Ohrenschmerzen (Otalgie) – Einleitung

Otalgie (Synonyme: Ohrneuralgie; Otagra; Otalgia; Otalgie; Otodynie; Otoneuralgie; ICD-10-GM H92.-: Otalgie und Ohrenfluss) ist der medizinische Fachausdruck für Ohrenschmerzen.
Es ist das Leitsymptom für alle entzündlichen Erkrankungen des Ohres, des Mittelohres und des äußeren Ohres.

Formen der Otalgie

  • Primäre Otalgie ‒ Ursache der Ohrenschmerzen ist hier das Ohr selbst
  • Sekundäre Otalgie ‒ hierbei erfolgt nur eine nervale Schmerzweiterleitung zum Ohr über sensorische Fasern des Nervus trigeminus, Nervus facialis, Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus oder des zweiten und dritten Zervikalnerven (C2, C3)

Bei Kindern ist eine Otalgie häufig durch eine akute Otitis media (Mittelohrentzündung) bedingt. Beim Erwachsenen hat die Otalgie häufig direkte, lokale Ursachen.

Ohrenschmerzen können Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter “Differentialdiagnosen“).

Epidemiologie

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 3-6 % in einer allgemeinmedizinischen Praxis.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Der Verlauf der Otalgie hängt maßgeblich von der zugrunde liegenden Ursache ab. Bei Kindern ist die häufigste Ursache die akute Otitis media, die bei adäquater Behandlung meist unkompliziert verläuft. Bei Erwachsenen sind die Ursachen vielfältiger und können von Zahninfektionen bis zu Tumoren reichen. Der Verlauf kann akut oder chronisch sein, abhängig von der Ursache und dem Ansprechen auf die Therapie.

Prognose

Die Prognose ist direkt abhängig von der Ursache der Otalgie. Im Allgemeinen haben die meisten Fälle bei frühzeitiger und adäquater Behandlung eine gute Prognose. Allerdings gibt es spezifische Verläufe und Komplikationen, die berücksichtigt werden müssen:

Akute Otitis media (AOM)

  • Unbehandelt oder bei schwerem Verlauf können Komplikationen wie Mastoiditis (bakterielle Infektion im Warzenfortsatz des Schläfenbeins), Meningitis (Hirnhautentzündung, Labyrinthitis (bakterielle Infektion des Innenohrs) und Fazialisparese ( Lähmung (Parese) des Nervus facialis) auftreten. Seltenere Komplikationen umfassen intrakranielle Abszesse (Bildung einer Eiterhöhle im Gehirn), Empyem (Ansammlung von Eiter in einer präformierten Körperhöhle) und Thrombose [1].
  • Antibiotika können Komplikationen nicht immer verhindern, insbesondere bei resistenten Erregern.
  • Eine länger anhaltende Hörminderung kann zu Sprachentwicklungsverzögerungen bei Kindern führen.

Chronische Otitis media

  • Kann zu persistierenden Hörverlusten und wiederkehrenden Infektionen führen.
  • Cholesteatom: Eine ernsthafte Komplikation, die zu Knochendestruktion und intrakraniellen Komplikationen führen kann, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird.

Sekundäre Otalgie

  • Sekundäre Otalgien, die durch Halswirbelsäulenerkrankungen oder Kiefergelenksarthropathien verursacht werden, haben in der Regel eine gute Prognose, wenn die Grunderkrankung adäquat behandelt wird.
  • Bei malignen (bösartigen) Ursachen, wie Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, ist die Prognose abhängig von der Frühdiagnose und der Effektivität der Behandlung.

Peritonsillarabszess

  • Kann zu lebensbedrohlichen Folgen wie Kehlkopfödem, Halsphlegmone (eitrige Entzündung der Halsregion) oder Meningitis führen. Eine schnelle chirurgische Drainage und Antibiotikatherapie sind erforderlich.

Risikopatienten

  • Bei älteren Patienten sowie Patienten mit Nikotin- und Alkoholabusus muss immer an maligne Erkrankungen gedacht werden, die eine sorgfältige Abklärung und spezifische Therapie erfordern.

Abwendbar gefährliche Verläufe – spezifische Probleme – bei Ohrenschmerzen sind [1]:

  • Übersehen seltener anderer gefährlicher Ursachen (als Otitis).
  • Bei Otitis media acuta (AOM):
    • Seltene Komplikationen wie Mastoiditis (Rötung retroaurikulär, abstehende Ohrmuschel), Mastoidabszess, Meningitis, Innenohrbeteiligung (Labyrinthitis), Fazialisparese.
    • Sehr seltene Komplikationen wie intrakranieller Abszess, Empyem, Thrombose.
    • Antibiotika-Gabe verhindert Komplikationen nicht vollständig.
    • Länger anhaltende Hörminderung und evtl. dadurch bedingte Sprachentwicklungsverzögerung bei Kindern.

Eine frühzeitige und angemessene Therapie ist entscheidend, um Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die langfristige Überwachung und Nachsorge sind bei chronischen und rezidivierenden Fällen von großer Bedeutung, um bleibende Schäden und schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Ohrenschmerzen. (AWMF-Registernummer: 053-009), November 2014. Langfassung