Herpes genitalis – Einleitung

Herpes genitalis – umgangssprachlich Genitalherpes genannt – (Synonyme: Genital Herpes; HSV-2; HSV-II; Herpes simplex; Herpes simplex genitalis; Herpes urogenitalis; Herpesviren; Herpesviren Infektion; ICD-10-GM A60.0: Infektion der Genitalorgane und des Urogenitaltraktes durch Herpesviren) ist eine chronische, lebenslang persistierende (andauernde) Viruserkrankung, die in den meisten Fällen durch eine Primärinfektion mit dem Herpes simplex-Virus (HSV) Typ 2 entsteht, manchmal auch durch den Herpes-simplex-Virus (HSV) Typ 1 (in ca. 30 % der Fälle). Nach der Infektion verstecken sich die Viren in Ganglien (Nervenknötchen) und können ein Leben lang reaktiviert werden.

Das Virus stammt aus der Familie der Herpesviridae. Es handelt es sich um einen Erreger aus der Gruppe der DNA-Viren.

Das Herpes simplex-Virus Typ 2 (HSV-2) verursacht überwiegend den Herpes genitalis und den Herpes neonatorum (Neugeborenen-Herpes).

Die Erkrankung gehört zu den sexuell übertragbaren Krankheiten (engl. STD (sexually transmitted diseases) oder STI (sexually transmitted infections)).

Epidemiologie

Reservoir

  • Der Mensch stellt zurzeit das einzige relevante Erregerreservoir dar.

Vorkommen

  • Die Infektion tritt weltweit auf.

Übertragungswege

  • HSV-2: Sexuell und perinatal (während der Geburt) als sogenannte Schmierinfektion.
  • HSV-1: Oral durch Speichel (Tröpfcheninfektion).

Eintritt des Erregers

  • Parenteral (nicht über den Darm): Über die Haut (geringgradig verletzte Haut; perkutane Infektion) und über die Schleimhäute (permuköse Infektion) in den Körper.

Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung)

  • HSV-2: 3-7 Tage.
  • HSV-1: 2-12 Tage.

Dauer der Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit) 

  • Ca. 80-90 % aller HSV-2-Infizierten zeigen eine intermittierende Ausscheidung des Virus an der genitalen Mukosa an ca. 20 % der Tage. Auch HSV-1-seropositive Patienten können eine asymptomatische Virusausscheidung nach einem vorangegangenen manifesten Herpes genitalis aufweisen. Das erklärt, dass der größte Teil der sexuellen Transmissionen von HSV sich während der asymptomatischen Phasen ereignet [6].
  • Genitale Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) zeigten eine „shedding rate“ im zweiten Monat von 12,1 %; nach elf Monaten war die "shedding rate" auf 7,1 % gefallen; einen positiven genitalen Abstrich hatten noch 32,8 % der Patienten. Genitale Infektionen mit HSV-2 sind deutlich länger: „shedding rate“ bei genitalen Infektionen mit HSV-2 nach 1 Jahr bei 33,6 % und nach 10 Jahren noch bei 16,7 % [6].

Häufigkeitsgipfel

  • HSV-2: Die Durchseuchung beginnt nach der Pubertät. Im Erwachsenenalter sind 10-30 % der Bevölkerung (weltweit) infiziert. Die Tendenz ist steigend.
  • HSV-1: Tritt schon in der Kindheit auf. Im Erwachsenenalter sind ca. 90 % der Bevölkerung (in Deutschland) infiziert.

Seroprävalenz (prozentuale Anzahl der positiv getesteten serologischen Parameter (hier: HSV) zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Population)

  • USA: Ca. 58 % für HSV-1 und 16 % für HSV-2 [2, 3].

Verlauf und Prognose

Verlauf

Eine genitale HSV-1-Infektion führt zu einem klinisch ausgeprägteren Ausbruch, jedoch zu weniger Rezidiven (Wiederauftreten der Erkrankung) im Vergleich zu HSV-2 (HSV-1-Rezidive: ca. 60 %; HSV-2-Rezidive: ca. 90 %). In mehr als 90 % der Fälle verläuft die Primärinfektion asymptomatisch (ohne Symptome). Bei ansonsten gesunden Personen ist der Verlauf der Infektion günstig, und die Erkrankung heilt spontan (von selbst) aus. Im Mittel haben Patienten mit genitaler HSV-1-Infektion ca. 1,3 Rezidive pro Jahr [4], während bei HSV-2-infizierten Patienten mit ca. 4 Rezidiven pro Jahr zu rechnen ist [5].

Bei einer maternalen (mütterlichen) Primärinfektion in den letzten 4 Wochen vor der Geburt liegt das neonatale Infektionsrisiko (des Neugeborenen) bei ca. 40-50 %, während es im ersten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) nur noch etwa 1 % beträgt.

Prognose

Bei ansonsten gesunden Personen ist die Prognose der HSV-Infektion günstig, da die Erkrankung meist spontan ausheilt. Rezidive können bei genitalen HSV-1-Infektionen mit etwa 1,3 Rückfällen pro Jahr und bei HSV-2-Infektionen mit etwa 4 Rückfällen pro Jahr erwartet werden.

Bei Kindern und Menschen mit Immundefizienz (Abwehrschwäche) kann sich die Infektion auf den gesamten Körper ausbreiten (Herpes-Sepsis) und unter Umständen lebensbedrohlich werden.

Hinweis! Bei Infektion mit HSV-2 wurde ein 3-fach erhöhtes HIV-Infektionsrisiko beschrieben [1].

Impfung: Eine Schutzimpfung gegen Herpes simplex-Viren steht bislang nicht zur Verfügung, befindet sich aber in der Entwicklung.

Literatur

  1. Freeman EE, Weiss HA, Glynn JR et al (2006): Herpes simplex virus 2 infection increases HIV acquisition in men and women: systematic review and metaanalysis of longitudinal studies. AIDS 20:73-83
  2. Seroprevalence of herpes simplex virus type 2 among persons aged 14-49 years – United States, 2005-2008 (2010) MMWR Morb Mortal Wkly Rep 59 (15):456-459
  3. Xu F, Sternberg MR, Kottiri BJ, McQuillan GM, Lee FK, Nahmias AJ, Berman SM, Markowitz LE (2006) Trends in herpes simplex virus type 1 and type 2 seroprevalence in the United States. JAMA 296(8):964-973. doi:296/8/964 [pii]10.1001/jama.296.8.964
  4. Engelberg R, Carrell D, Krantz E, Corey L, Wald A (2003) Natural history of genital herpes simplex virus type 1 infection. Sex Transm Dis 30(2):174-177
  5. Benedetti J, Corey L, Ashley R (1994) Recurrence rates in genital herpes after symptomatic first-episode infection. Ann Intern Med 121(11):847-854
  6. Johnston C et al.: Viral Shedding 1 Year Following First-Episode Genital HSV-1 Infection JAMA. 2022;328(17):1730-1739. doi:10.1001/jama.2022.19061

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) - Beratung, Diagnostik, Therapie. (AWMF-Registernummer: 059 - 006), August 2018 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung