Einleitung
Störungen der Sexualpräferenz

Unter dem Titel "Störungen der Sexualpräferenz" (Paraphilie; griech. παραφιλία von pará, "abseits", "neben", und philía, "Freundschaft", "Liebe"; engl. Paraphilic Disorders; ICD-10-GM F65.-) werden im ICD-10-GM-Verzeichnis Diagnosen aufgeführt, bei denen die sexuelle Stimulation primär durch unübliche sexuelle Handlungen oder Fantasien erlebt wird, die sich auf ungewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten beziehen.

Die Sexualpräferenz beschreibt, wodurch eine Person sexuell erregt wird.

Geschlechterverhältnis: Störungen der Sexualpräferenz treten überwiegend bei Männern auf.

Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich streng an den Definitionen des ICD-10-GM-Verzeichnisses.

Zu den Störungen der Sexualpräferenzen gehören:

  • Fetischismus (ICD-10-GM F65.0): Gebrauch toter Objekte als Stimuli für die sexuelle Erregung und Befriedigung.
  • Fetischistischer Transvestitismus (ICD-10-GM F65.1): zur Erreichung sexuelle Erregung wird Kleidung des anderen Geschlechts getragen; damit wird der Anschein erweckt, dass es sich um eine Person des anderen Geschlechts handelt.
  • Exhibitionismus (ICD-10-GM F65.2): Die wiederkehrende oder anhaltende Neigung, die eigenen Genitalien vor meist gegengeschlechtlichen Fremden in der Öffentlichkeit zu entblößen, ohne zu einem näheren Kontakt aufzufordern oder diesen zu wünschen.
  • Voyeurismus (ICD-10-GM F65.3): Wiederkehrender oder anhaltender Drang, anderen Menschen bei sexuellen Aktivitäten oder intimen Tätigkeiten, z. B. Entkleiden, zuzusehen ohne Wissen der beobachteten Person.
  • Pädophilie (ICD-10-GM F65.4): Sexuelle Präferenz für Kinder, Jungen oder Mädchen oder Kinder beiderlei Geschlechts, die sich meistens in der Vorpubertät oder in einem frühen Stadium der Pubertät befinden.
  • Sadomasochismus (ICD-10-GM F65.5): Es werden sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln bevorzugt.
    • Masochismus: wenn die betroffene Person diese Art der Stimulation erleidet.
    • Sadismus: wenn jemand einem anderen Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln zufügt.
  • Multiple Störung der Sexualpräferenz (ICD-10-GM F65.6): Vorliegen mehrerer abnormen sexuellen Präferenzen, ohne dass ein im Vordergrund steht. Die häufigste Kombination ist Fetischismus, Transvestitismus und Sadomasochismus.
  • Sonstige Störungen der Sexualpräferenz (ICD-10-GM F65.6): z. B. 
    • obszöne Telefonanrufe,
    • reiben/pressen des eigenen Körpers an andere Menschen zur sexuellen Stimulation in Menschenansammlungen (= Frotteurismus),
    • sexuelle Handlungen an Tieren (= Zoophilie),
    • Strangulieren und Nutzen der Anoxie (Sauerstoffmangels) zur Steigerung der sexuellen Erregung,
    • auf Leichen ausgerichtete Sexualpräferenz (= Nekrophilie)
    • u. v. m.

Bei den Störung der Sexualpräferenz muss es sich um „mindestens sechs Monate lang wiederkehrende und intensive, sexuell erregende Fantasien, sexuelle Bedürfnisse oder Verhaltensweisen" handeln, die bedeutendes Leiden oder Funktionsstörung verursachen.

Weitere Formen der Sexualpräferenzen:

  • Asexualität: kein Verlangen nach sexueller Interaktion
  • Pansexualität (Präfix "pan“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet "alles“; Synonym: Omnisexualität; Anthrosexualität): sexuelle Orientierung, bei der Personen in ihrem Begehren keine Vorauswahl nach Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität* treffen; kann für Menschen aller Geschlechtsidentitäten, d. h. neben den binären Geschlechtern Mann und Frau – von bi- oder homosexuellen Frauen und Männern – auch für jegliche andere Geschlechtsidentitäten (z. B. über transsexuelle Menschen bis zu Hermaphroditen/Individuen einer Art mit männlicher und weiblicher Geschlechtsausprägung (Intersexuelle, Zwitter)) sexuelle oder romantische Gefühle empfinden.
  • Bisexualität (eigentlich „Ambisexualität“, nach der lateinischen Vorsilbe bi- für „zwei“): sexuelle Orientierung oder Neigung, sich zu zwei Geschlechtern emotional und/oder sexuell hingezogen zu fühlen.
  • Homosexualität: sexuelle Orientierung, bei der das sexuelle Verlangen überwiegend auf Personen des gleichen Geschlechts ausgerichtet ist: Frauen mit Frauen (Lesben) und Männer mit Männern (Schwulen).
    Demografische Zahlenerhebungen für die Homosexualität variieren zwischen 2-6 %; 1,5-2 Prozent lesbische Frauen und bis zu 3,5-4 Prozent schwule Männer.
    Beachte: 1987 wurde die Homosexualität aus dem DSM-III-R gestrichen und 1991 auch aus dem ICD-10-GM. Seitdem gilt Homosexualität als normal.

 *Geschlechtsidentität: „subjektive Gefühl eines Menschen, sich als Mann oder Frau (oder dazwischen) zu erleben“

Störungen der Geschlechtsidentität:

  • Transgender (lat. trans "jenseits von", "darüber hinaus" und engl. gender "soziales Geschlecht") bezeichnet Personen, deren Geschlechtsidentität nicht oder nicht vollständig mit dem nach der Geburt anhand der äußeren Merkmale eingetragenen Geschlecht übereinstimmt oder die eine binäre Zuordnung (Mann oder Frau) ablehnen. Je nach Positionsbestimmung spricht man von Transgender-Personen, mit weiblicher (Transfrau) sowie männlicher (Transmann) Geschlechtsidentität und allen Identitätsformen (nicht-binäre Geschlechtsidentitäten) dazwischen.
    Beachte: Die Transgeschlechtlichkeit ist unabhängig von der sexuellen Orientierung, d. h. es kann sich dabei um Heterosexuelle, Homosexuelle, Bisexuelle oder Asexuelle handeln.
  • Transsexualismus oder Transsexuelle (von lateinisch trans „hinüber, jenseits“, und sexus "Geschlecht[steil]"; ICD-10-GM F64.-: Störungen der Geschlechtsidentität; nach neuer wissenschaftlicher Terminologie als Geschlechtsinkongruenz oder Geschlechtsdysphorie bezeichnet): Menschen mit dem Wunsch, „als Angehörige des anderen Geschlechts zu leben und anerkannt zu werden"; unvollständige Identifikation eines Menschen mit dem ihm nach Geschlechtsmerkmalen von anderen zugewiesenen Geschlecht.
  • Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen (lat. trans "hinüber“, vestire "kleiden“; ICD-10-GM F64.-: Störungen der Geschlechtsidentität: Tragen der Bekleidung eines anderen Geschlechts; unabhängig von der sexuellen Orientierung.
  • Der Wunsch nach dauerhafter Geschlechtsumwandlung oder chirurgischer Korrektur besteht nicht; der Kleiderwechsel ist nicht von sexueller Erregung begleitet.
    Störung der Geschlechtsidentität in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter, nicht transsexueller Typus

Nachfolgend in diesem Kontext die Definitionen von LGBT und Transgender:

  • LGBT (auch GLBT, LGBTI, LGBTQ+), eine aus dem englischen Sprachraum kommende Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender), beschreibt eine Gemeinschaft, deren Gemeinsamkeit die Heteronormität ist. D. h. eine Weltanschauung, bei der die Heterosexualität die soziale Norm ist.

Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) bei Störungen der Sexualpräferenz [Leitlinien: 1]: Sucht und Angststörungen (bis zu 80 %); Affektive Störungen (schwere (Major Depression) bis zu 30 %, leichte bis zu 60 %); Psychoorganische Beeinträchtigung und schizophrene Psychosen (bis zu 5 %); Zwangsstörungen (bis zu 10 %); Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS; engl. attention deficit hyperactivity disorder (ADHD)): bei paraphilen Patienten bzw. Sexualstraftätern finden sich in der Vorgeschichte gehäuft Aufmerksamkeitsdezifit-Hyperaktivitäts-Syndrome in der Kindheit und Jugend, teilweise auch noch im Erwachsenenalter; Persönlichkeitsstörungen.

Leitlinien

  1. Berner W et al.: Kurzversion der Leitlinien zur Diagnose, Therapie und Prognose von Störungen der sexuellen Präferenz bzw. von Paraphilien Steinkopff Verlag Darmstadt 2007 doi: https://doi.org/10.1007/978-3-7985-1775-2
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik, Beratung und Behandlung. (AWMF-Registernummer: 138-001), Februar 2019 Kurzfassung Langfassung
     
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