Zur Prävention der Suizidalität (Selbstmordgefährdung; Suizidprävention) muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Genussmittelkonsum
- Alkoholabusus (50 % aller Fälle)
- Drogenkonsum
- Cannabis* (Haschisch und Marihuana)
- Konsum der Eltern → erhöhtes Risiko für einen Suizidversuch von Kindern [1]
- Konsum des Kindes/Jugendlichen vor dem 18. Lebensjahr erhöht das Risiko auf eine spätere Depression und Suizide [3]
- Cannabis* (Haschisch und Marihuana)
- Psycho-soziale Situation
- Chronischer Stress (Dauerstress)
- Cybermobbing (USA Cyberbullying), d. h. Beleidigung, Beschimpfung, Demütigung, Verleumdung, Nötigung oder Belästigung anderer Menschen über das Internet oder per Mobiltelefon → Bullycide (= der durch Cybermobbing herbeigeführte Suizid)
- Hoffnungslosigkeit (z. B. Symptom einer schweren depressiven Episoden)
- Verlust des Selbstwertes
- Überwältigende Schuldgefühle
Krankheitsbedingte Risikofaktoren [intensive ärztliche Betreuung und Therapie]
- Psychische Erkrankungen
- Depression – neben einem Depressionsscreening (siehe unter Depression/Anamnese) sollte ärztlicherseits gezielt danach gefragt werden, ob Suizidgedanken vorliegen*
- Bipolare Störung – affektive (sich verändernde Grundstimmung) Störung, bei der es sowohl zu depressiven als auch zu manischen Phasen kommt.
- Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) – Identitätsstörungen, Gefühle der Leere und übertriebene Bemühungen, nicht verlassen zu werden, waren signifikant mit Suizidversuchen von BPS-Patienten assoziiert [8]
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
- Angststörungen
- Burnout-Syndrom
- Panikstörungen/Panikattacke
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Schizophrenie – gehört zur Gruppe der Psychosen
- Soziale Phobie
- Schwere Essstörungen
- Anorexia nervosa (Magersucht)
- Bulimia nervosa (Essbrechsucht)
- Schwere körperliche/chronische Erkrankungen
- Chronisches Müdigkeitssyndrom (CMS)
- Commotio cerebri (Gehirnerschütterung)
- Epilepsie (Krampfanfälle)
- Multiple Sklerose (MS)
- Schwere Insomnie (Schlafstörungen/insb. Durchschlafstörungen) → Gabe eines Schlafmittels (8-wöchige Behandlung mit Zolpidem führte im Vergleich mit Placebo zu einer stärkeren Reduktion von suizidalen Vorstellungen [4])
- Post-Apoplex (Schlaganfall)
- Psoriasis (Schuppenflechte)
- Schmerzen, quälende
- Selbstverletzung: Selbstverletzendes Verhalten (SVV) oder autoaggressives Verhalten
- akutes Suizidrisiko im ersten Monat nach Selbstverletzung um rund 180-fach erhöht [5]
- Gefahr für Tod infolge akuter Alkohol- oder Drogenintoxikation 34-mal so hoch wie in der Kontrollgruppe [2]
- Tumorerkrankungen im Finalstadium (Endstadium, letzte Phase einer fortschreitenden Erkrankung vor dem Eintritt des Todes)
*Siehe dazu in den US-Leitlinien, die eine für Jugendliche adaptierte Version des Gesundheitsfragebogens PHQ-9 verwendet. Hier die 3 Fragen zu Suizidgedanken und -versuchen:
- Möchtest Du manchmal tot sein oder Dich selbst verletzen?
- Hast Du jemals versucht, Dich selbst zu töten?
- Hast Du in den vergangenen vier Wochen daran gedacht, Dein Leben zu beenden?
Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)
- Lithium im Getränkewasser [6]: Geografische Regionen mit höheren natürlichen Lithiumkonzentrationen im Trinkwasser sind mit niedrigeren Suizid-Mortalitätsraten (Sterberate) verbunden.
- Suizidwege versperren: Schusswaffenrestriktion, Verkleinerung von Analgetikapackungen, Zugangsbarrieren zu Suizid-Hotspots (z. B. Golden Gate Bridge)
- Kurzintervention – bereits durch einen einzigen professionellen Kontakt gefolgt von regelmäßigen Telefonkontakten sinkt die Gefahr von Selbsttötungsversuchen um 31 %. In der Interventionsgruppe traten 78 Suizide weniger auf als in den vergleichbar großen Kontrollgruppen. Die Metaanalyse beruht auf 4270 Teilnehmer [7].
- Psychiatrische Behandlung: adäquate Therapie der oben genannten psychischen Erkrankungen
- Familienbasierte Therapien und Kriseninterventionen bei suizidgefährdeten Jugendlichen
Literatur
- Mok LH et al.: Parental Psychiatric Disease and Risks of Attempted Suicide and Violent Criminal Offending in Offspring A Population-Based Cohort Study JAMA Psychiatry. 2016;73(10):1015-1022. doi:10.1001/jamapsychiatry.2016.1728
- Morgan C et al.: Incidence, clinical management, and mortality risk following self harm among children and adolescents: cohort study in primary care. BMJ 2017359; doi: https://doi.org/10.1136/bmj.j435118. Oktober 2017
- Gobbi G et al.: Association of Cannabis Use in Adolescence and Risk of Depression, Anxiety, and Suicidality in Young Adulthood A Systematic Review and Meta-analysis JAMA Psychiatry. Published online February 13, 2019. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.4500
- McCall WV et al.: Reducing Suicidal Ideation Through Insomnia Treatment (REST-IT): A Randomized Clinical Trial. Am J Psych 2019; https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2019.19030267
- Geulayov G et al.: Suicide following presentation to hospital for non-fatal self-harm in the Multicentre Study of Self-harm: a long-term follow-up study Lancet Psychiatry November 06, 2019 doi:https://doi.org/10.1016/S2215-0366(19)30402-X
- Kapusta ND et al.: Lithium in drinking water and suicide mortality. Br J Psychiatry. 2011 May;198(5):346-50. doi: 10.1192/bjp.bp.110.091041.
- Doupnik SK et al.: Association of Suicide Prevention Interventions With Subsequent Suicide Attempts, Linkage to Follow-up Care, and Depression Symptoms for Acute Care Settings A Systematic Review and Meta-analysis JAMA Psychiatry. Published online June 17, 2020. doi:10.1001/jamapsychiatry.2020.1586
- Yen S et al.: Association of Borderline Personality Disorder Criteria With Suicide Attempts Findings From the Collaborative Longitudinal Study of Personality Disorders Over 10 Years of Follow-up. JAMA Psychiatry 2020; https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2020.3598