Ursachen
Lungenembolie

Auch Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Thromben in den Lungenarterien entstammen zu ca. 80-90 % aus tiefen Beinvenenthrombosen (TBVT) und zu 10-20 % aus Thrombosen der Becken-, Axillar-, Jugularvenen oder aus dem rechten Herzen. Löst sich ein Thrombus (Blutgerinnsel) aus seinem Verband, so schließt er über das Herz in eine Lungenarterie und verlegt dann ein entsprechendes Kaliber (= Thromboembolie; Hauptursache der Lungenembolie).

Weitere Formen der LE sind: septische Embolie, Knochenmarksembolie, Fettembolie, Luftembolie (hier: vaskuläre Lungenembolie, VLE)), Tumorembolie, und Embolie mit Fremdmaterial. Bei einer VLE kann der Lufteintritt passiv oder durch direkte Gasinjektion bedingt sein.

Zur Entstehung eines Thrombus siehe unter "Thrombose/Ursachen/Virchow-Trias".

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: F2, F5, LPL, SELE
        • SNP: rs6025 (Faktor V Leiden) im Gen F5
          • Allel-Konstellation: AG (5-10-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (50-100-fach)
        • SNP: rs1799963 (Prothrombin-Mutation (Faktor-II-Mutation) im Gen F2
          • Allel-Konstellation: AG (5,0-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (> 5,0-fach)
        • SNP: rs5361 im Gen SELE
          • Allel-Konstellation: CC (4,0-fach)
          SNP: rs268 im Gen LPL
          • Allel-Konstellation: AG (3,0-fach)
          • Allel-Konstellation: GG (> 3,0-fach)
    • Genetische Erkrankungen
      • Antithrombin III-Mangel (AT-III) – autosomal-dominanter Erbgang
      • APC-Resistenz (Faktor V-Leiden) – autosomal-dominanter Erbgang (sehr häufig)
      • Faktor VIII (antihämophiles Globulin A) – autosomal-rezessive Erbgang
      • Hyperhomocysteinämie – Prävalenz für Träger der homozygoten MTHFR-Mutation (Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR)-Mangel) beträgt in der Normalbevölkerung 12-15 %, bei Patienten mit tiefen Venenthrombosen sogar bis zu 25 %. Der Anteil heterozygoter Träger kann bis zu 50 % ausmachen.(sehr häufig)
      • Prothrombinmutation (Faktor II-Mutation) – autosomal-dominanter Erbgang (sehr häufig)
      • Protein-C-Mangel – autosomal-dominanter Erbgang
      • Protein-S-Mangel – in der Regel mit autosomal-dominantem Erbgang; verursacht durch Mutationen im PROS1-Gen
      • Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) betrifft; sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins; Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS)
  • Blutgruppe – Blutgruppe A, B oder AB (relative Risiko für tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien ist um fast das Doppelte erhöht im Vergleich zu 0-Blutgruppenträger (Inzidenzrate-Ratio, IRR: 1,92 und 1,80)) [7]
  • Lebensalter – je höher das Alter, desto höher das Risiko; exponentieller Anstieg ab dem 50. Lebensjahr; Maximum zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung 
    • Unzureichende Flüssigkeitszufuhr – führt zur Exsikkose (Austrocknung) und erhöht so die Thrombophilie (Thromboseneigung)
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Häufiges, langes Sitzen bzw. Immobilität (Bettlägerigkeit)
    • Langes Sitzen vor dem Fernsehgerät – ≥ 5 h/d vor dem TV-Gerät: doppelt so hohes Risiko, eine tödliche Lungenembolie zu entwickeln, als Menschen, die < 2,5 h fernsehen [5]
    • Langstreckenflüge ("economy-class-syndrome")
    • Intensives Training → sportassoziierte venöse Thromboembolie (VTE); obere TVT bei Kraft-/Ballsportarten/untere TVT bei Ausdauer-/Ballsportarten
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) Übergewicht ab einem BMI (Body-Mass-Index; Körpermasse-Index) > 30 Risikoerhöhung um 230 % durch Steigerung der Gerinnung und Hemmung der Fibrinolyse Hemmung der Auflösung von Blutgerinnseln

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Antiphospholipid-Syndrom (APS; Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom) – Autoimmunkrankheit; es erkranken überwiegend Frauen (Gynäkotropie); durch folgende Trias charakterisiert:
    • venöse Thrombosen (Blutgerinnsel (Thrombus)  und/ oder arterielle Thrombosen
    • Thrombozytopenie (Mangel an Thrombozyten (Blutplättchen) im Blut)
    • rezidivierende Spontanaborte (Auftreten von drei oder mehr konsekutiven Spontanaborten vor der 20. SSW/Schwangerschaftswoche)
  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Beinvenenthrombose
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED; engl. inflammatory bowel disease, IBD) (2-3-fach erhöhtes Risiko für eine venöse Thromboembolie, VTE)
  • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
  • Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz)
  • Faktor-II-Mutation
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Immobilität
  • Infektionen
    • Atemwegsinfektionen: Patienten hatten im 7-Tage-Fenster ein 3,2-fach erhöhtes Risiko für eine venöse Thromboembolie (VTE) [11]
    • Hautinfektionen: 
      • Schwangere hatten im 7-Tage-Fenster ein 5,4-fach erhöhtes Risiko für eine VTE [10].
      • In einer Kohortenstudie mit 158.123 US-amerikanischen Patienten mit dermatologisch bestätigter chronischer Hauterkrankung (Psoriasis, atopische Dermatitis, Alopecia areata, Vitiligo oder Hidradenitis suppurativa) bestand kein erhöhtes VTE-Risiko bei Vergleich mit einem Kollektiv hautgesunder Patienten [12].
  • Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.
  • Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS; Nervenkompressionssyndrom) – Krankheitsbilder, die Strukturen betreffen, die sich zwischen der ersten Rippe und dem Schlüsselbein hindurchziehen; betroffen sind die große Armnerven (Plexus brachialis), die Armschlagader (Arteria subclavia) und die Hauptvene des Armes (Vena subclavia); das klinische Bild ist abhängig davon, welche Struktur in erster Linie zwischen den beiden benachbarten Knochen eingeklemmt wird; hier: Thromboembolien durch Kompression der Vena subclavia.
  • Thrombophilie (Thromboseneigung)
  • Traumata (Verletzung) [2]:
    • Frakturen (Knochenbrüche) von Röhrenknochen oder schwere Verletzungen der Extremitäten (signifikant häufigeres Auftreten früher Lungenembolien)
    • Patienten mit Polytraumen, schweren Hirntraumen, Rückenmarksverletzungen und Bluttransfusionen (signifikant häufigeres Auftreten von späten Lungenembolien)
    • jede fünfte Lungenembolie war an Tag 1
  • Tumorerkrankungen – bekanntes oder okkultes Malignom: 4-mal so hohes Risiko für eine venöse Thromboembolie (VTE) wie in der Allgemeinbevölkerung [3]
    • Absolut: Patienten mit Lungen-, Kolon- und Prostatakarzinom
    • Relativ: Plasmozytom (multiples Myelom) – 46-mal höher gegenüber gesunden Menschen gleichen Alters, Hirn- (20-mal) und Pankreastumoren (Bauchspeicheldrüsentumoren) (16-mal) [4]
    maligne hämatologische Systemerkrankungen (bösartige Erkrankungen, die das Blut(-bildende)-System betreffen): im Vergleich zur Studienpopulation ohne Krebserkrankung 28-fach erhöhtes Risiko [6]

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Antiphospholipid-Antikörper
  • Antithrombin-III-Mangel
  • Disseminierte intravasale Koagulopathie
  • Dysfibrinogenämie
  • Eisenstatus, höherer – Ergebnisse einer Mendelschen Randomisierungsstudie: Ein höherer genetisch bedingter Eisenstatus war mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien verbunden. Die Odds Ratios pro SD-Anstieg der Biomarker-Spiegel betrugen 1,37 (95 % CI 1,14-1,66) für Serumeisen, 1,25 (1,09-1,43) für Transferrinsättigung, 1,92 (1,28-2,88) für Ferritin und 0,76 (0,63-0,92) für Serum-Transferrin (mit höheren Transferrinspiegeln, die einen niedrigeren Eisenstatus darstellen); im Gegensatz dazu hatten höhere Serumeisen- und Transferrinsättigungswerte (Eisenübersättigung) einen protektiven Effekt gegen Karotisplaques [9].
  • Faktor-V-Leiden-Mutation – sogenannte APC-Resistenz
  • Faktor-II-Mutation (Prothrombinmutation)
  • Faktor VIII (antihämophiles Globulin A)
  • Hyperhomocysteinämie – erhöhte Konzentration der Aminosäure Homocystein im Blut
  • Hyperkoagulabilität vermehrte Gerinnbarkeit des Blutes
  • Protein-C und Protein-S-Mangel

Medikamente

  • Antidepressiva (Amitriptylin/bei Patienten > 70 L. J)
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Chlorpromazin, Clozapin, Haloperidol, Thioridazin
  • Diuretika [Exsikkose]
  • Hormone
    • Glucocorticoide (Budenosid, Cortison, Fluticason, Prednisolon)
    • Orale Östrogen-Therapie und Östrogen-Gestagen Therapie (Beachte: höheres Thromboembolie Risiko als bei transdermaler Applikation/Pflastertherapie)
      • Östrogene (Ethinylestradiol, Estradiol) – Östrogentherapie als Hormonersatztherapie (HT): Erhöhung des thromboemboembolischen Risikos um: + 6 Ereignisse pro 10.000 Frauen pro Anwendungsjahr
      • Östrogen-Gestagen-Kombinationen (orale Kontrazeptiva: Ethinylestradiol + Norethisteron-/Norgestrel-Derivat – insbesondere in Kombination mit Rauchen; Hormonersatztherapie, HET; engl.: hormone replacement therapy / HRT) in der Menopause: Erhöhung des thromboemboembolischen Risikos um: + 17 Ereignisse pro 10.000 Frauen pro Anwendungsjahr

Operationen

  • Operative Eingriffe mit erhöhtem Risiko einer vaskulären Luftembolie (VLE) – neurochirurgische Eingriffe in sitzender Position, totaler Hüftgelenkersatz, Sectio caesarea (Kaiserschnitt), laparoskopische Eingriffe, gastrointestinale Endoskopie, Leberchirurgie, Prostatektomie (Prostataentfernung))
  • Vor allem im Bereich des Beckens und der Hüfte
  • Bes. Knie- oder Hüftprothesenersatz
  • Operationsdauer stellt ist ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer venösen Thromboembolie (VTE) [1]

Weitere Ursachen

  • Bluttransfusionen bei Operationen – 0,6 % als tiefe Beinvenenthrombose und 0,3 % als Lungenembolie; 2,1-fach erhöhtes Risiko für eine venöse Thromboembolie (VTE); bei ≥ 3 Bluttransfusionen stieg das Risiko auf das 4,5-Fache [7]
  • Hospitalisierung wg. Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Vorhofflimmerns/-flatterns, anamnestische venöse Thromboembolie (VTE)
  • Schwangerschaft und Wochenbett:
    • erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE); 1,2 pro 1.000 Schwangerschaften auf (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,6-1,8) [10]

Literatur

  1. Kim JYS et al.: Surgical Duration and Risk of Venous Thromboembolism. JAMA Surg. Published online December 03, 2014. doi:10.1001/jamasurg.2014.1841
  2. Coleman JJ et al.: Factors Associated with Pulmonary Embolism Within 72 Hours of Admission after Trauma: A Multicenter Study. J Am Coll Surg 2015, online 6. Januar; doi: 10.1016/j.jamcollsurg.2014.12.032
  3. Heit JA, Silverstein MD, Mohr DN, Petterson TM, O’Fallon WM, Melton LJ, III: Risk Factors for Deep vein Thrombosis and Pulmonary Embolism: A Population-Based Case-Control Study. Arch Intern Med. 2000 Mar 27;160(6):809-15.
  4. Cronin-Fenton DP, Sondergaard F, Pedersen LA, Fryzek JP, Cetin K, Acquavella J, Baron JA, Sorensen HT: Hospitalisation for Venous Thromboembolism in Cancer Patients and the General Population: A Population-Based Cohort Study in Denmark, 1997–2006. 
    Br J Cancer. 2010 Sep 28; 103(7): 947-953. doi: 10.1038/sj.bjc.6605883
  5. Shirakawa T et al.: Watching television and mortality from pulmonary embolism among middle-aged Japanese men and women: the JACC study. ESC 2015 Abstract
  6. Blom JW, Doggen CJ, Osanto S et al.: Malignancies, prothrombotic mutations, and the risk of venous thrombosis. JAMA 2005 Feb 9;293(6):715-22.
  7. Senthil K et al.: ABO Blood Group and Risk of Thromboembolic and Arterial Disease: A study of 1,5 Millioon Blood Donors. Circulation 2016 doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.115.017563
  8. Goel R et al.: Association of perioperative red blood cell transfusions with venous thromboembolism in a North American registry. JAMA Surg. 2018 Jun 13. doi: 10.1001/jamasurg.2018.1565
  9. Gill D et al.: Effects of Genetically Determined Iron Status on Risk of Venous Thromboembolism and Carotid Atherosclerotic Disease: A Mendelian Randomization Study. J Am Heart Assoc 2019;8:e012994. https://doi.org/10.1161/JAHA.119.012994
  10. Kourlaba G et al.: A Systematic Review and Meta-Analysis of the Epidemiology and Burden of Venous Thromboembolism Among Pregnant Women. Int J Gynaecol Obstet. 2016 Jan;132(1):4-10. doi: 10.1016/j.ijgo.2015.06.054.
  11. Sebastian S et al.: Infection as a Cardiovascular Trigger: Associations Between Different Organ System Infections and Cardiovascular Events. American J Med. June 02, 2020 https://doi.org/10.1016/j.amjmed.2020.04.033
  12. Schneeweiss MC et al.: Incidence of Venous Thromboembolism in Patients With Dermatologist-Diagnosed Chronic Inflammatory Skin Diseases JAMA Dermatol. Published online May 26, 2021. doi:10.1001/jamadermatol.2021.1570
     
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