Fehlgeburt (Abort) – Medikamentöse Therapie

Therapieziel

  • Vermeidung des Abortes beim Abortus imminens bzw. Förderung der Ausstoßung der Frucht.

Therapieempfehlungen

  • Therapieempfehlungen in Abhängigkeit von der Diagnose:
    • Abortes imminens (drohender Abort): Magnesium, Progesteron/Dehyrosteron (Gestagene)
    • Missed abortion (verhaltener Abort): Abortinduktion (Einleitung des Aborts) mittels Gemeprost (Prostaglandin E1-Analogon) bzw. Mifepriston (Progesteron-Rezeptorantagonist) + vaginale Applikation von Misoprostol (Prostaglandin E1-Analogon)
      • Ausschlusskriterien für medikamentöses oder exspektatives Vorgehen:
        • septischer Abort (Infektion von Uterus ( Gebärmutter)/Adnexen (zusammenfassende Bezeichnung für die Anhangsgebilde der Gebärmutter: Eileiter und Eierstöcke), Pelveoperitonitis (Bauchfellentzündung im kleinen Becken); Temperatur > 39 °C)
        • Starke vaginale Blutung/Scheidensblutung (Hämoglobin < 9 g/dl)
        • Kreislaufinstabilität
        • Koagulopathien (Gerinnungsstörung
        • Extrauteringravidität (Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter)
        • Trophoblast Erkrankung (Blasenmole)
        • liegendes Intrauterinpessar
        • Wunsch der Patientin zur Kürretage (Curettage; Ausschabung der Gebärmutter)
        • Überempfindlichkeit bzw. Kontraindikationen gegen Misoprostol
    • Spätabort 15 - 24 SSW post menstruationem: Abortinduktion in zwei Schritten: Zervixreifung (Muttermundreifung), Weheninduktion (Stimulation der glatten Uterusmuskulatur/Gebärmuttermuskulatur) bis zum Abort
    • Febriler Abort/septischer Abort): Antibiose, Heparin, Volumensubstitution
      • Frühabort < 14 SSW, Kürettage (Ausschabung der Gebärmutter); 4-6 h nach Antibiotikagabe
      • Spätabort > 14 SSW, Kürettage nach Abortinduktion
    • Abortus habitualis (habitueller Abort; rezidivierende Spontanaborte, RSA; wiederholte Spontanaborte (WSA)))
      • Behandlung einer chronischen Endometritis (Gebärmutterentzündung) zum Zweck der Abortprophylaxe mittels Antibiotika
      • Behandlung einer Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) [oberer Grenzwert für das TSH bei einer Infertilität: 2,5 mU/l] [3]
        Bei unauffälligem TSH-Befund sollte zusätzlich fT3 und fT4 sowie Schilddrüsenautoantikörper bestimmt werden.
        • Manifeste Hyperthyreosen (Schilddrüsenüberfunktion oder Hypothyreosen (Schilddrüsenunterfunktion sollten grundsätzlich therapiert werden.
        • Bei subklinischer Hypothyreose ist die Evidenz zur Behandlung mit L-Thyroxin unklar [ESHRE].
        • Bei vorhandenen Schilddrüsen-Antikörpern sollte zwischen 7.-9. Schwangerschaftswoche TSH untersucht und ggf. behandelt werden [ESHRE].
      • Behandlung einer Thrombophilie (Thromboseneigung) mit Heparin bei Nachweis eines Antiphospholipid-Syndroms (APS; Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom; Inzidenz des APS bei WSA: 2-15 % [4])
        Beachte:  "Bei hereditärer Thrombophilie sollte keine antithrombotische Prophylaxe empfohlen werden, außer beim Vorliegen eines erhöhten Risikos für venöse thromboembolische Komplikationen (VTE)" [ESHRE]
      • Bei Vorliegen eines Antiphospholipid Syndroms (Antiphospholipid Antibody Syndrome, APSAPLS) und eines "non-criteria" APLS sollte mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS; 75-100 mg) und niedermolekularem Heparin (NMH) therapiert werden:
        • Ab dem positiven Schwangerschaftstest wird ASS bis zur 34 + 0. Schwangerschaftswoche (SSW) gegeben; NMH bis mindestens 6 Wochen post partum; Behandlung des "non-criteria" APS sollte identisch erfolgen
      • Frauen mit habituellen Frühaborten und hereditärem Faktor-XII-Mangel: Acetylsalicylsäure(ASS)-Monotherapie (40 mg/Tag) [2]
      • Frauen mit idiopathischen WSA: Therapie mit synthetischen Gestagenen im ersten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) zu Abortprophylaxe
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

 Weitere Hinweise

  • Es gibt keine gesicherte medikamentöse Therapie bzw. Prophylaxe bei einem Abortus imminens oder incipiens. Zur Anwendung kommen gelegentlich die oben genannten Wirkstoffe.
    Frühgeburten durch die intravaginale Applikation von Progesteron zu verhindern, hat bei Frauen, die bereits ein oder mehrere Fehlgeburten hatten, nicht zu einer Lebendgeburt verholfen [1].
  • Prävention einer Alloimmunisierung (Bildung von Antikörpern gegen fremde Antigene (Alloantigene): Rh-D‑Immunglobulingabe bei Rh(Rhesusfaktor)-negativen Frauen mit Aborten innerhalb von 72 Stunden – insbesondere im späten ersten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) sowie bei chirurgischem Vorgehen.

Fruchttod in der Frühschwangerschaft 

  • 200 mg Mifepriston (Progesteron-Rezeptorantagonist) + vaginale Applikation von 800 µg Misoprostol (Prostaglandin E1-Analogon) [5] →
    • Die Mifepriston-Gabe erhöhte den Anteil der Frauen, bei denen es nach einer einzigen Misoprostolbehandlung zu einer vollständigen Austreibung kam, von 67,1 % auf 83,8 %.
    • Der Anteil der Frauen, die eine Absaugung (manual vacuum aspiration (MVA)) benötigten, wurde von 23,5 auf 8,8 % gesenkt.
  • Eine Vorbehandlung mit Mifepriston hat die Erfolgsrate einer Behandlung der verhaltenen Fehlgeburt („Missed Abortion“) mit Misoprostol deutlich verbessert: Die Behandlung mit Mifepriston plus Misoprostol war bei der Behandlung von Fehlgeburten wirksamer als Misoprostol allein [6].
  • Die Anwendung von niedrig dosiertem oralem Misoprostol (≤ 50 µg) zur Einleitung der Wehen führt wahrscheinlich zu weniger Sektionen (Kaiserschnitt) und damit zu mehr vaginalen Geburten als vaginales Dinoproston, Oxytocin und ein transzervikaler Foley‐Katheter [7].

Beachte: 7 bis 21 Tage nach der Medikamenteneinnahme sollten eine sonographische Kontrolluntersuchung und ggf. HCG-Kontrollen erfolgen; gleiches gilt für außerplanmäßigen stärkere Blutungen.

Febriler Abort/Septischer Abort

Therapie

  • Antibiotika i.v., Breitspektrum inklusive Anaerobier (z. B. Cephazolin + Metronidazol)
  • Heparin
  • Volumensubstitution
  • Frühabort < 14 SSW, Kürettage 4-6 h nach Antibiotikagabe
  • Spätabort > 14 SSW, Kürettage nach Abortinduktion

Anti-D-Prophylaxe bei Rh-negativen Patientinnen

Abortus habitualis (habitueller Abort; rezidivierende Spontanaborte, RSA; wiederholte Spontanaborte (WSA))

  • Definition: ≥ 3. spontane Aborte (zunächst unklarer Genese) vor der 20. Schwangerschaftswoche (SSW)
  • Es wurden keine gesicherten Effekte nachgewiesen für: Glucocorticoide, intravenöse Immunglobuline, Lipiodinfusionen, die NK-Zell-Aktivität sowie die Bildung proinflammatorischer Zytokine senken, Allogene Lymphozytenübertragung („Lymphozytenimmunisierung“), G‑CSF(„granulocyte-colony stimulating factor“)-Gabe.
  • Therapie einer Autoimmunthyreoiditis (Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt) und subklinische Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) 
  • Behandlung einer Thrombophilie mit Heparin bei Nachweis eines Antiphospholipid-Syndroms (APS; Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom)
  • Bei Vorliegen eines Antiphospholipid Syndroms (Antiphospholipid Antibody Syndrome, APSAPLS) und eines "non-criteria" APLS sollte mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) und niedermolekularem Heparin therapiert werden.
  • Frauen mit habituellen Frühaborten und hereditärem Faktor-XII-Mangel: Acetylsalicylsäure(ASS)-Monotherapie (40 mg/Tag) [2]
  • Bei Frauen mit positiven Antikörpern gegen die Thyreoperoxidase (TPO-AK) konnte nachgewiesen werden, dass die Behandlung mit L-Thyroxin zu keinem oder höchstens zu einem sehr geringen Anstieg der Lebendgeburtenrate führt: 47 (50 %) von 94 Frauen in der L-Thyroxin-Gruppe versus 45 (48 %) von 93 Frauen in der Placebo-Gruppe (Risikoverhältnis 1,03; kein signifikanter Erfolg) [8].
  • Bei Schwangeren mit wiederholten Aborten (mindestens zwei Aborten) in der Anamnese und genetisch bedingter Thrombophilie wirkte sich eine NMH-Therapie (niedermolekulares Heparin) nicht auf die Lebendgeburtsrate aus: Fazit: diese Patienten sollten kein NMH erhalten; des Weiteren ist auch kein Screening auf genetisch-bedingte Thrombophilien (Thromboseneigung) indiziert [9].

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (C, E, D3, K, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, aktivierte Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Calcium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Chrom, Eisen, Jod, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Coomarasamy A et al.: A Randomized Trial of Progesterone in Women with Recurrent Miscarriages. N Engl J Med 2015; 373:2141-2148 November 26, 2015. doi: 10.1056/NEJMoa1504927
  2. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie von Frauen mit wiederholten Spontanaborten. (AWMF-Registernummer: 015-050), Februar 2018 Langfassung
  3. Abalovich M et al.: Management of thyroid dysfunction during pregnancy and postpartum: an Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2007;92(8 Suppl):S1–47
  4. Branch DW, Gibson M, Silver RM (2: Clinical practice. Recurrent miscarriage. N Engl J Med 2019;363(18):1740-1747
  5. Schreiber CA et al.: Mifepristone Pretreatment for the Medical Management of Early Pregnancy Loss. N Engl J Med 2018; 378:2161-2170 doi: 10.1056/NEJMoa1715726
  6. Chu JJ et al.: Mifepristone and misoprostol versus misoprostol alone for the management of missed miscarriage (MifeMiso): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet August 24, 2020 doi:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31788-8
  7. Kerr RS et al.: Low‐dose oral misoprostol for induction of labour. Cochrane Database of Systematic Reviews 22 June 2021 https://doi.org/10.1002/14651858.CD014484
  8. van Dijk M M et al.: Levothyroxine in euthyroid thyroid peroxidase antibody positive women with recurrent pregnancy loss (T4LIFE trial): a multicentre, randomised, double-blind, placebocontrolled, phase 3 trial. Lancet 2022; https://doi.org/10.1016/S2213-8587(22)00045-6
  9. Quenby S et al.: Heparin for women with recurrent miscarriage and inherited thrombophilia (ALIFE2): an international open-label, randomised controlled trial Lancet June 01, 2023 doi:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00693-1

Leitlinien

  1. ESHRE Early Pregnancy Guideline Development Group.Recurrent Pregnancy Loss 2017. Version 2, November 2017; https://​www.​eshre.​eu/​Guidelines-and-Legal/​Guidelines/​Recurrent-pregnancy-loss
  2. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie von Frauen mit wiederholten Spontanaborten. (AWMF-Registernummer: 015-050), Mai 2022 Langfassung