Operative Therapie
Malignes Melanom

Beachte: Bei Patienten mit einem Melanom der Haut im Frühstadium erhöhte das Hinauszögern der Operation nach der Biopsie (Gewebeentnahme) möglicherweise die Mortalitätsrate (Sterberate): Patienten, die erst zwischen 90 und 119 Tagen nach der Biopsie bzw. noch später operiert wurden, hatten ein erhöhtes Mortalitätsrisiko (Hazard Ratio [HR]: 1,09 bzw. 1,12): Im Vergleich zu Patienten, die innerhalb von vier Wochen operiert wurden [9].

Chirurgische Maßnahmen

Ein malignes Melanom sollte primär mit kleinem Sicherheitsabstand komplett exzidiert werden. Die S3-Leitlinie gibt dazu detailliert an: "bei der Exzision wird ein lateraler Sicherheitsabstand von ungefähr 2 mm empfohlen, zur Tiefe sollte bis ins Fettgewebe exzidiert werden".

Exzision in toto 
(chirurgisch vollständig enttfernen)
Tumordicke nach Breslow Sicherheitsabstand
≤ 2 mm 1 cm
> 2 mm  2 cm

Hinweis: Bei In-situ-Melanomen (MIS) oder einer Lentigo maligna sollte der Sicherheitsabstand größer 3 mm betragen.

Beachte: Bei R1- und R2-Situation (mikroskopisch bzw. makroskopisch nachgewiesener Residualtumor/Resttumor) der Primärtumorregion soll immer eine Nachresektion erfolgen, wenn hierdurch eine R0-Situation (kein Residualtumor) erreichbar ist.Hinweis: Bei In-situ-Melanomen oder einer Lentigo maligna (intraepidermale (in der Oberhaut gelegene) neoplastische Proliferation atypischer Melanozyten) sollte der Sicherheitsabstand größer 3 mm betragen.

Weitere Hinweise

  • Melanoma in situ (MIS) werden komplett inzidiert und mit einem Sicherheitsabstand von 10 mm entfernt.
  • Ein Sicherheitsabstand von 1 cm bei der Primärexzision scheint auch bei dickeren Melanomen ausreichend zu sein [1].
    Bislang werden dickere Melanome noch mit einem Sicherheitsabstand von 2 cm und dünne Melanome bis 2 mm Tumordicke mit 1 cm Sicherheitsabstand.
    In multizentrischen Studien muss zukünftig untersucht werden, ob ein Sicherheitsabstand von 1 cm auch für dickere Melanome tatsächlich ausreicht.
  • Eine Studie mit fast 20 Jahren Nachbeobachtungszeit konnte nachweisen, dass, wenn kutane Melanome mit einer Dicke über 2 mm mit einem 2 cm Resektionsrand entfernt werden dieses eine ähnlich gute Prognose garantiert wie eine weiträumigere Exzision [12].
  • Beachte: Durch den Sicherheitsabstand werden, ausschließlich Lokalrezidive vermieden. Er hat keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben und die Entwicklung von Metastasen. 
  • Laut der aktuell gültigen deutschen S3-Leitlinie zum malignen Melanom ist bei einem Sicherheitsabstand von > 3 mm mit einer Rezidivrate von 0,5 % zu rechnen.
  • Beim Vergleich einer Exzision (chirurgisches Entfernen) mit einem Sicherheitsabstand von mehr als 3 mm mit mikrographisch kontrollierter Mohs-Chirurgie mit 3-D-Histologie bei Vorliegen eines Melanoma in situs lebten nach fünf, zehn und 15 Jahren nach weiter Exzision noch 94 %, 86 % und 76 % der Patienten und nach Mohs-Chirurgie 92 %, 81 % und 73 % der Patienten; Differenzen im Gesamtüberleben waren ebenso wenig signifikant wie jene beim krebsspezifischen Überleben [10].

Sentinellymphonodektomie (SLNE) (engl. Sentinel Node Biopsie (SNB); Wächterlymphknoten)

Zeitpunkt der Sentinel-Lymphknotenbiopsie: Die Biopsie (Gewebeentnahme) der Wächterlymphknoten frühzeitig, d. h. innerhalb von 30 Tagen nach der ersten diagnostischen Hautbiopsie (Gewebeentnahme aus der Haut), sowie danach, zeigte keine Unterschiede in den Überlebensraten nach zehn Jahren 64,4 ± 4,5 % versus 65,6 ± 3,4 % [8].

Sentinel-Lymphknotenbiopsie (Wächterlymphknoten-Biopsie; engl. Sentinel Node Biopsie, SNB) [S3-Leitlinie]:

  • Zur Stadienzuordnung soll die Wächterlymphknoten-Biopsie (Gewebeentnahme) ab einer Tumordicke von 1,0 mm und ohne Hinweis auf lokoregionale oder Fernmetastasierung (Absiedelung von Tumorzellen vom Ursprungsort über das Blut/das Lymphsystem an einen entfernten Ort im Körper und dort Wachsen von neuem Tumorgewebe) durchgeführt werden.
  • Bei zusätzlichen Risikofaktoren für einen positiven Wächterlymphknoten sollte die Wächterlymphknoten-Biopsie auch bei dünneren Primärtumoren (0,75-1 mm) durchgeführt werden, dazu gehören Ulzeration (Geschwürbildung) und/oder erhöhte Mitoserate und/oder ein jüngeres Lebensalter (< 40 Jahre).

Weitere Hinweise

  • Keine Sentinel-Lymphknotenbiopsie oder andere diagnostische Tests bei Melanoma in situ, T1a- oder T1b-Melanomen ≤ 0,5 mm (s. u. Klassifikation), da sie das Überleben nicht verbessert. Hier ist das Risiko einer Ausbreitung sehr gering; die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten liegt bei 97 %.
    Ansonsten wird das krankheitsfreie Überleben durch die Sentinel-Lymphknotenbiopsie deutlich verlängert [2].
    Eine weitere Studie belegte ebenfalls, dass es zu einer signifikanten Verlängerung der progressionsfreien Zeit kommt [6]:
    • Patienten mit Dissektion des Wächterlymphknotens: tumorspezifische Überleben 102,7 Monaten; Zehnjahresüberlebensrate 74,9 %
    • Vergleichsgruppe: 97 Monate bzw. 66,9 % Überlebensrate
    Nach der aktuellen S3-Leitlinie soll dem Patienten ab einer Tumordicke > 1,0 mm die Wächterlymphknotenbiopsie angeboten werden.
  • Bei histologischem Nachweis einer partiellen Regression im Primärtumor (= neoplastische Zellen sind innerhalb des Tumors verschwunden oder zu mindestens in der Dermis reduziert; Vorkommen: ca. 10 bis 30 % der Fälle) zeigte eine Metaanalyse aller Studien, dass die Wahrscheinlichkeit für den bioptischen Nachweis von Mikrometastasen im Wächterlymphknoten um 44 % (Odds Ratio [OR]: 0,56; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 0,41 und 0,77) verringert war. Dieses ging einher mit einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien und des krebsspezifischen Überlebens [4].

Vorgehen im lokal metastasierten Stadium (Stadium III)

Eine elektive Lymphadenektomie (LAD; Lymphknotenentfernung) nach Primärdiagnose wird nicht empfohlen.

Bei klinisch und sonographisch bzw. bildgebend manifesten Lymphknotenmetastasen und Ausschluss von Fernmetastasen sollte allerdings eine therapeutische LAD der erfolgen. Dieses führt zur Vermeidung regionaler Rezidive und verfolgt zugleich einen kurativen Ansatz.

Weitere Hinweise

  • Komplettierende Lymphknotendissektion bei Patienten mit malignem Melanom und Befall der Wächterlymphknoten: diese hat in einer großen randomisierten kontrollierten Studie die Prognose der Patienten nicht verbessert [7].
  • Intervall zwischen Primärexzision und Diagnose des ersten Fernrezidivs (Variable: 12-24 Monate vs. > 24 Monate) zeigte weder zum progressionsfreien noch zum Überleben insgesamt eine signifikante Assoziation. Dabei beruhte die Analyse auf 638 Kohortenteilnehmern, bei denen zwischen 2013 und 2017 ein nicht operables Melanom im Stadium III oder IV festgestellt wurde [11].

Operatives Vorgehen

1. Ordnung

  • Primärtumor – Exzision (chirurgisches Entfernen) in toto mit ausreichendem Sicherheitsabstand; ggf. mit Sentinel-Lymphknotenbiopsie* (engl. Sentinel Node Dissektion, SLND) – bei Mikrometastasen im Sentinellymphknoten (Wächterlymphknoten) ist das weitere Vorgehen abhängig vom Durchmesser der Metastasen:
    • Durchmesser < 0,1 mm oder Einzelzellen im Wächterlymphknoten: auf eine komplettierende Lymphknotendissektion kann verzichtet werden (LoE 2b)
    • Durchmesser 0,1-1 mm: eine komplettierende Lymphknotendissektion (operative Entfernung der Lymphknoten) kann angeboten werden, wobei weitere Risikofaktoren zu berücksichtigen sind (LoE 2b). Relevant sind dabei vor allem Kapselinfiltration, Tiefenausdehnung im Wächterlymphknoten und Anzahl der betroffenen Wächterlymphknoten sowie Dicke und Ulzeration des Primärtumors.
    • Durchmesser > 1 mm: Sollte-Empfehlung für die komplettierende Lymphknotendissektion (s. u. "Weitere Hinweise)
      Mögliche Komplikationen: Störung der Lymphdrainage
  • Lokoregionäre Metastasen → intratumorale Injektion von Interleukin-2 und der intratumoralen Elektrochemotherapie mit Bleomycin oder Cisplatin bzw. onkolytische Immuntherapie
  • Fernmetastasen (Tochtergeschwülste in der Ferne): Die Resektion (operative Entfernung) von Fernmetastasen sollte in Betracht gezogen werden, wenn sie technisch als R0-Resektion (mikroskopisch kein Nachweis von Resttumor) machbar ist [S3-Leitlinie] und
    • kein inakzeptables funktionelles Defizit erwarten lässt 
    • positive prädiktive Faktoren für das lokale Vorgehen vorliegen (geringe Metastasenzahl, lange Dauer des metastasenfreien Intervalls),
    • andere Therapieverfahren ausgeschöpft oder weniger erfolgversprechend sind. 

*Mittels MSOT-Methode ("Multispektrale Optoakustische Tomographie") kann der Sentinel-Lymphknoten nichtinvasiv auf Metastasierung untersucht werden [5].

Literatur

  1. Hunger RE et al.: A retrospective study of 1- versus 2-cm excision margins for cutaneous malignant melanomas thicker than 2 mm. J Am Acad Dermatol 2015; online 13. April 2015
  2. S3-guideline: Malignant melanoma S3-guideline „diagnosis, therapy and follow-up of melanoma“. J Dtsch Dermatol Ges. 2013 Aug;11 Suppl 6:1-116, 1-126. doi: 10.1111/ddg.12113_suppl.
  3. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms. (AWMF-Registernummer: 032-024OL), Juli 2020 Kurzfassung Langfassung
  4. Ribero S et al.: Association of Histologic Regression in Primary Melanoma With Sentinel Lymph Node Status. JAMA Dermatol 2015; online 2. September 2015; doi:10.1001/jamadermatol.2015.2235
  5. Stoffels I et al.: Metastatic status of sentinel lymph nodes in melanoma determined noninvasively with multispectral optoacoustic imaging. doi: 10.1126/scitranslmed.aad1278
  6. Geimer T et al.: The impact of sentinel node dissection on disease-free and overall tumour-specific survival in melanoma patients: a single centre group-matched analysis of 1192 patients. JEADV 2016; online 29. Sept. 2016 doi: 10.1111/jdv.13939
  7. Faries MB et al.: Completion Dissection or Observation for Sentinel-Node Metastasis in Melanoma. N Engl J Med 2017; 376:2211-2222 June 8, 2017 doi: 10.1056/NEJMoa1613210
  8. Nelson DW et al.: Impact of Time Between Diagnosis and SLNB on Outcomes in Cutaneous Melanoma. Journal of the American College of Surgeons 2017; online 28. Juni. doi: 10.1016/j.jamcollsurg.2017.05.013
  9. Conic RZ et al.: Determination of the impact of melanoma surgical timing on survival using the National Cancer Database. JAAD 2017; online 17. Oktober 2017. doi: http://www.jaad.org/article/S0190-9622(17)32300-9/abstract
  10. Phan K et al.: Mohs micrographic surgery versus wide local excision for melanoma in situ: analysis of a nationwide database . Int J Dermatol 2019; https://doi.org/10.1111/ijd.14374
  11. Vallet A et al.: Association of Time From Primary Diagnosis to First Distant Relapse of Metastatic Melanoma With Progression of Disease and Survival. JAMA Dermatol 2019; https://doi.org/10.1001/jamadermatol.2019.0425
  12. Utjés D et al.: 2-cm versus 4-cm surgical excision margins for primary cutaneous melanoma thicker than 2 mm: long-term follow-up of a multicentre, randomised trial. Lancet 2019; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31132-8

Leitlinien

  1. S3-guideline: Malignant melanoma S3-guideline „diagnosis, therapy and follow-up of melanoma“. J Dtsch Dermatol Ges. 2013 Aug;11 Suppl 6:1-116, 1-126. doi: 10.1111/ddg.12113_suppl.
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms. (AWMF-Registernummer: 032-024OL), Juli 2020 Kurzfassung Langfassung
     
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