Medikamentöse Therapie
Morbus Crohn

Therapieziele

  • Remissionsinduktion (im akuten Schub eine Krankheitsberuhigung erreichen) und -erhaltung
  • Es sollte eine mukosale/transmurale Heilung angestrebt werden.
    Hinweis: Die transmurale ("alle Schichten einer Organwand betreffend") Heilung wird durch Computertomographie (CT), Kernspintomographie (MRT) oder intestinalen Ultraschall erfasst.

Therapieempfehlungen

Beachte: Top-down-Therapie mit Infliximab plus Immunmodulator, d. h. gleich nach der Diagnose eines aktiven Morbus Crohn, mit einer maximalen Therapie zu beginnen, erhöht die Chance auf anhaltende Remission während des ersten Jahres [11]. Die Top-down-Therapie könnte ein möglicher Therapiestandard werden.
Aktuell ist gemäß der europäischen Leitlinie zum Morbus Crohn die Step-up-Therapie der Standard.

Treat-to-Target-Steuerung der Therapie (d. h., dass sich die Therapie auch an objektiven Parametern wie Entzündungswerten im Blut oder den in einer Koloskopie darstellbaren Entzündungszustand der Darmschleimhaut ausrichtet); nachfolgend Therapieempfehlung in Abhängigkeit von Phase und Intensität; [S3-Leitlinie]:

  • Remissionsinduktion:
    • Akuter Schub
      • M. Crohn mit Befall der Ileozökalregion (Ileozäkalklappe: funktioneller Verschluss zwischen Dick- und Dünndarm) und/oder rechtsseitigen Kolon (Dickdarm und
        • leichter Entzündungsaktivität: initial Budesonid (Glucocorticoide; topische Steroide/örtliche Anwendung) per os und/oder Klysma Budesonid gegeben werden; bei Kontraindikationen (Gegenanzeigen) gegen Steroide oder Patientenwunsch kann auch eine Therapie mit Mesalazin/5-ASA (antiinflammatorisches/an die entzündliches Darmtherapeutikum)
        • mäßiger Entzündungsaktivität: initial mit Budesonid oder systemisch wirkenden Glucocorticoiden
          Bei Kindern: Budesonid anstatt systemisch wirksamer Glucocorticoide
        • hoher Entzündungsaktivität: initial mit systemisch wirkenden Glucocorticoiden
      • M. Crohn:
        • mit leichter bis mäßiger Aktivität: Therapieversuch mit Sulfasalazin (Mesalazin ist der wirksame Metabolit des Sulfasalazin) oder systemisch wirksamen Glucocorticoiden
          Bei Kindern mit aktivem Crohn:
          • Mesalazin nicht zur Remissionsinduktion (im akuten Schub eine Krankheitsberuhigung erreichen); bei Wachstumsverzögerung, umschriebenem Befall oder anhaltender Krankheitsaktivität ist eine elektive Operation frühzeitig zu erwägen
          • Bei Kindern und Jugendlichen soll zur Remissionsinduktion des M. Crohn eine enterale Ernährungstherapie statt einer Therapie mit Glucocorticoiden durchgeführt werden
        • hoher Krankheitsaktivität: initial systemische Glucocorticoide
          Bei Kindern mit mittelschweren oder schwerem M. Crohn: frühzeitige immunsuppressive Therapie
        • bei distalem Befall: begleitend Suppositorien, Klysmen oder Schäume (5-ASA, Steroide)
      • Ausgedehnter Dünndarmbefall
        • initial systemische Glucocorticoide
        • und drohender Mangelernährung: zusätzliche enterale Ernährungstherapie (frühzeitig in Betracht ziehen)
      • Befall des Ösophagus und Magens
        • primär systemisch wirkende Glucocorticoide
        • bei gastroduodenalem Befall: primär systemisch wirkende Glucocorticoide in Kombination mit Protonenpumpeninhibitoren (Säureblocker)
    • Therapieeskalation
      • Vor der Einleitung einer immunsuppressiven Therapie oder weiterer Therapieeskalation soll eine chirurgische Intervention als Alternative geprüft werden
      • Steroidrefraktäre M. Crohn (Nichtansprechen auf Steroide/Glucocorticoide) mit mittlerer bis hoher Krankheitsaktivität: Anti-TNF-α-Antikörpern mit oder ohne Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin
    • Versagen einer Therapie mit Immunsuppressiva
      • Versagen einer Therapie mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin, Methotrexat oder Anti-TNF-α-Antikörpern: Reevaluierung der Erkrankungsaktivität, ein Ausschluss von anderen Ursachen einer klinischen Verschlechterung (CMV-, Clostridien- oder andere bakterielle Infektionen, Diagnosesicherheit), Therapieadhärenz (Therapieeinhaltung) sowie eine Diskussion chirurgischer Therapieoptionen erfolgen. (IV, ↑, starker Konsens)
        Bei Bestätigung eines aktiven M. Crohn sollte die laufende Therapie optimiert werden (Dosis, Dosierungsintervalle) bevor eine Umstellung der Therapie erfolgt.
  • Remissionserhaltung bzw. Rezidivprophylaxe (prinzipiell gelten für Kinder und Jugendliche die gleichen Therapieprinzipien wie für Erwachsene):
    • Systemische Glucocorticosteroide und Budesonid sollen nicht zur Rezidivprophylaxe langfristig eingesetzt werden!
    • Vor der Einleitung einer immunsuppressiven Therapie oder weiterer Therapieeskalation soll eine chirurgische Intervention als Alternative geprüft werden.
    • Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin, Methotrexat und die Anti-TNF-α-Antikörper (bei besonderer Risikokonstellation) sind zur remissionserhaltenden Therapie geeignet.
      Bei Kindern und Jugendlichen kann die Ernährungstherapie zur Remissionserhaltung genutzt werden.
    • Bei einem steroidabhängigen Verlauf sollte unter der Berücksichtigung des Risikoprofils eine Therapie mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin, Methotrexat oder einem Anti-TNF-α-Antikörper, bei Notwendigkeit auch in Kombination (I) durchgeführt werden.
    • Vedolizumab (TNFα-Blocker): Ansprechrate nach sechs Wochen lag bei 47,1 Prozent verglichen mit 25,5 Prozent bei Placebo [1].
    • Ein Cochrane-Review bestätigt, dass Vedolizumab die Remission der Erkrankung wirksam einleitet und aufrechterhält [10].
    • Ggf. Ustekinumab (monoklonaler Antikörper, der die Interleukine IL-12 und -23 als Ziel hat) bei mittelschwerem bis schwerem aktiven M. Crohn; bei Patienten, die unzureichend oder nicht mehr auf konventionelle oder Anti-TNF-α-Therapien angesprochen haben, diese nicht vertragen haben oder bei denen diese kontraindiziert sind.
      • Die erste Head-to-Head-Vergleichsstudie mit Biologika bei Patienten mit moderatem bis schwerem Morbus Crohn lieferte keinen Beleg für die Überlegenheit von Ustekinumab über Adalimumab [9].
    • Die remissionserhaltende Therapie sollte langfristig durchgeführt werden. (II, ↑, starker Konsens). Eine generelle Empfehlung zur notwendigen Dauer einer remissionserhaltenden Therapie mit Azathioprin bzw. 6-Mer-captopurin, Methotrexat oder Anti-TNF-α-Antikörpern kann nicht gegeben werden. (IV, ↔, starker Konsens).
    • Ggf. auch Zufuhr von Probiotika (Supplemente mit probiotischen Kulturen)
  • Postoperative Remissionserhaltung
    • Postoperativ kann eine remissionserhaltende Therapie unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitsverlaufes und des Risikoprofils eingeleitet werden. (I, ↑, starker Konsens)
    • Ein Abwarten ohne postoperative remissionserhaltende Therapie mit einer endoskopischen Evaluation nach 6 Monaten kann eine Option sein. (II, ↑ , starker Konsens)
    • Mesalazin kann in der postoperativen Remissionserhaltung eingesetzt werden. (I, ↑, Konsens)
    • Bei Patienten mit einem komplizierten Verlauf sollte postoperativ eine Therapie mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin durchgeführt werden. (II, ↑ , starker Konsens)

Weitere Hinweise

  • Eine systematische Übersichtsarbeit mit Netzwerk-Metaanalyse konnte nachweisen, dass Budesonid (9 mg/d oder höher) zur Induktion der Remission bei aktivem leichten oder mittelschweren Morbus Crohn und für die Remissionserhaltung bzw. Rezidivprophylaxe (6 mg /d) die Behandlung der ersten Wahl sind [2].
  • In einer Metaanalyse von fünf randomisierten kontrollierten Studien (147 Kindern mit M. Crohn) zeigte sich eine Ernährungstherapie der Behandlung mit Glucocortikoiden als gleichwertig [5]. Der Effekt war unabhängig davon gewesen, ob eine Elementar-, Semielementar- oder polymere Diät verwendet worden ist [6].
    Eine weitere Studie mit Ernährungstherapie ergab eine Remission bei [7]:
    • rein ilealem M. Crohn: 93 %
    • Ileocolitis: 82,1 %
  • Im Krankheitsschub kann auch in der Schwangerschaft die Gabe von Glucocorticoiden notwendig werden. Das Risiko für das Kind stufen Experten bei Prednison als niedrig ein.
  • Eine langfristige systemische Steroidtherapie soll vermieden werden. (I, ↓↓, starker Konsens) [3]
  • Nach Absetzen  einer TNTα-Blocker-Therapie (elektiv oder wg. UAW oder wg. top-down-Strategie) betrug die Inzidenzrate für ein Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung) 19 % pro Patientenjahr. Die mediane Zeit bis zum Rezidiv nach Absetzen der Therapie lag bei elf Monaten. Nach Rezidiv konnte durch erneute Behandlung mit demselben TNF-α-Blocker in 69-79 % eine klinische Remission erzielt werden (Infliximab: 79 %; Adalimumab: 69 %) [8].

Hinweise zu extraintestinalen Manifestation (Erkrankungen außerhalb des Darms) [3]

  • Eine langfristige systemische Steroidtherapie soll vermieden werden. (I, ↓↓, starker Konsens)
  • Pubertätsentwicklungsverzögerungen sollten bei heranwachsenden M.-Crohn-Patienten nicht mit wachstumsfördernden Hormonen behandelt werden.
  • Anämie/Blutarmut (Eisen- und B12-Mangel; Eisenmangelanämie: schwangere Frauen ≤ 11 g/dl, nicht schwangere Frauen ≤ 12 g/dl, Männer ≤ 13 g/dl); häufigste Manifestation bei Morbus Crohn)
    Eisenmangelanämie (Hämoglobin ≥ 10 g/dl):
    • orale Eisensubstitution; bei Unverträglichkeit oder nicht Ansprechen auf die orale Substitution bzw. bei schwerer Anämie (Hämoglobin < 10 /dl / 6,3mmol/l) intravenöse Gabe von Eisen.
    • Eine Vitamin-B 12-Substitution soll bei nachgewiesener Vitamin-B 12-Mangelanämie parenteral erfolgen.
  • Bei peripheren Arthritiden (Gelenkentzündungen) sollte primär Sulfasalazin eingesetzt werden. (II, ↑, starker Konsens) [3]
  • Schwere, therapierefraktäre Polyarthritiden (Entzündung von fünf oder mehr Gelenken) und die schwere therapierefraktäre Spondylarthropathie (Spondylitis ankylosans) sollten mit Anti-TNF-α-Antikörpern behandelt werden. (II, ↑, Konsens) [3]
  • Selektive COX-2-Hemmer können bei einem entzündlichen Wirbelsäulenschmerz und/oder bei therapierefraktären peripheren Gelenkschmerzen eingesetzt werden. (I, ↑, Konsens)
  • Bei Erythema nodosum (s. u. "Symptome – Beschwerden") und Pyoderma gangraenosum (schmerzhafte Erkrankung der Haut, bei der es großflächig, in der Regel an einer Stelle, zu einer Ulzeration oder Ulkus (Geschwürbildung oder Geschwür) und zu einem Gangrän (Gewebsuntergang aufgrund einer Minderdurchblutung oder sonstiger Schädigung) kommt) sollte eine hoch dosierte systemische Steroidtherapie erfolgen. (IV, ↑ , starker Konsens)
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Darmgesundheit sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, K, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Calcium, Chlorid, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphor)
  • Spurenelemente (Chrom, Eisen, Fluorid, Jod, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) – antiinflammatorischer Effekt; Omega-6-Fettsäuren: Linolsäure)
  • Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien; Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesium-, Kalium- und Calciumcitrat))

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Feagan BD et al.: Vedolizumab as Induction and Maintenance Therapy for Ulcerative Colitis. New England Journal of Medicine 2013, 369:699-710
  2. Moja L et al.: Systematic review with network meta-analysis: comparative efficacy and safety of budesonide and mesalazine (mesalamine) for Crohn's disease. Aliment Pharmacol Ther. 2015 Apr 13. doi: 10.1111/apt.13190
  3. S3-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn. (AWMF-Registernummer: 021-004), August 2021 Langfassung
  4. Andersen NN et al.: Association between tumour necrosis factor-α inhibitors and risk of serious infections in people with inflammatory bowel disease: nationwide Danish cohort study. BMJ 2015;350:h2809
  5. Preiß JC et al.: Updated German clinicla guideline on "Diagnosis and treatment of Crohn's disease". Z Gastroenterol 2014; 52: 1431-1484
  6. Heuschkel RB et al.: Enteral nutrition and corticosteroids in the treatment of acute Crohn's disease in children. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2000 Jul;31(1):8-15.
  7. Afzal NA et al.: Colonic Crohn's disease in children does not respond well to treatment with enteral nutrition if the ileum is not involved. Dig Dis Sci. 2005 Aug;50(8):1471-5.
  8. Casanova MJ et al.: Evolution After Anti-TNF Discontinuation in Patients With Inflammatory Bowel Disease: A Multicenter Long-Term Follow-Up Study. The American Journal of Gastroenterology 112, 120-131 (January 2017) | doi:10.1038/ajg.2016.569
  9. Irving PM et al.: Ustekinumab Versus Adalimumab for Induction and Maintenance Therapy in Moderate-to-Severe Crohn´s Disease: The SEAVUE Study. Journal of Crohn's and Colitis 2021;15(1):S001-S002 https://doi.org/10.1093/ecco-jcc/jjab075.001
  10. Hui S et al.: Vedolizumab for induction and maintenance of remission in Crohn's disease Cochrane Database of Systematic Reviews 17 July 2023 https://doi.org/10.1002/14651858.CD013611.pub2
  11. Noor NM et al.: A biomarker-stratified comparison of top-down versus accelerated step-up treatment strategies for patients with newly diagnosed Crohn's disease (PROFILE): a multicentre, open-label randomised controlled trial Lancet Gastroenterology & Hepatology February 22, 2024 doi:https://doi.org/10.1016/S2468-1253(24)00034-7

Leitlinien

  1. Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Betreuung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in der COVID-19-Pandemie – offene Fragen und Antworten. Z Gastroenterol 2020; 58: 672–692
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn. (AWMF-Registernummer: 021-004), August 2021 Langfassung

     
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