Ursachen
Gleichgewichtsstörung der Darmflora (Dysbiose)

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Dysbiose bezeichnet ein Ungleichgewicht der strukturellen oder funktionellen Zusammensetzung der Mikrobiota (Intestinalflora, intestinale Mikrobiota, intestinales Mikrobiom; Darmmikrobiom). Ursächlich kann eine Vielzahl von Erkrankungen, aber auch deren Therapien sein. 

Das physiologische Mikrobiom wird von Bakterien dominiert, besteht aber auch aus Organismen wie Viren, tierischen Einzellern und Archaeen (Urbakterien). 

Die Bedeutung des Mikrobioms ist vielfältig: Es unterstützt den menschlichen Körper bei der Aufspaltung pflanzlicher Nahrungsbestandteile, hat Einfluss auf den Energiestoffwechsel, die Mineralstoffabsorption und synthetisiert Vitamine. Auch an der Metabolisierung (Verstoffwechselung) von Medikamenten sind Darmbakterien beteiligt. Das Mikrobiom kann somit auch die Wirkung von Medikamenten beeinflussen. Des Weiteren fördert es die Reifung des Immunsystems und stellt eine Abwehr gegen pathogene Mikroorganismen dar. Das Darm-assoziierte Immunsystem (gut associated lymphoid tissue, GALT) ist sehr komplex. Es erzeugt eine balancierte Immuntoleranz, d. h. es enthält sowohl entzündungsfördernde als auch entzündungsmindernde Komponenten.

Des Weiteren trägt die Gesamtheit der Darmbakterien (intestinale Mikrobiota) wesentlich zur Aufrechterhaltung der Darmbarriere bei. Siehe dazu auch unter "Mikrobiologische Therapie (Symbioselenkung)".

Intrinsische und extrinsische Faktoren können das intestinale Mikrobiom (Darmmikrobiom) beeinflussen.

Bereits die Art der Entbindung determiniert die initiale mikrobielle Besiedlung. Bei der vaginalen Entbindung (natürliche Geburt) wird das kindliche Mikrobiom durch die Vaginalflora (Scheidenflora) der Mutter und das Mikrobiom der Haut maßgeblich geprägt. Bei der Sectio caesarea (Kaiserschnitt) kann nur das Mikrobiom der Haut zur mikrobiellen Besiedlung des Kindes beitragen.
Auch das Stillen und später die Beikost haben Einfluss auf die individuelle mikrobielle Zusammensetzung der Intestinalflora (Darmflora).

Im Laufe des Lebens verändert sich das Mikrobiom kontinuierlich und wird dabei in seiner Zusammensetzung von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst.

Beachte: Das Verhältnis zwischen der Zahl der Mikroben in und auf uns und der Zahl unserer Körperzellen beträgt 10 zu 1 [1].

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – zunehmendes Alter (= Reduktion der Stabilität und Diversität des Mikrobioms)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Fehl- und Mangelernährung – u. a. auch
      • ballaststoffarme Ernährung
      • zu viel Zucker (Mono- und Disaccharide; insbesondere Saccharose) und Weißmehlprodukte
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe): z. B. Probiotika (lebende Mikroorganismen) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen 
  • Genussmittelkonsum
    •   Alkohol
    •   Kaffee
    •   Tabak (Rauchen) [4]
  • Körperliche Aktivität
    • Exzessiver Sport
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress [2]

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Allergien
  • Chronische Pankreasinsuffizienz (Bauchspeicheldrüsenschwäche)
  • Depression
  • Erkrankungen der Leber (insbesondere Leberzirrhose)
  • Krankheiten des Verdauungsapparates [4]
    • Magen Gastritis, Magenresektion, Zollinger-Ellison-Syndrom
    • Dünndarm Akute und chronische Enteritis (durch pathogene, das heißt krankmachende Bakterien, Pilze oder Parasiten), Strahlenenteritis, Morbus Crohn, Dünndarmresektion
    • Dickdarm Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
  • Nahrungsmittelintoleranzen Fructose, Gluten, Lactose

Medikamente [3, 4]

  • Analgetika/nichtsteroidale Antiphlogistika 
  • Antiinfektiva gegen Viren, Pilze oder Parasiten 
  • Antibiotika (breites Wirkspektrum reduziert die mikrobielle Diversität/Mikroben-Vielfalt)
    Beachte: Je breiter das Wirkspektrum und je länger die Therapiedauer, desto stärker ist die Mikrobiom-Schädigung!
    • Die häufige bzw. langfristige Behandlung von Frühgeborenen mit Antibiotika führte zu einer starken Störung der Darmflora: es fanden sich bei einer Nachuntersuchung im Alter von 21 Monaten weniger „gesunde“ Bakteriengruppen wie Bifidobacteriaceae (einzige Bakterienfamilie in der Reihenfolge der Bifidobacteriales) und häufiger „ungesündere“ Arten wie Proteobakterien (= „mikrobiotische Narbe“) [6].
  • Antidepressiva – atypische Antipsychotika
  • Antihistaminika
  • Betablocker
  • Benzodiazepine
  • Corticoide (Cortisol)
  • Gold (bakterizid)
  • Laxantien (osmotische Laxantien)
  • Metformin
  • Ovulationshemmer
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) (wg. blockierter Magensäureproduktion)
  • Statine
  • Zytostatika
  • u. a.

Beachte: Nicht nur Antibiotika töten Darmbakterien ab; von mehr als 1.000 zugelassenen Wirkstoffen verändert jeder vierte Wirkstoff die Zusammensetzung der Darmflora [5]

Röntgenstrahlen

  • Radiatio (Strahlentherapie) bei Tumorerkrankungen

Umweltbelastung Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Schwermetalle (Quecksilber, Blei etc.) [durch die Ernährung]

Literatur

  1. Luckey TD: Introduction to intestinal microecology The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 25, Issue 12, 1 December 1972, Pages 1292–1294, https://doi.org/10.1093/ajcn/25.12.1292 Published: 01 December 1972
  2. Knowles SR, Nelson EA, Palombo EA: Investigating the role of perceived stress on bacterial flora activity and salivary cortisol secretion: a possible mechanism underlying susceptibility to illness. Biol Psychol. 2008 Feb;77(2):132-7.
  3. Falony G et al.: Population-level analysis of gut microbiome variation. doi: 10.1126/science.aad3503
  4. Zhernakova A et al.: Population-based metagenomics analysis reveals markers for gut microbiome composition and diversity. doi: 10.1126/science.aad3369
  5. Maier L et al.: Extensive impact of non-antibiotic drugs on human gut bacteria. Nature Published online: 19 March 2018 doi:10.1038/nature25979
  6. Gasparrini AJ et al.: Persistent metagenomic signatures of early-life hospitalization and antibiotic treatment in the infant gut microbiota and resistome Nature Microbiology (09 September 2019)
     
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