Physiologie
Osteoporose der Wirbelsäule

Vor der Pubertät entwickelt sich das Skelettsystem vorwiegend ohne Einfluss der Sexualhormone, wobei das Wachstum der Knochen durch genetische Prädisposition, die für 60-80 % der Knochenmasse und der Frakturresistenz ("Knochenbruchfestigkeit") verantwortlich sind, das Calcium-Vitamin-D-System und physikalische Belastung gesteuert wird. Die Situation ändert sich mit Einsatz der Pubertät. Während der Pubertät wird das Skelettsystem sexualhormonabhängigen, sodass ab diesem Zeitpunkt ohne Sexualhormone sich die Knochen nicht mehr optimal entwickeln können. Mit anderen Worten kann dann die mögliche "maximal aufgebaute Knochenmasse" ("peak bone mass") ohne Sexualhormone nicht erreicht werden.

Des Weiteren kommt es nach der Pubertät zu einer sexuellen Differenzierung des Skeletts, wobei beim Mann das Testosteron und bei der Frau das 17-β-Östradiol die Hauptsteuerungshormone sind. Andererseits haben 17-β-Östradiol beim Mann und die Androgene bei der Frau ebenfalls eine wichtige regulierende Funktion, deren Bedeutung bisher nicht vollständig geklärt ist. Bei Menschen mit Pubertas tarda (verzögerte, unvollständige oder völlig fehlende Entwicklung der Pubertät bei Jungen älter als 16 bzw. Mädchen älter als 15 Jahren.) ist die "peak bone mass" vermindert.

Ein ebenso wichtiger Faktor für die normale Entwicklung des Skeletts ist das Körpergewicht, sodass beispielsweise durch Anorexia nervosa (Magersucht) eine verminderte "peak bone mass" entsteht, die sich auch nach erfolgreicher Behandlung und Erreichens eines Normalgewichtes nicht mehr normalisiert. Unzureichend behandelte Magersüchtige erleiden in 10 % der Fälle eine schwerste Osteoporose mit Frakturen (Knochenbrüchen).

Sexualhormone können ohne ausreichende mechanische Belastung der Knochen nur eingeschränkt den Knochenstoffwechsel regulieren.
Somit ist eine ausgewogene körperliche Aktivität ist ebenfalls eine Grundvoraussetzung für ein gesundes Knochenwachstum, wohingegen aber sportliche Exzesse zu einer Unterdrückung der endogenen Sexualsteroide und somit zu einer Verminderung der Knochendichte bis hin zu Stressfrakturen führen kann.

Die Knochendichte nimmt auch bei einer Unterversorgung mit Calcium ab, insbesondere wenn die Calciumaufnahme weniger als 300 mg/d beträgt. Der Calciumbedarf wird durch die Syntheserate der Knochenmatrix gesteuert. Bei einem reduzierten Angebot von Calcium kommt es zur verminderten Mineralisierung und somit zu einem verminderten Knochenaufbau bei gleichbleibender oder erhöhter Knochenumbaurate. Kinder mit ungenügender Calciumzufuhr bleiben außerdem kleiner, da Calcium auch das Längenwachstum der Röhrenknochen fördert.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt daher für alle Erwachsenen, Schwangere und Stillende eine Calciumaufnahme von mindestens 1.000 mg/d empfohlen. Kinder (13-15 Jahre) und Jugendliche (15-19 Jahre) sollten 1.200 mg/d zuführen.

Die Calciumabsorption aus dem Darm wie auch die Mineralisierung der Knochen sind Vitamin-D-abhängig, sodass ein langanhaltender Vitamin-D-Mangel zu Minderwuchs, verminderte "peak bone mass" und Osteomalazie beziehungsweise Rachitis führt. Eine adäquate Vitamin-D-Produktion kann durch Sonnenlicht erreicht werden, was in nördlichen Ländern in den Wintermonaten die erforderlichen Expositionszeiten meist nicht erreicht werden, sodass auch hier eine Osteoporose resultieren kann. Ferner kann durch kulturell bedingte Kleidung die Haut soweit abgedeckt werden, dass auch hier – selbst bei adäquater Sonneneinstrahlung – nicht genügend Vitamin D gebildet werden kann.

Bis zum 35. Lebensjahr überwiegen die Aufbauprozesse und die Knochenmasse nimmt ständig zu und es kann eine Zunahme der Knochenmasse und der Knochendichte und einer sich verstärkenden Mikroarchitektur verzeichnet werden, wobei die maximale Knochenmasse – „peak bone mass“ – etwa mit dem 35. Lebensjahr erreicht wird. Danach unterliegt der Knochen Abbauvorgängen und die Knochenmasse verringert sich normalerweise jährlich um bis zu 1,0 %, was bei der Frau im Vergleich zum Mann infolge der physiologisch hormonellen Umstellung – Menopause – deutlich schneller fortschreiten kann.

Die physiologischen Veränderungen des Alters haben Auswirkungen auf die Knochenaufbau- wie auch auf die Knochenabbauphase sowie auf Faktoren und Stoffwechselveränderungen, welche eine Entwicklung einer Osteoporose begünstigen können, sodass beispielsweise das mögliche Maß der größten Knochendichte nicht erreicht wird oder dass ein verstärkter Knochenabbau stattfindet.

Unter physiologischen Bedingungen befinden sich im Skelett etwa 2 Millionen aktive Mikroeinheiten durch die die Knochen ein dynamisches Gebilde werden. Idealerweise befindet sich ein Knochen durch ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Aufbau- und Abbauvorgängen der Osteoblasten (knochenaufbauende Zellen) und Osteoklasten (knochenabbauende Zellen) in einer Homöostase (Gleichgewichtszustand). Die in physiologischen Zyklen ablaufenden Auf- und Abbauprozesse dauern etwa vier Monate. Durch eine Verschiebung dieses Gleichgewichtes zugunsten der Osteoklasten, also zugunsten des Knochenabbaus, kommt es ultimativ zur Osteoporose.

Es gibt zwei Haupttypen von Knochengewebe: den kortikalen oder kompakten Knochen und den spongiösen oder trabekulären Knochen.

Die meisten Knochen setzen sich zusammen aus der äußeren Kortikalis ("Rinde") mit zwei Schichten: eine periostale ("um den Knochen herum") und eine kortikal-endostale ("die innere Knochenhaut (Endost) betreffend") Oberfläche und einem inneren trabekulären ("bälckchenförmigen") Knochen und dem Markraum.

Der spongiöse ("schwammige") Knochen enthält trabekuläre Platten und Zapfen, die miteinander verbunden und vorwiegend nach den Belastungslinien des Knochens ausgerichtet sind.

Ferner besteht ein Knochen aus einer organischen Matrix, einer Mineralphase und den Knochenzellen. Die Matrix ist vorwiegend aus Kollagenfasern zusammengesetzt, wobei diese circa 90 % des Skelettgewichts eines Erwachsenen ausmacht. Das überwiegende durch Osteoblasten gebildete Kollagen der Matrix ist vom Typ I – hauptsächlich Tropokollagen – und bildet über Vernetzungen zu anderen Kollagenmakromolekülen die Kollagenfibrillen. Wichtige andere Proteine in der Matrix sind Proteoglykane, Glykoproteine, Osteocalcin und Osteonektin.

Die Mineralphase besteht aus Calcium, Phosphat und Carbonat, die zusammen Hydroxyapatitkristalle – längliche hexagonalen Kristalle – bilden und sich nach der Orientierung der Kollagenfibrillen ausrichten. Ferner ist innerhalb der Mineralphase Natrium, Magnesium und Fluorid enthalten.

Die Stoffwechselaktivität des Knochens spielt sich vorwiegend an seiner Oberfläche ab. Alle Knochenoberflächen besitzen drei wichtige Zelltypen: Osteoblasten, Osteoklasten und Osteozyten (reife Knochenzellen).

Osteoblasten synthetisieren Kollagen und anderen Knochenproteinen und helfen bei der Mineralisierung der Matrix. Nach der Mineralisierung verbleiben einige Osteoblasten als "ruhende" oder „dormante“ Osteoblasten in der Oberfläche.

Osteozyten sind ehemalige Osteoblasten, die bei der Bildung des Knochens innerhalb der Matrix "gefangen wurden" und längere Zell-"dendriten" oder -Ausstülpungen entwickelt haben und als Mechanorezeptoren des Knochens die Belastungen des Knochens registrieren.

Osteoklasten sind vielkernige Zellen, die mit Hilfe von Säuren und Enzymen das Knochengewebe abbauen können und beim Knochenumbau eine Schlüsselposition einnehmen.

Die Erneuerung bestehender Knochen beginnt immer mit Hilfe der Osteoklasten, die das Knochengewebe erst einmal abbauen, wodurch „Lücken“ im Knochengewebe entstehen, die beim Gesunden wieder auf das ursprüngliche Niveau aufgefüllt werden. Dieses „Auffüllen“ gelingt bei der Osteoporose nicht mehr vollständig.

Eine Osteoporose kann einerseits lokal dadurch entstehen, dass die osteoklastäre Aktivität (Abbau) die osteoblastären Aktivität (Aufbau) überwiegt, was „High-turnover-Osteoporose“ genannt wird.

Andererseits kann eine Osteoporose einen verminderten osteoblastären Anbau bei einer gleichzeitigen normalen Osteoklastenaktivität bedingt sein, was „Low-turnover-Osteoporose“ genannt wird.

Diese Störungen können durch endokrine Faktoren, Störungen der Calciumbilanz, verminderte mechanische Belastung oder durch genetische Faktoren bedingt sein.

 

     
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