Einleitung
Schwindel (Vertigo)

Beim Schwindel (Vertigo) (Synonyme: Bewegungsschwindel; Drehgefühl; Drehschwindel; Liftschwindel; Schwankschwindel; Schwindel; Vertigo (Schwindel); dizziness; ICD-10-GM R42: Schwindel und Taumel) handelt es sich um ein wichtiges Leitsymptom, welches bei sehr vielen verschiedenen Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologie (Ursachen), die von Innenohr, Hirnstamm oder Kleinhirn ausgehen, aber auch psychische Ursachen haben können, auftreten kann.

Eine Einteilung des Schwindels kann erfolgen nach:

Ätiologie (Ursache):

  • Vestibulärer Schwindel
    • Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel * (BPLS; Synonyme: Cupulolithiasis; Canalolithiasis und (verkürzt) gutartiger Lagerungsschwindel (nicht zu verwechseln mit Lageschwindel); benigne paroxysmale positionale Vertigo (BPPV); benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)) (Häufigkeit: 17,1 %)
    • Morbus Menière * (Häufigkeit: 10,1 %) (hier: vestibuläre Migräne; Häufigkeit: 11,4 %; im Kindes- und Jugendalter häufigsten)
    • Neuritis vestibularis * (Synonyme: vestibuläre Neuritis, Neuropathia vestibularis) (Häufigkeit: 8,3 %)
    • Bilaterale Vestibulopathie (BV) (Häufigkeit: 7,1 %)
    • Vestibularisparoxysmie (Häufigkeit: 3,7 %)
    • Zentral vestibuläre Störungen/Syndrome (Häufigkeit: 12,3 %)
  • Nicht-vestibulärer Schwindel
    • kardialer Schwindel
    • nicht-kardialer Schwindel
    • okulärer Schwindel
    • psychogener somatoformer Schwindel
    • zervikogener Schwindel – Dysfunktion der Nackenafferenzen mit traumatischer, degenerativer, entzündlich-muskulärer oder funktioneller Genese

*In Fettdruck die häufigsten "peripher-vestubulären" Erkrankungen

Art des Schwindels

  • Systematischer Schwindel (gerichteter Schwindel)
    • Dauerschwindel
    • Drehschwindel
    • Höhenschwindel
    • Lagerungsschwindel
      • Paroxysmaler Lagerungsschwindel (häufiger benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, seltener zentraler Lagerungsschwindel oder Lagenystagmus)
    • Lageschwindel:
    • Liftschwindel
    • Schwankschwindel (z. B. phobischer Schwankschwindel, Häufigkeit: 15 %)
  • Unsystematischer Schwindel (ungerichtete Schwindel, diffuser Schwindel)

60 % der Schwindelzustände sind nicht ursächlich einer Erkrankung zuzuordnen – ganz überwiegend verschwinden sie wieder. Dazu gehören vor allem:

  • Psychogener (phobischer) Schwindel (PPBS)
  • Schwindel im Alter: Störungen an verschiedenen Orten der Gleichgewichtswahrnehmung und Verarbeitung (Verschwinden im Regelfall durch Adaptation).

Schwindelanfälle sind nach Kopfschmerzen das zweithäufigste Leitsymptom, nicht nur in der Neurologie.

Geschlechterverhältnis
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel: Männer zu Frauen 1 : 2.
Morbus Menière: Männer sind häufiger betroffen als Frauen
. Allerdings ist die Studienlage in vielen Fällen widersprüchlich. 

Häufigkeitsgipfel: Schwindel im Allgemeinen tritt mit zunehmendem Alter gehäuft auf, besonders in der Gruppe der über 80-Jährigen.
Der benigne periphere paroxysmale Lagerungsschwindel kann von der Kindheit bis zum Senium auftreten.
Neuritis vestibularis:
Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf.
Morbus
Menière: Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf.
Nicht-kardialer Schwindel:
Die Erkrankung tritt vorwiegend bei den über 65-Jährigen auf.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für Schwindel im Allgemeinen liegt ungefähr bei einem Viertel der Bevölkerung (in Deutschland). Die Prävalenz kann im Alter auf bis zu 40 % ansteigen.

Die Lebenszeitprävalenz (Krankheitshäufigkeit während des gesamten Lebens) für mittelschweren und schweren Schwindel liegt bei bis zu 30 %. 
Die Prävalenz von Schwindel (Dreh‑, Schwank- oder Benommenheitsschwindel) bei Kindern und Jugendlichen wird mit 0,4-14,5 % angegeben.
Über 65-Jährige leiden in ca. 30 % der Fälle mindestens einmal pro Monat an Schwindel.

Die
Lebenszeitprävalenz von Morbus Menière liegt bei 0,5 %.
Die Lebenszeitprävalenz von Dreh- und Schwankschwindel bei ca. 30 %.
Die Prävalenz für den benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel liegt bei 10 % (bei den über 80-Jährigen).
Die Prävalenz für den nicht-kardialen Schwindel liegt bei 20 % (bei den über 65- Jährigen).

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) für die Neuritis vestibularis (vestibulärer Schwindel) beträgt ca. 3,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose: Schwindelanfälle kommen meist unerwartet und können mit Nausea (Übelkeit) und Emesis (Erbrechen) einhergehen. Die Betroffenen fühlen sich meistens hilflos.
Bei Kindern sind Schwindelanfälle fast immer harmlos. Meistens handelt es sich um einen Pseudoschwindel wg. orthostatischer Dysregulation (Blutdruckabfall), Hyperventilation (gesteigerte Atmung, die über den Bedarf hinaus geht) oder psychischer Probleme (30-40 % der Fälle). Ein echter Schwindel (am ehesten ein Drehschwindel) kommt äußerst selten vor. Ursachen des echten Schwindels sind ZNS-Infektionen, Mittelohrerkrankungen, Trauma mit Labyrinth-Schädigung (z. B. Sturztrauma mit Schädelbasisfrakturen, die das Felsenbein betreffen).
Bei Erwachsenen ist der häufigste Schwindel der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (gutartiger Lagerungsschwindel).
Bei der Schwangeren ist der Schwindel im Regelfall durch einen Blutdruckabfall wg. orthostatischer Dysregulation bedingt.
Bei älteren Patienten ist eine multifaktorielle Genese von Schwindel eher die Regel.
Die Prognose des Schwindels ist abhängig von der Art und Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung. Allerdings braucht es meist einige Zeit, die Grunderkrankung zu diagnostizieren. Z. B. weist ein Dauerschwindel meistens auf seelische Auslöser hin.

Beachte: Schwindel gilt als unabhängiger Risikoparameter für das Mortalitätsrisiko (Sterberisiko): Das Risiko zu sterben lag für Schwindelpatienten 70 % über dem Risiko von Schwindelfreien (OR 1,7). 9 % der Schwindelpatienten starben in den folgenden fünf Jahren [2].
Schwindel ist das häufigste Leitsymptom bei Gangunsicherheiten im Alter (> 75 Jahre) ist [1].

Literatur

  1. Furman JM, Raz Y, Whitney SL: Geriatric vestibulopathy assessment and management. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg 2010; 18: 386-91
  2. Corrales CE et al.: Dizziness and Death: An Imbalance in Mortality. Laryngoscope 2016, online 10. Februar; doi: 10.1002/lary.25902

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Schwindel, akut in der Hausarztpraxis. (AWMF-Registernummer: 053-018), November 2015 Kurzfassung Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Vestibuläre Funktionsstörungen. (AWMF-Registernummer: 017 - 078), März 2021 Langfassung

     
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