Allergie und Impfen

Bei Kindern mit erhöhtem Allergierisiko führen Bedenken wegen allergischer Impfreaktion und Förderung der Allergieentwicklung durch Standardimpfungen zu einer unvollständigen Durchimpfung bei.

Nachfolgend "Empfehlungen zur Impfung von Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Allergierisiko" auf Grundlage des Positionspapiers der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) [1].


Mögliche Allergenquellen in Impfstoffen
(modifiziert nach [2])

Aktive Impfantigene Toxoide, Toxine
Andere Impfantigene (nativ, rekombinant)

Kontaminationen aus den Kulturmedien



Hühnerei
Hühnerembryo
Pferdeserum
Zellbestandteile von Mäusen, Affen, Hunden
Weitere Verunreinigungen Latex
Zusatzstoffe  
  • Antibiotika
Amphotericin B
Gentamycin
Kanamycin
Neomycin
Polymyxin B
Streptomycin
  • Konservierungsmittel
    
Formaldehyd
Natriumthimerfonat
Octoxinol
Thiomersal
2-Phenoxyethanol
  • Stabilisatoren
Gelatine
Lactose
Polysorbat 80/20

Führen Standardimpfungen für Kinder und Jugendliche zu allergischen Reaktionen? [1]

Daten aus mehreren Kohortenstudien zeigen keine vermehrte allergische Sensibilisierung gegen Umweltallergene nach Pertussis-Impfung bzw. nach MMR-Impfung [Literatur s. u. 1].

Statement 1: Standardimpfungen fördern nicht die Entwicklung allergischer Erkrankungen wie Neurodermitis, Asthma bronchiale und allergische Rhinitis (Heuschnupfen) 

Sollen Kinder mit allergischer Prädisposition regulär geimpft werden? [1]

Statement 2: Kinder mit atopischer Prädisposition, mit allergischer Sensibilisierung ohne klinische Symptome oder mit allergischen Erkrankungen, wie Neurodermitis, Asthma bronchiale und Heuschnupfen, sollen gemäß den STIKO-Empfehlungen unter Standardbedingungen (Standard-Impfstoff, ungeteilte Dosis, keine obligatorische Nachbeobachtungszeit) geimpft werden (Empfehlungsgrad A).

Statement 3: Bei laufender subkutaner Immuntherapie sollten Impfungen in der Erhaltungsphase und in der Mitte zwischen 2 Allergengaben durchgeführt werden (Empfehlungsgrad B).

Impfung bei Allergie auf Impfstoffbestandteile [1]

Hühnereiweiß
Impfstoffe, deren Viren in Hühnerfibroblasten-Zellkultur gezüchtet wurden (Masern-Mumps-Röteln, Tollwut, FSME), enthalten allenfalls Spuren von Hühnereiweiß (Nanogramm). Kinder mit anamnestisch bekannter Hühnereiweißallergie können ohne besondere Gefahr gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft werden.
Das Robert Koch-Institut empfiehlt, dass ausschließlich Kinder mit einer klinisch sehr schweren Form der Hühnereiweißallergie (z. B. anaphylaktischer Schock nach Genuss oder nur nach Kontakt von geringsten Mengen von Hühnereiweiß) unter besonderen Schutzmaßnahmen und anschließender Beobachtung (ggf. im Krankenhaus) geimpft werden sollten.

MMR-Impfung
Statement 4: Kinder mit manifester Hühnereiweißallergie (nur Hautreaktion) können unter Standardbedingungen MMR-geimpft werden. Kinder mit Atmungs-, Kreislauf- oder gastrointestinaler Reaktion sollen durch einen im Erkennen und Behandeln anaphylaktischer Reaktionen bei Kindern erfahrenen Arzt geimpft werden (ungeteilte Dosis, Mindestüberwachungszeit 2 Stunden) (Empfehlungsgrad A).

Einige Impfstoffe gegen Gelbfieber und Influenza werden unter Verwendung von bebrüteten Hühnereiern hergestellt. Diese können Herstellung bedingt höhere Hühnereiweißproteinmengen enthalten.
Aus allergologischer Sicht kann bei ausschließ­lich kutaner Reaktion auf Hühnerei die Impfung mit TIV in der Praxis erfolgen (ungeteilte Dosis, 2 Stunden Nachbeobachtung); bei Atem-Kreislauf-Reaktion oder gastrointestinalen Symptomen auf Hühnerei sollte die Impfung mit TIV durch einen Arzt, der in der Behandlung anaphylaktischer Reaktionen erfahren ist, erfolgen (ungeteilte Dosis, 2 Stunden Nachbeobachtung).

Statement 5:
Influenza-Impfung

Kinder mit manifester Hühnereiweiß­allergie (nur Hautreaktion) sollen mit inaktivierter Influenza-Vakzine geimpft werden (TIV, ungeteilte Dosis, Mindestüberwachungszeit 2 Stunden) (Empfehlungsgrad A). Kinder mit Atmungs-, Kreislauf- oder gastrointestinaler Reaktion sollen durch einen im Erkennen und Behandeln anaphylaktischer Reaktionen bei Kindern erfahrenen Arzt geimpft werden (ungeteilte Dosis, Mindestüberwachungszeit 2 Stunden) (Empfehlungsgrad A).

Statement 6:
Gelbfieber-Impfung
Kinder mit manifester Hühnereiweiß-Allergie sollen Gelbfieber-Impfung nur nach sorgfältiger individueller Nutzen-Risiko-Abwägung erhalten (Empfehlungsgrad A). Wenn die Impfung indiziert ist, soll sie in Kooperation mit einem im Erkennen und Behandeln anaphylaktischer Reaktionen bei Kindern erfahrenen Arzt fraktioniert unter stationärer Überwachung geimpft werden (Empfehlungsgrad A).

Gelatine, Hefepilze
Bei klinisch manifester Allergie gegen Beimengungen wird empfohlen, einen diesbezüglich freien Impfstoff zu verwenden. Ist dies nicht möglich, kann in individueller Risiko-Nutzen-Abwägung analog zum für Gelbfieberimpfung beschriebenen Prozedere fraktioniert geimpft werden.

Welche allergologische Diagnostik ist sinnvoll? [1]

Allgemeine Empfehlungen zur allergologischen Diagnostik finden Sie unter dem Thema "Allergiediagnostik". Beachten Sie dabei die Statements 7-9. Des Weiteren wird vor der Hauttestung ein Abstand von mindestens 4 Wochen seit allergischer Impfstoffreaktion empfohlen.

Statement 7: Die Durchführung von Hauttests zur Vorhersage oder zum Ausschluss allergischer Reaktion auf einen Impfstoff sollte ohne vorangegangene klinisch-allergische Reaktion auf einen Impfstoff nicht erfolgen (Empfehlungsgrad B).

Statement 8: Die Durchführung von Hauttests mit Impfstoff bzw.mit Einzelkomponenten des Impfstoffs nach vorangegangener klinisch-allergischer Reaktion auf einen Impfstoff zur Minimierung des Risikos für zukünftige Impfstoffreaktionen sollte erfolgen (Empfehlungsgrad B). 

Statement 9: Die Bestimmung von Serum-IgE gegen Impfantigene zur Vorhersage oder Diagnostik allergischer Impfreaktionen sollte nicht erfolgen (Empfehlungsgrad B).

Vorgehen bei vermuteter allergischer Reaktion auf eine Impfung [1]

Nach allergischer Impfreaktion ist vor jeder Diagnostik in Synopsis mit der Schwere der Reaktion eine Risiko-Nutzen-Abwägung im Gespräch mit Patient und Eltern notwendig.

Eine Diagnostik ist nur dann sinnvoll, wenn weitere Impfungen mit dem entsprechenden Impfantigen oder im Impfstoff enthaltenen potenziell allergenen Bestandteilen indiziert sind. Erster Schritt der Diagnostik ist eine sorgfältige Anamnese. Kardinalfragen umfassen Zeitpunkt des Auftretens der Reaktion (Reaktion vom Soforttyp – innerhalb von 4 Stunden – bzw. vom verzögerten Typ), Ausdehnung (lokal oder systemisch), genaue Beschreibung der klinischen Reaktion und Identifizierung der Impfstoff-Inhaltsstoffe als mögliche Auslöser. Bei verzögerter Reaktion sind insbesondere zur Abgrenzung möglicher anderer Ursachen oder Kofaktoren weitere Informationen notwendig.

Statement 10: Nach anaphylaktischer Impfstoffreaktion soll eine allergologische Aufarbeitung erfolgen, um das Risiko für zukünftige anaphylaktische Reaktion zu minimieren (Empfehlungsgrad A).

Anamnestische Informationen bei Verdacht auf allergische Impfreaktionen (modifiziert nach [1])

 Zeitpunkt
  • Soforttyp (innerhalb von 4 Stunden)
  • Verzögerter Typ
 Ausdehnung
  • lokal
  • systemisch
 Symptome
  • Urtikaria (Nesselsucht)/Angioödem 
  • Exanthem (Hautausschlag)
  • Rhinokonjunktivitis (allergische Entzündung der Nasenschleimhaut in Verbindung mit einer allergisch bedingten Erkrankung der Bindehaut)
  • Obstruktive Ventilationsstörung (asthmatische Beschwerden)
  • Kreislaufreaktion (Tachykardie, RR-Abfall) 
  • Nausea (Übelkeit)/Erbrechen,  
  • Defäkation (Stuhlgang)
 Dauer
  • Stunden
  • Tage
  • länger bzw. undulierend
 Rückbildung
  • spontan
  • unter Medikation (welcher?)
 Cofaktoren
  • Infektion
  • zeitnaher Kontakt zu anderen potentiellen Allergenen 
 Impfanamnese
  • Frühere allergische Impfreaktionen?
  • Erneute Impfung erforderlich? 
 Andere bekannte Allergien/Erkrankungen
  • Asthma bronchiale, Ekzem, Rhinoconjunctivitis
  • Urtikaria
  • Kontaktallergie
  • Nahrungsmittelallergie
  • Medikamentenallergie

Statement 11: Folgeimpfungen nach anaphylaktischer Impfreaktion bzw. nach anaphylaktischer Reaktion gegen einen Impfstoff-Bestandteil sollen unter stationärer Überwachung (i.v.-Zugang, fraktionierte Dosis, Mindestüberwachungszeit 2 Stunden nach letzter Teildosis) durch einen im Erkennen und Behandeln anaphylaktischer Reaktionen bei Kindern erfahrenen Arzt erfolgen (Empfehlungsgrad A). Nach Möglichkeit soll das auslösende Allergen gemieden werden (Empfehlungsgrad A).

Prävention und Management allergischer Impfreaktionen [1]

Statement 12: Bei unbekannter allergologischer und Impfanamnese soll vor Impfung nach früherer allergischer Impfreaktion und nach allergischer Reaktion gegen Bestandteile des Impfstoffs gefragt werden (Empfehlungsgrad A).

Statement 13: Bei erhöhtem Risiko für allergische Impfreaktion soll neben der allgemeinen Impfaufklärung auch speziell über dieses Risiko aufgeklärt werden (Empfehlungsgrad A).

Statement 14: Bei erhöhtem Risiko für anaphylaktische Reaktion auf Impfung sollte eine Nachbeobachtung von mindestens 2 Stunden erfolgen (Empfehlungsgrad B). 

Statement 15: Die Durchführung jeder Schutzimpfung erfordert die fachliche Qualifikation und die Ausstattung zur Behandlung potenzieller anaphylaktischer Reaktionen (Empfehlungsgrad A).  

Statement 16: Die Behandlung allergischer Impfreaktionen entspricht der Behandlung systemischer allergischer Reaktionen anderer Ätiologie (Empfehlungsgrad A).

Statement 17:  Eine Verzögerung des Impfschutzes gegen potenziell zu Behinderung führende oder tödliche Erkrankungen unter der vermeintlichen Vorstellung, Allergien oder Asthma zu verhindern, ist nicht gerechtfertigt (Empfehlungsgrad A).

Fazit des Positionspapiers [1]: Zusammengefasst zeigen die gegenwärtig verfügbaren Daten keinen allergieprotektiven Effekt durch Verzögerung der öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen.

Literatur

  1. Grüber C et al.: Empfehlungen zur Impfung von Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Allergierisiko. Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“, September 2015
  2. Fritsche PJ, Helbling A, Ballmer-Weber BK (2010) Vaccine hypersensitivity – update and overview. Swiss Med Wkly. 2010 May 1;140(17-18):238-46. doi: smw-12980.
     
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