Mittelohroperation (Tympanoplastik)

Als Tympanoplastik wird ein rekonstruierender chirurgischer Eingriff am Schallleitungsapparat, genauer an Trommelfell und Gehörknöchelchenkette, bezeichnet. Die Operation aus dem Gebiet der HNO-Heilkunde (Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde) dient der Verbesserung der Hörleistung und beruht meist auf der Behebung einer Trommelfellperforation (Trommelfelldurchlöcherung) oder einer Kettenunterbrechung der Ossicula autitus.

Die Ossicula auditus bzw. Gehörknöchelchen sind für die Schallübertragung verantwortlich: Das Trommelfell überträgt die Schallschwingungen auf den Malleus (Hammer), von dort werden die Schwingungen über den Incus (Amboss) und den Stapes (Steigbügel) auf eine Membran des sog. ovalen Fensters zum Mittelohr übertragen, dabei wird der Schalldruck mehr als 29-fach verstärkt.
Über die Membran des ovalen Fensters, die das Mittelohr vom Innenohr abschließt, gelangen die Schwingungen zur Hörschnecke (lat. Cochlea, Schnecke). Diese enthält das eigentliche Hörsinnesorgan, das cortische Organ. Die Cochlea besteht aus zwei Kanälen, die bis zur Schneckenspitze laufen. Beide Kanäle sind durch die sog. Basilarmembran getrennt. Der obere Kanal beginnt am ovalen Fenster, der untere am runden Fenster. Über die gesamte Länge der Cochlea sitzen Hörsinneszellen, die die Schallwellen wahrnehmen, d. h. die elektrische Erregung der Hörzellen über den Gehörnerv an das Zentralnervensystem (ZNS) weiterleiten. Der Hörnerv verbindet das Innenohr mit dem Hörzentrum im Gehirn.

Die verschiedenen Varianten der Tympanoplastik werden nach der klassischen Tympanoplastikeinteilung nach Wullstein in fünf Typen (I-V) unterteilt. Die Tympanoplastik Typ II und III sind die am häufigsten durchgeführten Operationen. Eine genaue Charakterisierung der Eingriffe erfolgt unter dem Thema  "Die Operationsverfahren".

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Chronische Otitis media mit pathologischen Veränderungen des Trommelfells
  • Cholesteatom (Synonym: Perlgeschwulst) – Einwucherung von mehrschichtig verhornendem Plattenepithel in das Mittelohr mit nachfolgender chronisch-eitriger Entzündung des Mittelohrs; die chronische Otitis media (Mittelohrentzündung) beim Cholesteatom wird als "chronische Knocheneiterung" bezeichnet
  • Trommelfellperforation – z. B. traumatischer Genese (unfallbedingt) [s. u. "Weitere Hinweise"]
  • Unterbrechungen der Gehörknöchelchenkette unterschiedlicher Art

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Akute Otitis externa (Entzündung des äußeren Ohres)
  • Gleichzeitige Tympanoplastik auf beiden Ohren zwischen beiden Operationen sollten mindestens drei Monate liegen
  • Mangelnde Innenohrleistung
  • Schlechte Nachbehandlungsmöglichkeiten z. B. bei Kleinkindern, die eine erneute Behandlung ihres Ohres nicht tolerieren
  • Starke Otorrhö – Austritt von Sekreten aus dem Ohr bei Entzündungen, Verletzungen, Tumoren oder anderen Erkrankungen
  • Taubheit des Gegenohres

Vor der Operation

  • Anamnesegespräch und Aufklärung: Vor der Operation findet ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten statt, in dem Risiken und Komplikationen des Eingriffs besprochen werden.
  • Blutgerinnungstests: Die Überprüfung der Blutgerinnungswerte (PTT, Quick, Thrombozytenzahl) ist notwendig, um das Blutungsrisiko während der Operation einzuschätzen.
  • Absetzen von Gerinnungshemmern: Patienten sollten in Absprache mit ihrem Arzt gerinnungshemmende Medikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS) vorübergehend absetzen.
  • Audiometrie und Bildgebung: Ein Hörtest (Audiometrie) und bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen oder Computertomographie (CT) helfen bei der Beurteilung der Schädigung und der Operationsplanung.
  • Perioperative Antibiose: Die vorbeugende Gabe von Antibiotika kann in Erwägung gezogen werden, um das Risiko von Infektionen zu minimieren.

Die Operationsverfahren

Die Voraussetzung für eine Tympanoplastik ist eine ausreichende Innenohrfunktion, da ohne diese der Erfolg des Eingriffs nicht gegeben ist. Die Tympanoplastik wird notwendig, wenn das Trommelfell oder die Gehörknöchelchen durch traumatische Einwirkungen oder entzündliche Prozesse so geschädigt wurden, dass eine vollständige Ausheilung ohne rekonstruierenden Eingriff nicht möglich ist.

Die Operation findet wahlweise unter Lokal- oder Allgemeinanästhesie (örtlicher Betäubung oder Vollnarkose) statt, während sich der Patient in Rückenlage befindet und der Kopf zur kontralateralen Seite (zur Gegenseite) geneigt und fixiert ist. Das Operationsgebiet, also der Bereich um das Ohr sollte von Haaren befreit sein, bzw. diese sollten z. B. weggeklebt werden.

Es gibt nach Wullstein fünf Grundtypen der Tympanoplastik, die hier im Einzelnen beschrieben werden:

  • Typ I – Myringoplastik – Die sogenannte Trommellfellplastik beinhaltet die alleinige Rekonstruktion des Trommelfells bei intakter Gehörknöchelchenkette.
    Der Defekt wird mit körpereigenem Material, z. B. Temporalisfaszie (Faszie des Musculus temporalis – eine Muskelfaszie ist eine dünne Schicht aus straffem Bindegewebe, die einen Muskel umgibt und ihn in seiner Position bzw. Form hält. Außerdem bildet die Muskelfaszie die Abgrenzung der einzelnen Muskeln untereinander) oder Perichondrium (Perichondrium ist ebenfalls straffes Bindegewebe, das die Oberfläche von Knorpelgeweben bedeckt) geschlossen.
  • Typ II – Ossikuloplastik – Diese Operation dient der Wiederherstellung einer funktionalen Gehörknöchelchenkette, wenn diese gering beschädigt ist.
    Hierbei können die Knöchelchen durch Prothesen ersetzt oder wieder in ihre ursprüngliche Position gebracht werden.
  • Typ III Für diese Operation bildet eine defekte Gehörknöchelchenkette mit defektem Hammer und Amboss, sowie erhaltenem oder teilweise fehlendem Steigbügel die Indikation. 
    Dabei wird zwischen Trommelfell und Steigbügel entweder ein Transplantat eingebracht oder der noch vorhandene Amboss des Patienten in seiner Lage verändert. Es gibt zwei Varianten der Tympanoplastik Typ III: PORP = Stapeserhöhung oder Partial Ossicular Chain Rekonstructive Prosthesis; hier ist der Steigbügel erhalten und die Schallübertragung läuft vom Trommelfell über die Prothese bzw. den repositionierten Amboss zum Steigbügel; TORP = Total Ossicular Chain Rekonstructive Prosthesis; hier ist nur noch der Fuß des Steigbügels vorhanden, sodass der Rest des Steigbügels auch durch eine Prothese ersetzt werden muss.
  • Typ IV – Schallprotektion – Hier sind die Gehörknöchelchen komplett defekt oder fehlen, sodass die Schallschwingungen direkt auf das ovale Fenster übertragen werden.
    Zum Schallschutz wird eine kleine künstliche Pauke angelegt (die Paukenhöhle ist der Hohlraum, in dem sich normalerweise die Gehörknöchelchen befinden).
  • Typ V – Die Knöchelchen fehlen und das ovale Fenster ist verschlossen sodass ein Zugang zum Innenohr geschaffen werden muss.
    Die Tympanoplastik Typ V nach Wullstein wird heute meist nicht mehr durchgeführt und deswegen nicht näher beschrieben. Stattdessen wird das ovale Fenster eröffnet und eine Prothese eingesetzt
    .

Anästhesieverfahren: Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) oder Allgemeinanästhesie (Vollnarkose)
Operationsdauer: 1-2 Stunden

Nach der Operation

  • Nach der Tympanoplastik ist es wichtig, das Operationsgebiet zu schützen und Aktivitäten wie Tauchen oder Fliegen zu vermeiden.
  • Regelmäßige Nachuntersuchungen sind erforderlich, um den Heilungsprozess zu überwachen.

Mögliche Komplikationen

  • Ertaubung
  • eingeschränkte Tauchfähigkeit und Flugfähigkeit
  • Fazialisschädigung – Schädigung des Gesichtsnerven, der für die Beweglichkeit der Gesichtsmuskulatur zuständig ist
  • Geschmacksveränderungen durch Schädigung der Chorda tympani (Geschmacksnerv)
  • Hörverschlechterung
  • keine Hörverbesserung
  • Keloidbildung an der Ohrmuschel
  • Nachoperationen
  • Ohrgeräusche
  • Otorrhö
  • Schwindel (Vertigo)
  • Schmerzen
  • Transplantatabstoßung
  • Reperforation (erneute Perforation: 2,4 %) [6]

Weitere Hinweise

  • Falls eine Tympanoplastik wegen Trommelfellperforation nicht zu einem gewünschten Erfolg geführt hat, treten die Probleme meistens in den ersten 3 Monaten nach der Operation auf, in zwei Drittel der Fälle bereits im ersten Monat nach der Operation.
    In einer Studie mit 359 Patienten schlug die Tympanoplastik initial bei 20 Patienten (5,6 %) fehl; bei 8 Patienten (2,4 %) kam es zu einer Reperforation [6].
  • Bei Kindern mit einer Perforation des Trommelfells hat das Alter wahrscheinlich keinen Einfluss auf den Therapieerfolg. In einer Metaanalyse von fünf Studien mit mehr als 100 Kindern im Alter zwischen 6 und 18 Jahren ließ sich kein Einfluss des Alters auf die Erfolgsrate beim Verschluss der Perforation feststellen [5].
    Fazit: das Alter ist damit kein Grund eine Tympanoplastik hinauszuzögern, außer es liegt eine kontralaterale Otitis media (Mittelohrentzündung auf der gegenüberliegenden Seite) mit Ausfluss vor.

Literatur

  1. Theissing J: HNO-Operationslehre. Georg Thieme Verlag 2006
  2. Boenninghaus HG, Lenarz T: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer Verlag 2007
  3. Liehn M, Middelanis-Neumann I, Steinmüller L, Döhler JR: OP-Handbuch: Grundlagen, Instrumentarium, OP-Ablauf. Springer Verlag 2007
  4. Franzen A: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde: Kurzlehrbuch. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2007
  5. Hardman J et al.: Tympanoplasty for Chronic Tympanic Membrane Perforation in Children: Systematic Review and Meta-analysis. Otol Neurotol. 2015 Jun;36(5):796-804. doi: 10.1097/MAO.0000000000000767.
  6. Hassannia F et al.: Delayed failure in tympanoplasty: A 20-year study of the incidence and reasons for re-perforation in 359 patients. Clin Otolaryngol 2020; https://doi.org/10.1111/COA.13522

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Cholesteatom. (AWMF-Registernummer: 017 - 006), Juni 2014. Langfassung

     
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