Lactose: Grundlagen, Bedeutung und Intoleranz
Lactose – auch Milchzucker genannt – ist ein Disaccharid (Zweifachzucker), das aus den Monosacchariden (Einfachzuckern) Galactose und Glucose besteht. Lactose besitzt eine deutlich geringere Süßkraft als Saccharose (Haushaltszucker) und Fructose (Fruchtzucker).
Funktionen
Lactose ist für Säuglinge das wichtigste Kohlenhydrat und liefert einen großen Teil der Energie in den ersten Lebensmonaten. Da sie im Dünndarm nur langsam resorbiert (aufgenommen) wird, gelangt ein Teil der Lactose in tiefere Darmabschnitte. Dort wird sie von Bakterien zu Milchsäure abgebaut.
Milchsäure:
- senkt den pH-Wert im Darm,
- fördert das Wachstum von Bifidobakterien,
- hemmt Fäulniskeime und pathogene (krank machende) Bakterien,
- unterstützt die Entwicklung einer gesunden Darmflora und Immunfunktion.
Zudem kann ein saures Darmmilieu die Calciumaufnahme verbessern, wie mehrere Untersuchungen nahelegen.
In fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt, Kefir, Dickmilch, Buttermilch, Quark, Skyr und lang gereiften Käsesorten dient Lactose den Milchsäurebakterien als Energiequelle. Die gebildete Milchsäure ist verantwortlich für Geschmack, Geruch und deren Haltbarkeit.
Des Weiteren findet die kostengünstige Lactose aufgrund einiger wertvoller lebensmitteltechnologischer Eigenschaften immer mehr Verwendung in der Lebensmittelproduktion. Das hohe Wasserbindungsvermögen der Lactose ermöglicht z. B. eine höhere Festigkeit (Joghurt) oder ein größeres Volumen und Gewicht bei nahezu gleicher Kalorienmenge (fettreduzierte Wurstwaren). Bei der Herstellung von Backwaren ist Lactose für die Bräunung (Karamellisierung) von Bedeutung.
Verdauung und Resorption
Damit Lactose vom Körper aufgenommen werden kann, muss sie im Dünndarm durch das Enzym Lactase in die beiden Monosaccharide Glucose und Galactose zerlegt werden. Im Vergleich zu anderen Disaccharidasen (Enzymen, die Zweifachzucker spalten) arbeitet Lactase jedoch langsamer. Dadurch wird Lactose nur allmählich gespalten und resorbiert, sodass ein Teil der Lactose in tiefere Darmabschnitte gelangt. Dort wird sie von Bakterien insbesondere zu Milchsäure abgebaut.
Die entstehenden Monosaccharide werden im Dünndarm aktiv in die Darmzellen transportiert.
Bei übermäßig hoher Lactosezufuhr können durch die bakterielle Fermentation vermehrt Gase und Säuren entstehen, die Beschwerden wie Blähungen oder Durchfall auslösen.
Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit)
Die Lactoseintoleranz ist die häufigste Nahrungsmittelintoleranz – in Deutschland sind etwa 15 %, weltweit bis zu 90 % der Bevölkerung betroffen. Ursache ist ein Mangel oder eine verminderte Aktivität des Enzyms Lactase.
Folgende Formen der Lactoseintoleranz werden unterschieden:
- Hereditärer Lactasemangel (selten, angeboren)
- Primärer Lactasemangel – häufigste Form, genetisch bedingt, nimmt mit dem Alter zu
- Sekundärer Lactasemangel – durch Darmerkrankungen erworben
Die Folge des Lactasemangels ist eine unzureichende Spaltung und Resorption (Aufnahme) der Lactose im Dünndarm, sodass diese in tiefere Darmabschnitte gelangt und dort bakteriell zu Säuren und Gasen abgebaut wird. Das führt zu typischen Beschwerden wie Diarrhoe (Durchfälle), Bauchschmerzen und Blähungen.
Ferner weisen Personen mit Lactoseintoleranz ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Osteoporose (Knochenschwund) auf, da Milch und Milchprodukte, die die Hauptquellen der Lactose darstellen, gleichzeitig wichtige Lieferanten für den Mineralstoff Calcium sind.
Zur diätetischen Behandlung der Lactoseintoleranz muss die Aufnahme von Lactose reduziert oder sogar gemieden werden. Die individuell vertragenen Mengen an Lactose sind sehr unterschiedlich und reichen von weniger als 1 g/Tag bei sehr empfindlichen Personen bis zu 8 bis 10 g/Tag. Im Rahmen einer gemischten Mahlzeit wird Lactose oft besser vertragen. Bei einer nur leicht ausgeprägten Lactoseintoleranz kann der Dickdarm durch langsame Steigerung der täglichen Lactoseaufnahme an eine höhere Zufuhr durch Anpassung der Darmflora gewöhnt werden.
Des Weiteren deuten einige klinische Untersuchungen darauf hin, dass die Gabe von Probiotika, wie Lactobacillen, die durch den Lactasemangel bedingten Symptome positiv beeinflussen kann.
Hereditärer Lactasemangel
Hierbei handelt es sich um eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung. Säuglinge entwickeln bereits nach der ersten Milch schwere Durchfälle, da Lactase bereits von Geburt an fehlt.
Primärer Lactasemangel
Der primäre Lactasemangel ist die weltweit häufigste Kohlenhydratverwertungsstörung. Die Lactaseaktivität nimmt physiologisch im Kindesalter ab. Meist bleiben 5-10 % Restaktivität erhalten.
Sekundärer Lactasemangel
Ein sekundärer Lactasemangel tritt als Begleiterscheinung bzw. als Folge verschiedener Darmerkrankungen oder Belastungen auf, z. B.:
- Zöliakie
- Morbus Crohn
- Magen-Darm-Erkrankung (viral/bakteriell)
- Bakterielle Fehlbesiedlung
- Kurzdarmsyndrom
- Dumping-Syndrom
- Gastrektomie (Magenentfernung)
- Chemo- oder Strahlentherapie
Nach Abheilung der Ursache kann sich die Lactaseaktivität wieder erholen.
Glucose-Galactose-Malabsorption
Eine sehr seltene autosomal-rezessive Erkrankung, bei der der Transport von Glucose und Galactose gestört ist, ist die Glucose-Galactose-Malabsorption. Da Lactose in Glucose und Galactose gespalten wird, führt auch sie zu schweren Durchfällen. Die Therapie besteht in einer fructosebasierten Diät, d. h., die Ernährung wird so umgestellt, dass fast ausschließlich Fructose (Fruchtzucker) als Zuckerquelle verwendet wird.
Stoffwechsel und Regulation
Nach der Spaltung gelangen Galactose und Glucose über die Pfortader in die Leber. Galactose wird in Glucose umgewandelt – ein Vorgang, der bei Galactosämien gestört ist.
Lactose wird langsamer gespalten, sodass der Blutzucker weniger schnell ansteigt als nach Aufnahme von Glucose oder Saccharose.
Lactosesynthese
Die Synthese erfolgt ausschließlich bei Stillenden in den Milchdrüsen. Hormonell wirken u. a. Östrogen, Insulin, Cortisol, Prolaktin und Progesteron zusammen, um die Lactoseproduktion zu ermöglichen.
Hereditäre Galactosämien
Genetische Defekte der Enzyme GALK, GALT oder GALE führen zu schweren Störungen im Galactose-Stoffwechsel. Neugeborene werden routinemäßig am 3. Lebenstag getestet. Die Therapie besteht in einer lebenslangen galactose- und lactosefreien Ernährung.
Überhöhte Zufuhr
Wird zu viel Lactose aufgenommen, gelangt sie vermehrt in den Dickdarm. Dort erhöhen Lactose und ihre Abbauprodukte den osmotischen Druck, was einen Wassereinstrom in das Darmlumen bewirkt und zu Durchfällen führt.
Vorkommen
Lactose ist das Hauptkohlenhydrat in Milch. Gehalte:
- Frauenmilch: ca. 7 %
- Kuhmilch: 4,8 %
- Schafsmilch: 4,7 %
- Ziegenmilch: 4,2 %
Fermentierte Milchprodukte weisen oft einen geringeren Lactosegehalt als Milch auf, da ein Teil der Lactose bereits durch die Lactobacillen zu Milchsäure abgebaut wurde. Bei Käse gilt: Je kürzer die Reifezeit ist, desto mehr Lactose ist noch enthalten.
Aufgrund günstiger lebensmitteltechnologischer Eigenschaften wird Lactose bei einem breiten Spektrum an Lebensmitteln eingesetzt. Vor allem diätetische Lebensmittel, Fertigprodukte, Wurstwaren, Dressings, Ketchup, Backwaren, Desserts, Eiscremes und Schokoladenerzeugnisse können Lactose enthalten. Ferner findet Lactose, z. B. als Füllstoff, Verwendung in pharmazeutischen Präparaten.
Zufuhr-Empfehlungen
Es gibt keine spezifische Empfehlung. Die typische Aufnahme in Industrieländern liegt bei 20-30 g/Tag.
Literatur
- Ojetti V, Gigante G, Gabrielli M et al.: The effect of oral supplementation with Lactobacillus reuteri or tilactase in lactose intolerant patients: randomized trial. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2010;14(3):163-170.
- National Institutes of Health: NIH Consensus Development Conference Statement on Lactose Intolerance and Health. NIH Consensus and State-of-the-Science Statements. Volume 27, Number 2 February 22-24, 2010.
- Heine RG et al.: Lactose intolerance and gastrointestinal cow’s milk allergy in infants and children - common misconceptions revisited. World Allergy Organ J. 2017 Dec 12;10(1):41. doi: 10.1186/s40413-017-0173-0.
- Elmadfa I, Muskat E (Hrsg.): Ernährung des Menschen. 5. Auflage. Berlin: Springer; 2020.
- Löffler G, Petrides PE, Heinrich PC. Biochemie und Pathobiochemie. 8. Auflage. Springer; 2007.