Nierentransplantation

Als Nierentransplantation (NTx, NTPL) bezeichnet man die operative Übertragung einer Niere. Sie stellt neben der Dialyse eine Option in der Nierenersatztherapie und wird durchgeführt bei terminaler Niereninsuffizienz (= dauerhaftes Versagen der Nierenfunktion vor, das zu einem Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Blut führt) bzw. Verlust beider Nieren.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Terminale Niereninsuffizienz – dauerhaftes Versagen der Nierenfunktion, die zu einem Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Blut führt
  • Verlust beider Nieren

Transplantiert werden Organe von hirntoten Organspendern (Todspende) und von Lebendspendern. Die Lebendspende findet im Idealfall präemptiv, d. h. noch vor einer Dialyse statt.

Voraussetzungen: Spender und Empfänger müssen vor einer Transplantation genau getestet werden. Dazu zählen Untersuchungen, die als Histokompatibilitätsprüfung zusammengefasst werden können:

  • Blutgruppenbestimmung
  • HLA-System

Nur wenn diese Merkmale übereinstimmen, kann eine erfolgreiche Transplantation erfolgen. Zusätzlich wird das Blut des Spenders auf verschiedene Erreger wie das Cytomegalie-Virus (CMV), humane Herpesviren oder Toxoplasma gondii untersucht, um eine Übertragung der Erreger auf den Empfänger zu vermeiden. 

Vor der Operation

Die Vorbereitung auf eine Nierentransplantation ist ein komplexer Prozess, der eine Reihe von Schritten umfasst, um sicherzustellen, dass sowohl der Empfänger als auch das Transplantat die besten Erfolgschancen haben.

  • Medizinische Evaluation: Sowohl Spender als auch Empfänger durchlaufen eine umfassende medizinische Untersuchung. Diese beinhaltet Bluttests, bildgebende Untersuchungen und Herz-Kreislauf-Checks.
  • Kompatibilitätstests (s. o.): Blutgruppenkompatibilität und HLA-Typisierung (Humanes Leukozyten-Antigen) sind entscheidend, um die Abstoßungsrisiken zu minimieren.
  • Psychologische Bewertung: Sowohl für den Spender als auch für den Empfänger sind psychologische Beurteilungen erforderlich, um sicherzustellen, dass sie psychisch auf die Transplantation vorbereitet sind.
  • Vorbereitung auf die Immunsuppression: Der Empfänger wird auf die lebenslange Einnahme von Immunsuppressiva vorbereitet, die nach der Transplantation notwendig sind, um eine Abstoßung zu verhindern.
  • Aufklärung über Risiken und postoperative Pflege: Der Patient wird über die Risiken der Operation, die Notwendigkeit der Einhaltung des Medikationsplans und die Bedeutung regelmäßiger medizinischer Nachsorge informiert.
  • Diät- und Lebensstiländerungen: Empfänger können angewiesen werden, ihre Ernährung und ihren Lebensstil anzupassen, um ihre Gesundheit vor der Transplantation zu optimieren.
  • Vorbereitung auf den Krankenhausaufenthalt: Organisatorische Aspekte wie Krankenhausunterbringung, Transport und postoperative Unterstützung werden im Vorfeld geklärt.

Das Operationsverfahren

Die Nierentransplantation ist ein hochkomplexer chirurgischer Eingriff, bei dem eine gesunde Niere von einem Spender in den Körper eines Empfängers mit terminaler Niereninsuffizienz transplantiert wird. Hier eine detailliertere Beschreibung des Verfahrens:

  • Heterotope Transplantation: Bei diesem Verfahren wird die Spenderniere nicht an der ursprünglichen anatomischen Stelle der Empfängernieren platziert, sondern in einer anderen Region, typischerweise im unteren Beckenbereich.
  • Platzierung und Anschluss der Spenderniere: Die Spenderniere wird meist im rechten oder linken unteren Quadranten des Abdomens platziert. Die Arterie der Spenderniere wird in der Regel mit der Iliakalarterie des Empfängers verbunden, während die Vene der Spenderniere an die Iliakalvene angeschlossen wird. Diese Gefäßanastomosen stellen sicher, dass das Transplantat eine adäquate Blutversorgung erhält.
  • Verbindung des Harnleiters: Der Ureter (Harnleiter) der Spenderniere wird mit der Harnblase des Empfängers verbunden, um den Urinabfluss aus der transplantierten Niere zu ermöglichen. Diese Anastomose wird so gestaltet, dass sie einen Reflux (Rückfluss des Urins in die Niere) verhindert.
  • Erhalt der nativen Nieren: In den meisten Fällen werden die ursprünglichen Nieren des Empfängers im Körper belassen, da sie, auch wenn sie nicht funktionsfähig sind, keine Gefahr darstellen und eine zusätzliche Entfernung das Risiko unnötig erhöhen würde. Die eigenen Nieren werden nur entfernt, wenn spezifische Indikationen vorliegen, wie beispielsweise wiederkehrende Infektionen, hoher Blutdruck, die nicht medikamentös kontrollierbar sind, oder signifikante Größen, die das Platzieren des Transplantats behindern könnten.
  • Spezielle chirurgische Überlegungen: Der chirurgische Eingriff erfordert eine sorgfältige Planung und präzise Technik, um sicherzustellen, dass das Transplantat gut positioniert ist, eine ausreichende Blutversorgung hat und effektiv Urin ableitet.

Diese Art der Transplantation wird bevorzugt, da sie weniger invasiv ist als eine orthotope Transplantation (bei der die Niere an der normalen anatomischen Position platziert wird), und ermöglicht einen einfacheren Zugang für eventuelle zukünftige Eingriffe, wie Biopsien des Transplantats.

Die 5-Jahresfunktionsrate nach Lebendspende liegt bei 87,5 % und nach Todspende bei ca. 70 %.

Anästhesieverfahren: Allgemeinanästhesie (Vollnarkose)
Operationsdauer: 3-5 Stunden

Nach der Operation

Die postoperative Phase einer Nierentransplantation ist entscheidend für den langfristigen Erfolg des Transplantats und die Gesundheit des Empfängers.

  • Überwachung der Transplantatfunktion: Unmittelbar nach der Operation werden die Funktion des Transplantats und die Vitalfunktionen des Empfängers genau überwacht.
  • Schmerzmanagement: Schmerzen werden sorgfältig gemanagt, um Komfort zu gewährleisten und die Erholung zu unterstützen.
  • Immunsuppressive Therapie: Die Einnahme von Immunsuppressiva beginnt sofort, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern. Die Medikamentendosierung wird regelmäßig angepasst.
  • Ernährung und Flüssigkeitsmanagement: Eine spezielle Ernährung und Flüssigkeitsregulierung sind entscheidend, um die Nierenfunktion zu unterstützen und Komplikationen zu vermeiden.
  • Frühe Mobilisierung: Frühzeitige physikalische Aktivität wird gefördert, um die Durchblutung zu verbessern und das Risiko von Komplikationen wie Blutgerinnseln zu verringern.
  • Regelmäßige Labortests und Nachsorgeuntersuchungen: Regelmäßige Bluttests und Nachsorgetermine sind erforderlich, um die Funktion des Transplantats zu überwachen und etwaige Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
  • Erkennung und Management von Komplikationen: Auf Anzeichen von Infektionen, Abstoßungsreaktionen oder anderen Komplikationen wird genau geachtet, und entsprechende Maßnahmen werden umgehend eingeleitet.
  • Psychologische Unterstützung: Psychologische Unterstützung kann weiterhin erforderlich sein, um die Anpassung an das Leben nach der Transplantation zu erleichtern.

Mögliche Komplikationen  

  • Infektionen
  • Blutungen
  • Stenose (Verengung) des Transplantatharnleiters
  • Transplantatabstoßung
  • Ausbildung einer Narbenhernie (Narbenbruch) nach der Operation.
  • Auftreten von Malignomen (Krebserkrankung; z. B. kutanes Plattenepithelkarzinom/Plattenepithelkarzinom der Haut) nach immunsuppressiver Therapie (selten)

Pharmakotherapie: Nach einer Nierentransplantation muss der Empfänger lebenslang Immunsuppressiva einnehmen, um eine Abstoßung des Transplantats zu vermeiden. 
Hinweis: Die randomisierte TUMORAPA-Studie hat ergeben, dass bei Patienten mit kutanem Plattenepithelkarzinom nach einer Nierentransplantation auch fünf Jahre nach dem Wechsel auf Sirolimus (Rapamycin) zur Immunsuppression seltener sekundäre Hauttumoren auftreten als bei Patienten, bei denen eine Therapie mit einem Calcineurininhibitor fortgesetzt wird (22 % versus 59 %).

Weitere Hinweise

  • Bei Nichtvorliegen eines HLA-kompatiblen Lebendspenders besteht die Möglichkeit der Desensibilisierung des Empfängers. Dazu werden die HLA-Antikörper durch Plasmaaustausch aus dem Blut des Empfängers entfernt. Eine anschließende immunsuppressive Therapie verhindert, dass sich neue Antikörper bilden können. Eine zusätzliche Therapie mit Rituximab (monoklonaler Antikörper (IgG-1-kappa Immunoglobulin) gegen das Oberflächenantigen CD20) hemmt die Bildung von B-Zellen. Weitere Therapeutika sind Bortezomib (Proteasom-Blockade) und Eculizumab (monoklonaler Antikörper, der sich gegen den Komplementfaktor C5 richtet). 
    In einer Studie wurden die Überlebensrate von drei Gruppen verglichen (1. Gruppe: Lebendspende nach einer Desensibilisierung; 2. Gruppe: HLA-gerechte Nierenspende; 3. Gruppe: Patienten, die niemals ein Organ erhielten). Überlebensraten [1]:
    • Nach dem 1. Jahr: 95 % versus 94 % bzw. 89,6 %
    • Nach dem 3. Jahr: 91,7 % versus 83,6 % bzw.  72,7 %
    • Nach dem 5. Jahr: 86 % versus 74,4 % bzw. 59,2 %
    • Nach dem 8. Jahr: 76,5 % versus 62,9 % bzw. 43,9 %.
  • Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz: Dialyse versus Nierentransplantation [3]
    • In einer Metaanalyse zeigte sich ein signifikanter und langfristiger Gesamtüberlebensvorteil (ein Jahr oder länger) der Transplantation im Vergleich zur Dialyse. In 31 dieser 44 Studien ergab sich eine zwischen 27 % und 82 % geringere Wahrscheinlichkeit, im Beobachtungszeitraum zu sterben.
    • Patientengruppen, für die die Transplantation keinen statistisch signifikanten Nutzen gegenüber dem Verbleib an der Dialyse hatten, waren u. a.: Patientenalter 65-70 oder ≥ 70 Jahre, Body-Mass-Index ≥ 41, Nierenversagen durch Glomerulonephritis (Nierenerkrankung, die durch eine Entzündung der Nierenkörperchen bedingt ist), Hypertonie (Bluthochdruck) oder genetische Erkrankungen.

Literatur

  1. Orandi BJ et al.: Survival Benefit with Kidney Transplants from HLA-Incompatible Live Donors. N Engl J Med 2016; 374:940-950, March 10, 2016. doi: 10.1056/NEJMoa1508380
  2. Dantal J et al.: Sirolimus for Secondary Prevention of Skin Cancer in Kidney Transplant Recipients: 5-Year Results. JCO 2018; online 17. Juli. doi: https://doi.org/10.1200/JCO.2017.76.6691
  3. Chaudhry D et al.: Survival for waitlisted kidney failure patients receiving transplantation versus remaining on waiting list: systematic review and meta-analysis. BMJ 2022;376:e068769. http://dx.doi.org/10.1136/bmj-2021-068769
     
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