Sturzneigung – Einleitung

Sturzneigung ist ein bedeutendes medizinisches Problem, das vor allem in der Geriatrie eine zentrale Rolle spielt. Es beschreibt die erhöhte Anfälligkeit, Stürze zu erleiden, die insbesondere bei älteren Menschen häufig auftritt und gravierende gesundheitliche Folgen haben kann.

Synonyme und ICD-10: Sturzneigung a.n.k.; Sturzneigung aufgrund sonstiger unklarer Krankheitszustände; Sturzneigung beim älteren Menschen; ICD-10-GM R29.6: Sturzneigung, anderenorts nicht klassifiziert

Nach der DEGAM-Leitlinie wird ein Sturz wie folgt definiert: “Ein unfreiwilliges, plötzliches, unkontrolliertes Herunterfallen oder -gleiten des Körpers auf eine tiefere Ebene aus dem Stehen, Sitzen oder Liegen definiert. Ein solches Ereignis ist auch dann als Sturz bzw. Beinahe-Sturz zu verstehen, wenn es nur durch ungewöhnliche Umstände, die nicht im Patienten selbst begründet sind, verhindert wird, z. B. durch das Auffangen durch eine andere Person [1]. 

Formen der Sturzneigung

  • Afferenzstörung – Sturz durch Ausfälle von sensorischen, optischen oder vestibulären Eindrücken (Gleichgewichtssinn betreffend)
  • Drop Attacks ("Sturzattacke") – plötzliches Sturzereignis bei ungetrübter Bewusstseinslage infolge eines Tonusverlustes der unteren Extremitäten 
  • Gang-Freezing – Sturz durch Einfrieren der Bewegung
  • Mechanische Stürze wie Stolpern oder Ausrutschen
  • Schwäche/Gebrechlichkeit – durch fehlende Muskelkraft bedingte Stürze
  • Umkippen – Stürze durch Haltungsstörungen

Ursachen der Sturzneigung

Häufige Ursachen für eine Sturzneigung sind Schwindel und Gangunsicherheit im Alter:

  • Defizite in den peripher- und zentral-sensorischen Funktionen (vestibulär, visuell, somatosensorisch)
  • Kognitive und psychische Störungen (z. B. leichte kognitive Beeinträchtigung/Demenz; Angst, Depression)
  • Muskuloskelettale Insuffizienzen (Sarkopenie, Arthrose, rheumatoide Arthritis)

Eine weitere Ursache eines Sturzes kann eine Synkope (kurzzeitige Bewusstlosigkeit, die durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bedingt ist und meist mit einem Verlust des Muskeltonus einhergeht) sein. Siehe dazu unter Synkope. Mehrheitlich ereignen sich Stürze ohne vorangegangenen Bewusstseinsverlust.

Eine Sturzneigung kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Die Rate an Stürzen und damit das Verletzungsrisiko steigen mit dem Alter an: 

  • bei > 65-Jährigen liegt die Sturzrate bei 30 %; ca. 20 % der Personen ≥ 65 Jahren sind dabei von einzelnen oder wiederkehrenden Stürzen betroffen
  • bei > 80-Jährigen liegt sie bei > 50 % – jeder 10. hat behandlungsbedürftige Verletzungsfolgen und jeder 20. Frakturfolgen

In bis zu 80 % der Fälle handelt es sich um häusliche Stürze.
Ca. ein Sechstel aller Notaufnahmen älterer Menschen in Krankenhäusern erfolgt aufgrund von Stürzen (in Deutschland).

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) beträgt für die über 65-Jährigen in einem Jahr ca. 30 %. Die Rate steigt mit zunehmendem Alter weiter an. Bei den 80 bis 89-Jährigen sind ca. 40 bis 50 Prozent betroffen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Stürze sind ein häufiges Problem bei älteren Menschen und können durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden. Die häufigsten Ursachen für Sturzneigung im Alter umfassen Schwindel und Gangunsicherheit aufgrund von:

  • Defiziten in den peripher- und zentral-sensorischen Funktionen (z. B. vestibulär, visuell, somatosensorisch)
  • Kognitiven und psychischen Störungen (z. B. leichte kognitive Beeinträchtigung/Demenz, Angst, Depression)
  • Muskuloskelettalen Insuffizienzen (z. B. Sarkopenie (Muskelschwund), Arthrose, rheumatoide Arthritis)

Zusätzlich kann eine Synkope, also eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit, die durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bedingt ist und meist mit einem Verlust des Muskeltonus einhergeht, zu Stürzen führen. Mehrheitlich ereignen sich Stürze jedoch ohne vorangegangenen Bewusstseinsverlust.

Stürze lassen sich in verschiedene Formen einteilen:

  • Afferenzstörung: Sturz durch Ausfälle von sensorischen, optischen oder vestibulären Eindrücken (Gleichgewichtssinn betreffend)
  • Drop Attacks ("Sturzattacke"): Plötzliches Sturzereignis bei ungetrübter Bewusstseinslage infolge eines Tonusverlustes der unteren Extremitäten
  • Gang-Freezing: Sturz durch Einfrieren der Bewegung
  • Mechanische Stürze: Stolpern oder Ausrutschen
  • Schwäche/Gebrechlichkeit: Durch fehlende Muskelkraft bedingte Stürze
  • Umkippen: Stürze durch Haltungsstörungen

Die Rate an Stürzen und damit das Verletzungsrisiko steigen mit dem Alter an. Bei den über 65-Jährigen liegt die Sturzrate bei 30 %, wobei ca. 20 % der Personen ≥ 65 Jahren von einzelnen oder wiederkehrenden Stürzen betroffen sind. Bei den über 80-Jährigen liegt die Sturzrate bei über 50 %, wobei jeder zehnte eine behandlungsbedürftige Verletzungsfolge und jeder zwanzigste eine Frakturfolge (Knochenbruchfolge) hat. In bis zu 80 % der Fälle handelt es sich um häusliche Stürze. Ca. ein Sechstel aller Notaufnahmen älterer Menschen in Krankenhäusern erfolgt aufgrund von Stürzen (in Deutschland).

Prognose

Die Prognose von Stürzen im Alter ist häufig durch Verletzungen und die damit verbundenen Folgen gekennzeichnet. Bei bis zu 30 % der Fälle kommt es zu Verletzungen wie Abschürfungen, Hämatomen (Blutergüsse) oder Frakturen (Knochenbrüche). Insbesondere nach einer sturzbedingten Fraktur, wie einer Schenkelhalsfraktur, können nur noch ca. 15 % der Patienten ohne Hilfsmittel selbstständig gehen, während vor dem Sturz etwa drei Viertel der Patienten in der Lage waren, sich ohne Hilfsmittel selbstständig zu bewegen. Zudem stürzen bis zu 70 % der Gestürzten innerhalb der folgenden 12 Monate erneut.

Neben der Behandlung der Ursache steht die Erarbeitung von Behandlungsstrategien zur Vermeidung weiterer Stürze im Vordergrund. Dazu gehört auch die Berücksichtigung sturzbegünstigender Medikamente, bekannt als "fall-risk increasing drugs" (FRIDs), bei der Anamnese und Behandlung.

Literatur

  1. DEGAM Leitlinie: Ältere Sturzpatienten. ZFA (Stuttgart) 2004; 80(10): 416-420. doi: 10.1055/s-2004-820396
  2. Freiberger E, Landendoerfer P. Sturz im Alter – eine stille Epidemie? Der Allgemeinarzt 2007; 29 (15): 20-22

Leitlinien

  1. DEGAM Leitlinie: Ältere Sturzpatienten. ZFA (Stuttgart) 2004; 80(10): 416-420. doi: 10.1055/s-2004-820396
  2. Montero-Odasso M et al.: World guidelines for falls prevention and management for older adults: a global initiative. Age and Ageing, Volume 51, Issue 9. September 2022. doi.org/10.1093/ageing/afac205