Medikamentöse Therapie
Latente Schilddrüsenunterfunktion (latente Hypothyreose)

Therapieziele

Euthyreote Stoffwechsellage mit Symptomfreiheit (in Abhängigkeit vom Alter des Patienten)

Wichtiger Hinweis!
Der Übergang von einer latenten in eine manifeste Hypothyreose hängt im Wesentlichen vom Vorhandensein von Autoantikörpern gegen die Schilddrüsen-Peroxidase (TPO-Ak) und der Höhe des Antikörper-Titers ab: Je höher der Antikörper-Titer, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit des Übergangs in eine manifeste Hypothyreose (2,6 %/Jahr bei negativem Test vs. 4,3 %/Jahr bei positivem Test [9]).

Studien weisen auf eine unzureichende Selenversorgung als Risikofaktor für die Manifestation einer Hashimoto-Thyreoiditis hin. Es konnte zudem nachgewiesen werden, dass durch die Verbesserung der Selenzufuhr der Verlauf der Erkrankung günstig beeinflusst werden kann. Eine tägliche Einnahme von 200 µg Selen führt nach 3 Monaten zu einer Senkung der TPO-Antikörper (= Kennzeichen der Krankheitsaktivität) um ca. 36 % [1, 2].  

Therapieempfehlungen

Bei Patienten mit latenter Hypothyreose und nicht erhöhten oder nur leicht erhöhten TPO-Ak (Thyreoperoxidase-Antikörper) ist eine abwartende Haltung und eine Kontrolle in vierteljährlichen Abständen gerechtfertigt.

Eine medikamentöse Therapie der subklinischen Hypothyreose (mit L-Thyroxin zwischen 50 und 100 µg pro Tag) ist in den folgenden Fällen angezeigt:

  • Bei einem TSH-Serumspiegel von < 10 mU/l (European Thyroid Association (ETA), [3]) und
    • Patienten < 70 Jahre; Patient zeigt Symptome einer Hypothyreose [7, 8] – Versuch mit L-Thyroxin über drei Monate
    • Patienten > 80 Jahre – hier ist eine abwartende Strategie zu erwägen
  • Bei einem TSH-Serumspiegel von > 10 mU/l [3] und
    • Patienten < 70 Jahre mit oder ohne Symptome – Therapie empfohlen [3, 7, 8]
    • Patienten > 70 Jahre mit deutlichen Hypothyreose-Symptomen oder hohem KHK-Risiko [8] – hier wird eine Therapie beschränkt empfohlen
  • Bei einem TSH-Serumspiegel von > 5 mU/l und hohen Titern von TPO-Ak – Behandlung mit dem Ziel der Verhinderung einer manifesten Hypothyreose (Kontroverses dazu siehe unter "Weitere Hinweise")
  • Diffuse Struma
  • Kinderwunsch (prim. bzw. sek. Sterilität) (ASRM) [6];
    • TSH > 4 µIU/ml: Therapie mit L-Thyroxin (Levothyroxin) (Ziel: TSH < 2,5 µIU/ml zu halten) [Grad B]
    • TSH 2,5- 4 µIU/ml: abwarten; erst behandeln, sobald TSH > 4 µIU/ml (Ziel: TSH < 2,5 µIU/ml zu halten) [Grad B]
    • 1. Trimenon (Schwangerschaftstrimester) TSH > 2,5 µIU/ml behandeln [Grad B]
    Es wird keine Empfehlung für eine routinemäßige Suche nach Schilddrüsenantikörpern ausgesprochen. Sie kann erwogen werden, wenn die TSH-Werte wiederholt > 2,5 µIU/ml oder andere Risikofaktoren für Schilddrüsenerkrankungen vorliegen. [Grad C]
    Bei Vorliegen von Thyreoperoxidase-Antikörpern ist der TSH-Spiegel zu überprüfen: TSH > 2,5 µIU/ml → Therapie erwägen [Grad C]
  • Gravidität
  • Nach einer Thyreoidektomie
  • Nach einer Radiojodtherapie
  • Nach Strahlentherapie (Radiotherapie, Radiatio) der Halsregion
  • Schilddrüsenvolumen < 5 ml
  • Diabetes mellitus als Begleiterkrankung

Eine medikamentöse Therapie der latenten Hypothyreose kann in folgenden Fällen indiziert sein:

  • Neugeborene
  • Kinder
  • Jugendliche
  • Zyklusstörungen (Oligomenorrhoe/Regeltempostörung: Intervall zwischen den Blutungen ist > 35 Tage und 90 Tage bis Amenorrhoe/> 90 Tage) wegen Hyperprolaktinämie (erhöhte Prolaktin-Serumspiegel): diese führen bei der Frau zur Follikelreifungsstörungen (Eizellreifungsstörungen) bis hin zur Anovulation (Ausbleiben des Eisprungs) mit verlängerten Zyklen (Oligo-Amenorrhoe). Dieses geht im Regelfall mit Störung der zweiten Zyklusphase (Corpus luteum-Insuffizienz/Gelbkörperschwäche) einher – infolgedessen kommt es zu Fertilitätsstörungen (Störungen der Fruchtbarkeit)
  • Libidostörungen des Mannes wegen Hyperprolaktinämie
  • Hypercholesterinämie (zu hohe Cholesterinspiegel im Blut)
  • Depressionen

Weitere Hinweise

  • In einer größeren randomisierten kontrollierten Studie (TRUST-Studie) hat bei Senioren (> 65 Jahre) mit subklinischer Hypothyreose eine L-Thyroxin-Substitution die Symptome nicht verbessert. Des Weiteren war kein Einfluss auf den Blutdruck oder das Körpergewicht nachweisbar [12].
    In einer Studie wurde die Gruppe der Patienten mit starken Beschwerden (ca. ein Fünftel der Studienteilnehmer der Trust-Studie) untersucht: Weder konnte der Beschwerdescore signifikant verbessert werden noch hatte die Hormonsubstitution einen Nutzen in punkto Lebensqualität [14].
  • Beachte: Erhöhte TSH-Werte bei normalem fT4 und gleichzeitig erhöhter Titer der Anti-Thyroid-Peroxidase-Antikörper (anti-TPO): Die Auswertung zweier randomisierter kontrollierter Studien ergab, dass Patienten im Alter von mindestens 65 Jahren mit persistierender subklinischer Hypothyreose mit positivem Antikörperstatus nicht von einer Therapie mit Levothyroxin profitierten [15].
  • Gemäß einer Studie kann Frauen mit Thyreoperoxidase-Antikörpern im Blut mit einer Behandlung mit L-Thyroxin nicht häufiger zur erfolgreichen Geburt eines Kindes verholfen werden [13].

Hinweise zur Einnahme von L-Thyroxin:

  • Tabletten morgens nüchtern einnehmen (mind. 30 min. vor dem Frühstück); bei Einnahme abends empfiehlt sich ein Abstand zum letzten Essen von wenigstens 2 Stunden (die abendliche Einnahme ist die bessere Variante für die Resorption)
  • Niedrige Startdosis (25-50 μg/d) und langsame Steigerung (25-50 μg/d); bei alten Patienten und kardial vorgeschädigten Patienten („start low, go slow“), d. h. mit 25 % der geplanten Dosis [10]
  • Dosissteigerung (in 2- bis 4-wöchigen Abständen); bei alten Patienten und kardial vorgeschädigten Patienten schrittweise Steigerung in 6- bis 8-wöchigen Abständen [10] – bis klinisch und labordiagnostisch die optimale Dosis erreicht ist

TSH-Kontrolluntersuchung frühestens 6 Wochen nach Ersteinstellung. Wenn ein TSH-Steady state erreicht ist, können die Kontrollintervalle verlängert werden (alle 6-12 Monate).
Als Therapieziel gilt eine Senkung des TSH-Werts auf 0,4-2,5 mU/l, bei Patienten über 70 Jahren auf 1-5 mU/l [8]

Hypothyreose/subklinische Hypothyreose und Diabetes mellitus Typ 2

Einer Langzeitstudie zufolge hatten Typ-2-Diabetiker, die wegen einer Hypothyreose mit L-Thyroxin behandelt wurden, häufiger supprimierte TSH-Werte. Diese Assoziation wurde bei Patienten mit normaler Schilddrüsenfunktion nicht gesehen [5].

Hypothyreose/subklinische Hypothyreose und Schwangerschaft

Therapieempfehlungen

  • Der TSH-Schwellenwert für eine Intervention liegt – in Anlehnung an die Internationalen Leitlinien der Endocrine Society – im ersten Trimenon bei 2,5 mIU/l und im 2. und 3. Trimenon bei 3 mIU/l [4]
  • Eine klinische Hypothyreose liegt bei einem TSH-Wert > 10 mIU/l unabhängig von der Konzentration an freiem T4 sowie bei erhöhten TSH-Werten in Verbindung mit einem T4-Wert < 9,7 pmol/l ( 7,5 μg/l) vor.
  • Eine latente Hypothyreose während der Schwangerschaft (im Mittel nach der 16,7 Schwangerschaftswoche diagnostiziert , d. h. erhöhter TSH-Wert (> 3mU/l) mit normalem T4-Wert, führte eine Therapie mit Levothyroxin nicht zu einem signifikanten IQ-Unterschied im Vergleich zur Placebo-Gruppe [1]:
    Dieses Ergebnis liegt möglicherweise am relativ späten Behandlungsbeginn. Das wesentliche Argument für eine frühe Behandlung ist: Die Embryonen sind in den ersten Wochen (bis zur Anlage einer eigenen Schilddrüse) vollständig auf die mütterlichen Schilddrüsenhormone angewiesen.

Literatur

  1. Gärtner R, Gasnier BC: Selenium in the treatment of autoimmune thyroiditis. Biofactors 2003;19 (3-4), 165-170
  2. Gärtner R, Gasnier BC, Dietrich JW, Krebs B, Angstwurm MW: Selenium supplementation in patients with autoimmune thyroiditis decreases thyroid peroxidase antibodies concentrations.J Clin Endocrinol Metab. 2002 Apr;87(4):1687-91.
  3. 2013 ETA Guideline: Management of Subclinical Hypothyroidism. Eur Thyroid J 2013;2:215-228 doi:10.1159/000356507
  4. Leslie De Groot L et al.: Management of Thyroid Dysfunction during Pregnancy and Postpartum: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. doi: http://dx.doi.org/10.1210/jc.2011-2803
  5. Fournier JP et al.: Metformin and low levels of thyroid-stimulating hormone in patients with type 2 diabetes mellitus. CMAJ 2014. doi:10.1503 /cmaj.140688
  6. Practice Committee of the American Society for Reproductive Medicine. Subclinical hypothyroidism in the infertile female population: a guideline. Fertil Steril 2015, online 31. Juli; doi: 10.1016/j.fertnstert.2015.05.028
  7. Fatourechi V. Subclinical hypothyroidism: an update for primary care physicians. Mayo Clin Proc 2009; 84: 65-71
  8. Pearce SH, Brabant G, Duntas LH et al. 2013 ETA Guideline: Management of Subclinical Hypothyroidism. Eur Thyroid J 2013; 2: 215-228
  9. Huber G, Staub JJ, Meier C et al.: Prospective study of the spontaneous course of subclinical hypothyroidism: prognostic value of thyrotropin, thyroid reserve, and thyroid antibodies. J Clin Endocrinol Metab 2002; 87: 3221-3226
  10. Crowley WF et al.: Noninvasive evaluation of cardiac function in hypothyroidism. Response to gradual thyroxine replacement. N Engl J Med 1977;296:1-6.
  11. Casey BM et al.: Treatment of Subclinical Hypothyroidism or Hypothyroxinemia in Pregnancy. N Engl J Med 2017; 376:815-825 March 2, 2017 doi: 10.1056/NEJMoa1606205
  12. Stott DJ et al.: Thyroid Hormone Therapy for Older Adults with Subclinical Hypothyroidism. April 3, 2017, at NEJM doi: 10.1056/NEJMoa1603825
  13. Dhillon-Smith RK et al.: Levothyroxine in Women with Thyroid Peroxidase Antibodies before Conception. New Engl J Med March 23, 2019 doi: 10.1056/NEJMoa1812537
  14. de Montmollin M et al.: L-Thyroxine Therapy for Older Adults With Subclinical Hypothyroidism and Hypothyroid Symptoms: Secondary Analysis of a Randomized Trial. Ann Intern Med. 2020. doi: 10.7326/M19-3193
  15. Lyko C et al.: Thyroid antibodies and levothyroxine effects in subclinical hypothyroidism: A pooled analysis of two randomized controlled trials Journal of Internal Medicine First published: 27 July 2022 https://doi.org/10.1111/joim.13544

     
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