Künstlicher Darmausgang (Enterostoma)

Der Begriff Enterostoma ist der medizinische Begriff für den „künstlichen Darmausgang“. Dieser wird entweder als Anus praeter naturalis (lat.) oder als intestinales Stoma, kurz Stoma (griech.: Mund, Öffnung), bezeichnet. Die Anlage eines Enterostomas ist ein viszeralchirurgischer Eingriff (Bauchchirurgie) und häufig eine Teilmaßnahme darmchirurgischer Eingriffe, z. B. bei der Entfernung eines Karzinoms (bösartiger Tumor) im Darm. Ziel ist die Ableitung von Stuhl und Gasen, die bei der Verdauung entstehen, durch die Bauchdecke über ein Darmsegment, das chirurgisch an die Oberfläche geführt wird. Ein Enterostoma wird benötigt, wenn die physiologische Darmpassage nicht durchgängig oder nicht erhalten ist, beziehungsweise entzündlich erkrankte oder frisch operierte Darmabschnitte geschont werden müssen. Dieser Text gibt einen Überblick zu Indikationen, Kontraindikationen (Gegenanzeigen) sowie allgemein charakterisierenden Aspekten des Enterostomas. Zur operativen Anlage des künstlichen Darmausganges siehe „Enterostoma-Anlage“.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Entzündliche Dickdarmerkrankungen:
    • Colitis ulcerosa (chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED)),
    • komplizierte Divertikulitis (Entzündung der Darmdivertikel im Rahmen einer Divertikulose – als Divertikel werden kleine Aussackungen der Darmwand bezeichnet),
    • Strahlenkolitis (bei der strahlentherapeutischen Behandlung z. B. eines Karzinoms kann es zu einer Entzündung des Darmes kommen)
  • Entfernung des Schließmuskels (Sphincter ani) im Analbreich
  • Nahtinsuffizienz (Nahtschwäche) nach Anastomosierung (Zusammenführung) zweier Darmenden, z. B. nach Tumorresektion.
  • Mechanischer Dickdarmileus (Dickdarmverschluss) durch Neoplasie (Neubildung) bei:
    • Rektumkarzinom/Mastdarmkrebs (distal),
    • Analkarzinom,
    • Peritonealkarzinose (Synonyme: Carcinosis peritonei, Peritonitis carcinomatosa; flächiger Befall des Bauchfells (Peritoneums) mit bösartigen Tumorzellen) mit Obstruktion (Verengung) des Kolons (Dickdarms).
  • Postoperativ (nach der Operation) – Zur Verbesserung der Heilung betroffener Darmabschnitte.
  • Stuhlinkontinenz (Unfähigkeit Winde oder Stuhlgang willkürlich zurückzuhalten)
  • Trauma (Verletzungen) des Dickdarms z. B. bei Pfählungsverletzungen.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Bei der Therapieentscheidung für ein Enterostoma handelt es sich meist um eine alternativlose Situation. Die Anlage eines Enterostomas ist nur indiziert (angezeigt), wenn andere therapeutische Maßnahmen ausgeschöpft sind. Ist die Indikation korrekt gestellt, gelten allgemeine Kontraindikationen, die den bauchchirurgischen Eingriff betreffen.

Vor der Operation

  • Präoperative Beurteilung und Aufklärung: Eine umfassende präoperative Beurteilung ist entscheidend. Dies beinhaltet die Evaluierung des allgemeinen Gesundheitszustands des Patienten, eine gründliche Anamnese und die Aufklärung über den Eingriff, mögliche Risiken und die postoperative Lebensqualität. 
  • Bildgebende Verfahren und Diagnostik: Bildgebende Verfahren wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Ultraschall können erforderlich sein, um die genaue Lage für das Stoma zu bestimmen und um andere relevante anatomische oder pathologische Bedingungen zu identifizieren.
  • Stomamarkierung: Ein spezialisierter Stomatherapeut oder der Chirurg markiert die optimale Stelle für das Stoma auf der Bauchdecke des Patienten. Diese Markierung berücksichtigt Faktoren wie Körperbau, Gürtellinie, Falten und tägliche Aktivitäten des Patienten.
  • Ernährungsstatus: Der Ernährungsstatus des Patienten wird bewertet, da ein guter Ernährungszustand wichtig für die Wundheilung und das postoperative Ergebnis ist.
  • Medikamentenanpassungen: Die Einnahme bestimmter Medikamente, insbesondere solcher, die die Blutgerinnung beeinflussen, kann vor dem Eingriff angepasst oder unterbrochen werden müssen.
  • Darmvorbereitung: In einigen Fällen kann eine Darmvorbereitung erforderlich sein, um den Darm zu reinigen und das Infektionsrisiko zu verringern.
  • Psychologische Unterstützung: Die psychologische Vorbereitung ist ebenfalls wichtig, da die Anlage eines Stomas oft eine signifikante Lebensveränderung für den Patienten bedeutet.

Die Operationsverfahren

Ein Enterostoma kann entweder temporär (auf begrenzte Zeit) oder dauerhaft angelegt werden. Die temporäre Anlage eines künstlichen Darmausganges wird protektiv (schützend) bei operativen Eingriffen distal (weiter peripher gelegen) des geplanten Stomas angestrebt. Eine weitere temporäre Anwendung besteht bei der sogenannten notfallmäßigen Hartmann-Situation. Die Dickdarmteilresektion (Dickdarmteilentfernung) nach Hartmann wird zur Entfernung des tiefen Sigmas (endständiger Teil des Dickdarms) sowie des Rektums (Enddarm) bei Krankheitsprozessen in diesem Bereich vorgenommen. Dabei wird das Rektum blind verschlossen und ein Sigmoidostoma (Stoma im Bereich des Krummdarms) angelegt. Bei einer akuten sogenannten Sigmadivertikulitis (Entzündung des Krummdarms) kann diese Operation notfallmäßig durchgeführt und im weiteren Verlauf das Stoma wieder rückverlagert werden (d. h. die Verbindung zwischen Sigmoid und Rektum wird operativ wiederhergestellt). In der Regel kann ein temporärer Anus praeter nach 6 Wochen bis 6 Monaten rückverlagert werden. Dauerhaft wird die Anlage eines Anus praeters, wenn die Durchgängigkeit der Darmpassage nicht wiederhergestellt werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall bei ausgedehnten tumorösen Geschehen sein, wenn eine Anastomosierung der Darmenden nicht möglich ist.

Eine weitere Unterscheidung verschiedener Enterostomata ist nach Ort der Anlage zu treffen. Folgende Stomata werden hier unterschieden:

  • Ileostoma (Ausleitung vom Ileum/Krumm- oder Hüftdarm))
  • Kolostoma (Ausleitung vom Kolon/Dickdarm) – endständig oder doppelläufig

Sonderformen des Kolostomas:

  • Transversostoma (künstlichen Darmausgang (Anus praeter) des Querkolons (Colon transversum)) – linksseitig oder rechtsseitig
  • Sigmoideostoma (Ausleitung vom Sigmoid/Sigmaschlinge, Sigmadarm oder Sigmoid genannt, ist der vierte und letzte Teil des menschlichen Dickdarms)
  • Zäkostoma

Ein sogenanntes Ileostoma wird im Bereich des Ileums angelegt, während ein Kolostoma sich im Bereich des Dickdarms befindet. Hier kann es sich im Colon ascendens (aufsteigender Dickdarm), im Colon transversum (querverlaufender Dickdarm; Transversostoma) oder im Colon descendens (absteigender Dickdarm) befinden.

Das Kolostoma gibt es in zwei Varianten: Ein doppelläufiges Kolostoma besitzt einen zuleitenden und einen ableitenden Schenkel einer Darmschlinge, die zur Bauchdecke geführt werden, während ein endständiges Kolostoma, das bei der Entfernung des Rektums und des Analkanals inklusive Sphinkter (Schließmuskel), angelegt wird, nur einen Schenkel besitzt. Ist das Rektum erhalten, kann dieser Anus praeter prinzipiell zurückverlagert werden (siehe oben: Hartmann-Situation).

Nach der Operation

Nach der operativen Anlage eines Enterostomas ist die sorgfältige postoperative Betreuung entscheidend für eine erfolgreiche Erholung und Anpassung an das Leben mit einem Stoma.

  • Überwachung und Schmerzmanagement: Unmittelbar nach der Operation erfolgt eine sorgfältige Überwachung der Vitalzeichen und des Schmerzniveaus des Patienten. Schmerzmedikation wird nach Bedarf verabreicht.
  • Stomapflege: Die Pflege des neuen Stomas beginnt direkt nach der Operation. Ein Stomatherapeut oder das Pflegepersonal weist den Patienten und gegebenenfalls Familienangehörige in die korrekte Pflege und Handhabung des Stomas ein.
  • Ernährung: Die Ernährung wird schrittweise aufgebaut, beginnend mit flüssiger Kost und fortschreitend zu einer normaleren Diät, abhängig von der Toleranz des Patienten.
  • Frühmobilisation: Frühe Mobilisation wird gefördert, um Komplikationen wie Thrombose zu vermeiden und die Darmfunktion zu unterstützen.
  • Beobachtung von Komplikationen: Auf Anzeichen von Komplikationen wie Infektionen, Blutungen oder Problemen mit dem Stoma wird geachtet.
  • Emotionale Unterstützung: Psychologische Unterstützung und Beratung können Teil des Heilungsprozesses sein, um dem Patienten bei der Anpassung an sein neues Leben mit einem Stoma zu helfen.
  • Nachsorge und Anleitung: Regelmäßige Nachsorge und Anleitung zur Stomaversorgung sind wichtig, um sicherzustellen, dass der Patient das Stoma selbstständig versorgen kann und um langfristige Komplikationen zu vermeiden.

Durch eine umfassende prä- und postoperative Betreuung können Patienten erfolgreich an das Leben mit einem Enterostoma angepasst werden und eine gute Lebensqualität erhalten oder wiedererlangen.

Mögliche Komplikationen

  • s. u. Enterostoma-Anlage (Anlage eines künstlichen Darmausgangs)

Literatur

  1. Weise K, Hirner A: Chirurgie. Georg Thieme Verlag 2008
  2. Reutter et al.:  Chirurgie essentials: Intensivkurs zur Weiterbildung. Georg Thieme Verlag 2004
  3. Schumpelick V: Operationsatlas Chirurgie. Georg Thieme Verlag 2009
  4. Largiadèr F et al.: Checkliste Chirurgie. Georg Thieme Verlag 2012
  5. Bleese N et al.: Kurzlehrbuch Chirurgie. Georg Thieme Verlag 2010