwere Verläufe nehmen können, werden alle Neugeborenen in den ersten Lebenstagen routinemäßig darauf untersucht.
Beachte: Trotz einer Diät können Probleme auftreten. Der Körper bildet jeden Tag eine kleine Menge Galactose selbst – auch dann, wenn gar keine Galactose über die Ernährung aufgenommen wird. Das erklärt, warum Menschen mit Galactosämie trotz konsequenter Diät nicht vollständig symptomfrei bleiben und langfristige Komplikationen auftreten können.
Galactosämie durch GALK-Mangel
Bei dieser seltenen Form fehlt das Enzym Galactokinase. Dadurch steigt die Galactosekonzentration im Blut, und ein Teil wird über den Urin ausgeschieden. Gleichzeitig entsteht Galactitol, das sich in der Augenlinse ansammelt und zu Katarakten (Linsentrübungen) führen kann.
Eine streng galactosefreie Ernährung verhindert diese Veränderungen in der Regel zuverlässig, und die Prognose ist meist gut.
Galactosämie durch GALT-Mangel (klassische Galactosämie)
Dies ist die häufigste und schwerste Form der Erkrankung. Durch den Enzymdefekt sammelt sich Galactose-1-Phosphat im Körper an und stört wichtige Stoffwechselwege.
Typische Beschwerden in den ersten Lebenstagen können sein:
- Hypoglykämien (Unterzuckerungen)
- Leberfunktionsstörungen
- Trinkschwäche, Erbrechen, schlechtes Allgemeinbefinden
- Nierenfunktionsstörungen
- Neurologische Auffälligkeiten
Unbehandelt kann die Erkrankung lebensbedrohlich sein. Die einzige Therapie besteht in einer lebenslangen strikt galactosefreien Ernährung.
Trotz früher Diagnose und konsequenter Behandlung können im Laufe des Lebens Langzeitfolgen auftreten, z. B.:
- Verzögertes Wachstum
- Sprach- und Lernschwierigkeiten
- Koordinationsstörungen
- Ovarialinsuffizienz (gestörte Eierstockfunktion) bei Mädchen und Frauen, die häufig Folgen für die Fruchtbarkeit hat
Galactosämie durch GALE-Mangel
Beim GALE-Mangel gibt es zwei unterschiedliche Formen:
- Periphere Form: Der Enzymmangel ist auf Blutzellen begrenzt und führt meistens zu keinen Beschwerden.
- Zentrale Form: Der Mangel betrifft viele Gewebe und verursacht Symptome, die der klassischen Galactosämie ähneln. In diesem Fall ist ebenfalls eine lebenslange galactosearme Ernährung notwendig.
Überhöhte Zufuhr
Sehr große Mengen Galactose können abführend wirken, weil der Körper überschüssige Galactose nicht vollständig aufnehmen kann. Die nicht resorbierte Galactose verbleibt dann im Darm und zieht Wasser an – ähnlich wie andere Zuckeralkohole oder schlecht verdauliche Zucker. Dadurch kann es zu weichem Stuhl, Blähungen oder Durchfall kommen.
Für eine normale Ernährung ist das jedoch praktisch ohne Bedeutung, da Galactose in üblichen Mengen aus Milch und Milchprodukten gut vertragen wird und nur bei extrem hoher Zufuhr Beschwerden auftreten.
Mangel
Ein echter Galactosemangel ist praktisch nicht möglich, weil der Körper Galactose jederzeit selbst aus Glucose herstellen kann. Dadurch steht dieser Zucker auch dann zur Verfügung, wenn wenig oder keine Galactose über die Ernährung aufgenommen wird.
Selbst bei sehr einseitiger Ernährung oder längeren Fastenzeiten kommt es daher nicht zu einem Mangel an Galactose. Wichtig ist lediglich, dass der allgemeine Energie- und Kohlenhydratbedarf gedeckt ist – der Körper kann daraus problemlos genügend Galactose für seine Funktionen bilden.
Vorkommen
Die Hauptquelle von Galactose ist die in Milch und Milchprodukten vorkommende Lactose. Kuhmilch enthält etwa 4,6 % Lactose, was rund 23 g Galactose pro Liter entspricht.
Weitere geringe Quellen sind bestimmte Früchte, Hülsenfrüchte und Gemüse, in denen Galactose Bestandteil von Oligo- und Polysacchariden ist.
Zufuhr-Empfehlungen
Konkrete Empfehlungen existieren nicht, da keine Aufnahme über die Nahrung nötig ist. In Industrieländern beträgt die geschätzte Aufnahme 3-14 g pro Tag.
Literatur
- Elmadfa I, Muskat E (Hrsg.): Ernährung des Menschen. 5. Auflage. Berlin: Springer; 2020.
- Forges T, Monnier-Barbarino P, Leheup B, Jouvet P: Pathophysiology of impaired ovarian function in galactosaemia. Hum Reprod Update. 2006;12(5):573-584.
- Löffler G, Petrides PE, Heinrich PC. Biochemie & Pathobiochemie. 8. Auflage. Heidelberg: Springer Medizin Verlag; 2007.