Leistenbruch (Inguinalhernie) – Einleitung

Bei der Leistenhernie – umgangssprachlich Leistenbruch genannt – (Synonyme: Inguinalhernie; Leistenhernie; ICD-10-GM K40.-: Hernia inguinalis) handelt es sich um einen Eingeweidebruch im Bereich des Leistenkanals.

Die Leistenhernie ist die häufigste Form einer Hernie.

Formen der Inguinalhernie (Leistenbruch)

Man kann zwischen einem direkten (medialen) und einem indirekten (lateralen) Leistenbruch unterscheiden, wobei mehr als 70 % der Leistenhernien indirekt sind. Direkte Hernien passieren im Gegensatz zu den indirekten Hernien nicht den gesamten Leistenkanal.

  • Indirekte Leistenhernien: Diese können kongenital (angeboren) oder erworben sein und verlaufen durch den Leistenkanal.
  • Direkte Leistenhernien: Diese sind immer erworben und treten medial des Leistenkanals auf.
  • Hernia femoralis (Femoralhernie, Schenkelhernie): Die Bruchpforte befindet sich zwischen dem Ligamentum inguinale (Leistenband) und der Beckenwand, unterhalb des Leistenbands; 5 % aller Leistenhernien

Weitere Unterteilung nach der Größe und Lage des Bruchsacks

  • Hernia incipiens: Vorwölbung des Bruchsacks in den Leistenkanal, ohne dass der Bruchsack den äußeren Leistenring passiert.
  • Hernia completa: Hernie mit Bruchsack, der den äußeren Leistenring erreicht hat.
  • Hernia scrotalis: Hernie mit Bruchsack, der bis in das Skrotum (Hodensack) reicht.
  • Hernia labialis: Hernie mit Bruchsack, der bis in die Labien (Schamlippen) reicht.

Ursachen der Inguinalhernie

Die Ursachen für die Entstehung einer Leistenhernie können vielfältig sein und umfassen:

  • Angeborene Faktoren: Unvollständiger Verschluss des Processus vaginalis.
  • Erworbene Faktoren: Erhöhte intraabdominelle Druckbelastung durch schweres Heben, chronischen Husten, Übergewicht, Obstipation oder Aszites.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 6-8 : 1.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend im 6. Lebensjahrzehnt sowie bei Säuglingen auf.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt beim Mann bei 2 % (in Deutschland). Bei Frühgeborenen liegt die Prävalenz bei 5-25 %. 
Das Lebenszeitrisiko beträgt für eine Frau 3 % und für einen Mann 27 %.

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt ca. 200 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Leistenhernien entwickeln sich in der Regel schleichend und beginnen oft mit einer kleinen Vorwölbung in der Leistenregion, die sich bei Belastung vergrößern kann. Patienten berichten häufig von einem ziehenden oder drückenden Schmerz in der Leiste, der durch körperliche Anstrengung, Husten oder Niesen verstärkt wird. In vielen Fällen ist der Schmerz nicht konstant, sondern tritt intermittierend auf.

Bei einer fortgeschrittenen Hernie können die Symptome zunehmen, und es kann zu einer sichtbaren und tastbaren Schwellung kommen, die sich in den Leistenkanal oder in schwereren Fällen bis in den Hodensack (Hernia scrotalis) oder die Schamlippen (Hernia labialis) ausdehnen kann.

Prognose

Ein unbehandelter Leistenbruch birgt das Risiko einer Inkarzeration, bei der Eingeweide, meist Darmschlingen, in der Bruchpforte eingeklemmt werden. Diese Einklemmung kann zu einer Unterbrechung der Blutzufuhr führen, was die betroffenen Darmabschnitte innerhalb weniger Stunden absterben lassen kann – ein lebensgefährlicher Zustand, der eine sofortige operative Intervention erfordert.

Operation und Heilung

Die operative Behandlung ist die primäre Therapiemethode für Leistenhernien. Es gibt verschiedene Operationsverfahren, deren Erfolg und Rezidivrate (Wiederauftreten der Hernie) variieren:

  • Offene Lichtenstein-Methode: Eine häufig verwendete Technik mit einer Rezidivrate von 0,5-1,5 %. Sie beinhaltet die Verstärkung der Leistenregion mit einem Kunststoffnetz.
  • Endoskopische Verfahren: Hierbei handelt es sich um minimalinvasive Techniken mit einer Rezidivrate von 1-2 %. Diese Methoden sind besonders bei beidseitigen Hernien oder bei Rezidivhernien nach offener Operation vorteilhaft.
  • Offene Shouldice-Methode: Ein klassisches Verfahren ohne Netz, das eine Rezidivrate von 3-5 % aufweist.

Nach einer erfolgreichen Operation ist die Heilung in den meisten Fällen vollständig, und die Patienten können nach einer Erholungsphase von wenigen Wochen ihre normalen Aktivitäten wieder aufnehmen. Trotz der niedrigen Rezidivraten besteht immer ein gewisses Risiko, dass der Leistenbruch erneut auftritt, was eine erneute Operation erforderlich machen kann.

Zusammenfassung

Ein Leistenbruch sollte frühzeitig operiert werden, um Komplikationen wie eine Inkarzeration zu vermeiden. Die Prognose nach einer Operation ist in der Regel sehr gut, und die meisten Patienten erholen sich vollständig. Die Wahl des Operationsverfahrens kann die Rezidivrate beeinflussen, wobei moderne Techniken wie die Lichtenstein- und endoskopischen Methoden besonders erfolgreich sind.

Leitlinien

  1. Simons MP, Aufenacker T, Bay-Nielsen M et al.: European Hernia Society guidelines on the treatment of inguinal hernia in adult patients. Hernia 2009; 13: 343-403
  2. S1-Leitlinie: Leistenhernie, Hydrozele. (AWMF-Registernummer: 006 - 030), September 2014 Langfassung
  3. Miserez M et al.: Update with level 1 studies of the European Hernia Society guidelines on the treatment of inguinal hernia in adult patients. Hernia 2014 Apr;18(2):151-63. doi: 10.1007/s10029-014-1236-6. Epub 2014 Mar 20.
  4. The HerniaSurge Group: International guidelines for groin hernia management. Hernia 2018 Feb;22(1):1-165. doi: 10.1007/s10029-017-1668-x. Epub 2018 Jan 12.