Atemnot (Dyspnoe) – Einleitung

Bei der Dyspnoe – umgangssprachlich Atemnot genannt – handelt es sich um das subjektive Symptom der Kurzatmigkeit, auch Lufthunger genannt.

Synonyme und ICD-10: Belastungsdyspnoe; Hyperpnoe; Hyperventilationsdyspnoe; nächtliche Dyspnoe; Orthopnoe; paroxysmale Dyspnoe; Ruhedyspnoe; Tachypnoe; Trepopnoe; ICD-10-GM R06.0: Dyspnoe

Die Dyspnoe ist Leitsymptom von Erkrankungen des Atmungssystems.

Formen der Dyspnoe

Nach der Ursache

  • Pulmonal – die Ursache liegt hierbei in der Lunge wie beim Pneumothorax (Ansammlung von Luft neben der Lunge; meist ein akut auftretendes Ereignis, je nach Ausprägung lebensbedrohliches Krankheitsbild)
  • Kardial – hierbei liegt die Ursache im Herzen, wie bei der Herzinsuffizienz* (Herzschwäche)
  • Thorakal (skelettal) – dabei liegen Frakturen (Knochenbrüche) oder Fehlbildungen des Brustkorbes vor
  • Zentral – dabei ist die Dyspnoe durch Störungen des zentralen Nervensystems (ZNS) bedingt
  • Metabolisch – hierbei liegen Stoffwechselstörungen wie eine Azidose (Übersäuerung des Blutes) vor
  • Psychogen – bei psychischen Belastungen (Angst, Panik, Ärger) oder Erkrankungen
  • Pharyngo-tracheal – hierbei liegt die Ursache im Bereich des Rachens und/oder der Luftröhre

*Patienten, die unter einer höhergradigen systolischen Herzinsuffizienz leiden, ringen um Luft, wenn Sie sich zum Beispiel beim Anziehen von Socken oder Schuhen nach vorn beugen. Diese Form der Dyspnoe wird als Bendopnea (to bend, d. h. beugen, bücken) bezeichnet. Diese Patienten zeichnen sich dabei durch einen erhöhten linksatrialen ("den linken Vorhoff betreffend") und pulmonalkapillären ("zur Lunge gehörenden Kapillären") Druck im Sitzen aus [1].

Zusätzlich kann man eine Kurzatmigkeit durch vermehrten Sauerstoffbedarf, wie beim Sport, oder vermindertes Sauerstoffangebot, wie in großer Höhe, unterscheiden.

Nach der Funktionalität

  • Körperliche Belastung
    • Belastungsdyspnoe – belastungsabhängige Atemnot
    • Ruhedyspnoe – Auftreten einer Atemnot in Ruhe
  • Körperlage
    • Orthodeoxie (Synonym: Platypnoea-Orthodeoxia-Syndrom [POS]) – Symptomkomplex mit Abnahme der Sauerstoffsättigung bei Lagewechsel von einer liegenden zu einer sitzenden oder stehenden Position; Ursachen sind kardiale ("herzbedingte") anatomische Defekte wie persistierendes Foramen ovale (PFO; offenes Foramen ovale), Vorhofseptumdefekt (Fehlbildung des Herzens, bei der die Herzscheidewand zwischen den beiden Vorhöfen des Herzens nicht vollständig verschlossen ist) oder Vorhofseptumaneurysma (VSA) bzw. pulmonale ("lungenbedingte") Ursachen wie Ventilations-Perfusions-Mismatch oder pulmonale arteriovenöse Shunts; des Weiteren das hepatopulmonale Syndrom (Störung des pulmonalen Gasaustausches mit arterieller Hypoxämie und intrapulmonaler Gefäßdilatation)
    • Orthopnoe – Dyspnoe, die in horizontaler Lage auftritt und durch Aufsitzen gebessert wird; stärkste Dyspnoe, die einen Einsatz der Atemhilfsmuskulatur in aufrechter Haltung nötig macht
      Hinweis: Da Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sich häufig im Bett wenden (griech.: trepo), um Luft (pneuma) zu bekommen, wird das Symptom auch als Trepopnoe bezeichnet.
    • nicht-lageabhängige Atemnot
  • Art des Beginns
    • plötzlich beginnende Atemnot
    • langsam beginnende Atemnot

Des Weiteren kann man die Atemnot in zwei Hauptkategorien unterteilen: kontinuierliche Atemnot und Atemnotattacken (Dauer: Sekunden bis Stunden) sowie akute und chronische Dyspnoe (> 4 Wochen).

Eine Dyspnoe kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Das ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die mit Dyspnoe verbundenen Erkrankungen wie COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und Herzerkrankungen bei Männern häufiger vorkommen.

Häufigkeitsgipfel: Das Symptom tritt gehäuft mit zunehmendem Alter auf.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 6-27 % in der allgemeinmedizinischen bzw. internistischen Praxis (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Eine akute Dyspnoe stellt einen medizinischen Notfall dar, der eine umgehende Diagnostik und sofortiges Notfallmanagement erfordert. Dies ist notwendig, um eine rasche spezifische Therapie so früh wie möglich durchzuführen. Unabhängig von der akuten Behandlung sollten die zugrunde liegenden Ursachen der Dyspnoe identifiziert und entsprechend therapiert werden.

Eine akute Dyspnoe kann zu Panik und zusätzlichen Beschwerden wie Schmerzen führen, was die Situation für den Patienten weiter verschärft. Bei älteren Patienten ist eine Dyspnoe unklarer Genese häufig mit kardialen und nicht-kardialen Funktionsstörungen sowie mit Adipositas assoziiert. In einer Studie erfüllten nur 10 % der Dyspnoe-Patienten die Kriterien für eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche) mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) [2].

Prognose

Die Prognose der Dyspnoe ist stark von der Art und Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung abhängig. Allgemein lässt sich sagen, dass die Prognose umso besser ist, je schneller und spezifischer die Ursache behandelt werden kann.

Nicht selten ist die Dyspnoe ein Symptom von schwerwiegenden Erkrankungen des Atmungs- und Herz-Kreislauf-Systems, wie zum Beispiel:

  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Pulmonale Hypertonie (PH): Lungenhochdruck
  • Akutes Koronarsyndrom (ACS; Herzinfarkt oder instabile Angina)
  • Asthma bronchiale
  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
  • Pneumonie (Lungenentzündung)

Komorbiditäten

Typische Begleiterkrankungen sind kardiale Erkrankungen (Herzinsuffizienz/Herzschwäche, pulmonale Hypertonie (PH)/Lungenhochdruck, akutes Koronarsyndrom (AKS bzw. ACS, acute coronary syndrome; Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das von der instabilen Angina pectoris/Brustenge (iAP; engl unstable angina, UA) bis zu den beiden Hauptformen des Myokardinfarkts (Herzinfarkt), dem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und dem ST-Hebungsinfarkt (STEMI), reicht) und pulmonale Erkrankungen (Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Pneumonie/Lungenentzündung) sowie weitere Erkrankungen (Anämie/Blutarmut, Hyperventilation, Panikstörung).

Literatur

  1. Thibodeau JT, Turer AT, Gualano SK et al.: Characterization of a novel symptom of advanced heart failure: bendopnea. JACC Heart Fail 2014 2:24-31
  2. Ramalho SHR et al.: Association of Undifferentiated Dyspnea in Late Life With Cardiovascular and Noncardiovascular Dysfunction. JAMA Network Open 2019;2(6):e195321 https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2019.5321

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. (AWMF-Registernummer: 128 - 001OL), September 2019 Kurzfassung Langfassung