Rachenmandelentfernung (Adenotomie)

Die Adenotomie (Synonyme: Rachenmandelentfernung, Entfernung der Adenoide) ist ein chirurgischer Eingriff aus dem Fachgebiet der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und dient der Entfernung sogenannter adenoider Wucherungen (adenoide Hyperplasie; Hyperplasie der Tonsilla pharyngea; Synonyme: Tonsilla pharyngealis, Tonsilla pharyngica, adenoide Vegetationen oder – im Volksmund – Polypen).

Dabei handelt es sich um hyperplastische (stark vergrößerte) Rachenmandeln (Tonsilla pharyngea). Adenoide werden im Volksmund auch als Polypen bezeichnet und treten meist im Kindesalter auf. Ursache für die Hyperplasie der Rachenmandel ist eine erbliche Disposition, allerdings werden eventuelle Faktoren wie rezidivierende (wiederkehrende) Infekte, die Ernährung oder hormonelle Einflüsse diskutiert bzw. vermutet.

Die Folgen der Adenoide ergeben sich aus ihrer anatomischen Lage im Rachen: Die jungen Patienten sind in ihrer Nasenatmung behindert, sprechen mit näselnder Stimme und Schnarchen im Schlaf. Ein anderes Symptom ist die sogenannte Facies adenoidea: Ein typischer Zustand, der durch Mundatmung bzw. einen ständig geöffneten Mund auffällt. Weitere Beeinträchtigungen durch die Adenoide zeigen sich im Alltag der Patienten. Nachlassende Schulleistungen sind die Folge von Konzentrationsschwächen und Schlafstörungen, die Patienten sind schnell ermüdbar und zeigen oftmals eine Essensunlust. Eine Reihe von Folgeerkrankungen kann entstehen:

  • Chronische Rhinitis – chronischer Schnupfen
  • Chronische Laryngitis – chronische Kehlkopfentzündung
  • Chronische Tracheitis – chronische Luftröhrenentzündung
  • Chronische Bronchitis – chronische Entzündung der Bronchien
  • Tubenkatarrh mit Paukenerguss (Synonym: Seromukotympanon; Ansammlung von Flüssigkeit im Mittelohr (Tympanon)) – Entzündung der Tuben (Verbindung zwischen Ohr und Rachen) mit Paukenerguss

Die Diagnose der Erkrankungen erfolgt durch Röntgenaufnahmen, posteriore Rhinoskopie (Nasenspiegelung, die auch die Inspektion des Rachens erlaubt) oder transnasale Endoskopie (Rachenspiegelung). 

Zur Therapie der Rachenmandelhyperplasie gibt es zwei Strategien: beobachtendes Abwarten (engl. "watchful waiting") und die Adenotomie. Nachfolgend werden die Indikationen für eine Adenotomie aufgeführt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Hyperplasie der Rachenmandeln (adenoide Hyperplasie), die zu chronischer Behinderung der Nasenatmung führt
  • Chronisch-rezidivierende (häufig wiederkehrende) Entzündungen der Rachenmandeln
  • Chronische Otitis media (Mittelohrentzündung)/rezidivierende (wiederkehrende) akute Otitis media bei Hyperplasie der Rachenmandeln
  • Chronische Bronchitiden (Entzündung der Bronchien) bei Hyperplasie der Rachenmandeln
  • Chronische Rhinitiden (Schnupfen) bei Hyperplasie der Rachenmandeln
  • Chronische Sinusitiden (Nasennebenhöhlenentzündung)/rezidivierende Rhinosinusitis (gleichzeitige Entzündung der Nasenschleimhaut („Rhinitis“) und der Schleimhaut der Nasennebenhöhlen ("Sinusitis")) bei Hyperplasie der Rachenmandeln
  • Obstruktive Schlafapnoe (OSA) – schlafbezogene Atemstörung (SBAS) mit Atemaussetzern, die durch eine Verlegung der oberen Atemwege entsteht
  • Rezidivierende (wiederkehrende) Infekte der oberen Atemwege bei Hyperplasie der Rachenmandeln
  • Tubenventilationsstörung (Belüftungsstörung des Mittelohrs) mit Mukotympanon (Paukenerguss mit muköser (= zähflüssig-schleimig) Flüssigkeit)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Gerinnungs- und Blutungsstörungen
  • Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte
  • Rhinolalia aperta – näselnder Stimmklang, der durch einen inkompletten Abschluss des Nasenraums vom Mund erzeugt wird
  • Eingriff bei Kindern vor dem 2. Lebensjahr (außer bei dringlicher Indikation)
  • Verdacht auf juveniles Nasen-Rachen-Fibrom – erbliche Erkrankung mit Bindegewebewucherung im Nasen-Rachen-Bereich

Vor der Operation

Nach einem ausführlichen Anamnesegespräch mit dem Patienten und der ausführlichen Aufklärung über den Eingriff erfolgt die körperliche Untersuchung. 

Der Nasenrachenraum wird erneut gespiegelt oder mit einem Endoskop untersucht. Außerdem werden ein Blutbild und der Gerinnungsstatus des Patienten ("activated partial thromboplastin time", aPTT; "international normalized ratio", INR)) erhoben; alternativ wird präoperativ ein standardisierter Fragebogen zur Einschätzung einer möglichen Gerinnungsstörung eingesetzt (falls dieser keine Auffälligkeiten anzeigt, erübrigt sich die Bestimmung von Gerinnungsparametern).

Antikoagulantien wie 
Acetylsalicylsäure (ASS) sollten nicht eingenommen bzw. sieben bis zehn Tagen vor dem operativen Eingriff abgesetzt werden.

Bei Kindern, die sich einer Adenotonsillektomie (Adenotomie + Tonsillektomie/Mandelentfernung) unterziehen und deren Nahrungskarenz kürzer als 565 Minuten betrug, hatten seltener postoperative Komplikationen als Kinder mit längerer Karenzdauer [8].
Die Empfehlung der European Society of Anaesthesiology and Intensive Care (ESAIC) plädiert für eine Verkürzung der Karenzdauer: „Das neue 6-4-3-1-Regime (6 Stunden für feste Nahrung, 4 Stunden für Formulanahrung, 3 Stunden für Muttermilch und eine Stunde für klare Flüssigkeit) kann für gesunde Kinder bedenkenlos empfohlen werden.

Das Operationsverfahren

Die Operation findet unter Vollnarkose statt, der Patient wird in der Regel intubiert (Legen eines Tubus – Schlauch –, der den Atemfluss sichert) oder bekommt eine Larynxmaske (die Kehlkopfmaske wird über den Kehlkopf gestülpt und sichert ebenfalls den Atemfluss während einer Narkose).

Während der Operation befindet sich der Patient mit hängendem Kopf in Rückenlage. Das Operationsgebiet wird steril abgedeckt und der Operateur setzt einen Mundsperrer nach Kilner-Doughty ein (dieses Instrument hält den Mund offen, sodass der Chirurg Zugang zum Rachen erhält). Die Zunge wird heruntergedrückt und mit dem Tubus fixiert. Jetzt können die Adenoide unter ständiger endoskopischer Sichtkontrolle ("Spiegelung") mithilfe eines Ringmessers abgetragen werden. Hierzu werden die Adenoide an ihrer Basis abgetrennt, während das Blut abgesaugt wird. Die Blutungen können in der Regel mit einem Tupfer gestillt werden, sonst kann eine gezielte Verschorfung durch Koagulation vorgenommen werden.

Falls begleitend ein Paukenerguss besteht, kann im gleichen Eingriff eine Parazentese (Trommelfellschnitt), ggf. mit Einbringen eines Paukenbelüftungsröhrchens, erfolgen.

Anästhesieverfahren: Allgemeinanästhesie (Vollnarkose)
Operationsdauer: 30 Minuten bis 1 Stunde

Nach der Operation

Nach der Operation sollte der Patient etwa 4 Stunden lang auf Nahrung verzichten. Anschließend können Tee und Zwieback angeboten werden und am Folgetag der Operation ist normales Essen wieder möglich.

Mögliche Komplikationen

  • Nachblutungen (0,2-0,8 % der Fälle)
  • Wundinfektion
  • Narbenbildung mit Verengung des Rachenraumes
  • Narbenbildung im Bereich des Gehörapperates mit Otitiden (Ohrentzündungen) und Schwerhörigkeit
  • Verletzung des Tubenknorpels mit nachfolgender Tubenventilationsstörung (Belüftungsstörung des Mittelohrs)
  • Rezidive (wiederkehrende Wucherung) der Adenoide
  • Schluckbeschwerden
  • Velopharyngeale Insuffizienz, offenes Näseln (Rhinolalia aperta) (vorübergehend oder auch bleibend)
  • Grisel-Syndrom (Torticollis atlantoepistrophealis) – Subluxation der Halswirbelsäule im Atlantoaxialgelenk aufgrund einer schmerzbedingten Schonhaltung auf der Grundlage einer Entzündung im HNO-Bereich
  • Zahnschäden

Weitere Hinweise

  • Adenotonsillektomie 
    • Bei einer Adenotonsillektomie (Adenotomie + Tonsillektomie (Entfernung der Gaumenmandeln); T + A) nehmen adipöse Kinder vermehrt an Gewicht zu. Ursachen dafür sind wahrscheinlich Kinder, die durch die Operation von der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) geheilt wurden, weniger hyperaktiv am Tage sind, d. h. sich weniger bewegen und zudem ist deren nächtliche Atemarbeit reduziert, was den Kalorienverbrauch während des Schlafs reduziert [5].
    • Kinder, die vor dem 10. Lebensjahr eine Tonsillotomie (Gaumenmandelentfernung) oder Adenotomie (Rachen­mandelentfernung) hatten, erkrankten im späteren Lebensalter häufiger an einer Reihe von Infektionen (2-3-mal häufiger Atemwegserkrankungen) und allergischen Erkrankungen [6].
    • Eine Adenotonsillektomie führte bei asthmatischen Kindern mit Schlafstörungen zu einer Verbesserung des Asthmas (Anstieg des C-ACT-Scores von 21,86 auf 25,15 (p < 0,001). In der Kontrollgruppe ergab sich dagegen nur eine nicht signifikante Verbesserung von 22,42 auf 23,59) [7].

Literatur

  1. Theissing J: HNO-Operationslehre. Georg Thieme Verlag 2006
  2. Koletzko B, Kröner C: Basiswissen Pädiatrie. Springer Verlag 2009
  3. Liehn M: OP-Handbuch: Grundlagen, Instrumentarium, OP-Ablauf. Springer Verlag 2007
  4. Wendler J, Seidner W, Eysholdt U: Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie. Georg Thieme Verlag 2005
  5. Lewis TL et al.: Weight Gain after Adenotonsillectomy: A Case Control Study. Otolaryngol Head Neck Surg 2015, online 28. Januar; doi: 10.1177/0194599815568957
  6. Byars SG et al.: Association of Long-Term Risk of Respiratory, Allergic, and Infectious Diseases With Removal of Adenoids and Tonsils in Childhood. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. Published online June 7, 2018. doi:10.1001/jamaoto.2018.0614
  7. Goldstein NA et al.: The impact of adenotonsillectomy on pediatric asthma. Pediatr Pulmonol. 2019;54:20-6 doi: https://doi.org/10.1002/ppul.24207
  8. Huang Y et al.: Effect of fasting time before anesthesia on postoperative complications in children undergoing adenotonsillectomy. Ear Nose Throat J 2022; https://doi.org/10.1177/01455613221078344
     
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