Sinusbradykardie – Einleitung

Bei der Sinusbradykardie liegt eine Unterschreitung der altersüblichen physiologischen Herzfrequenz vor. Diese beträgt beim Erwachsenen weniger als 40-60 Schläge pro Minute.

Synonyme und ICD-10: Sinus brachykardia; vagale Bradykardie; ICD-10-GM R00.1: Bradykardie, nicht näher bezeichnet

Ein verallgemeinerbarer Grenzwert für eine relevante Sinusbradykardie existiert nicht. Die Sinusbradykardie ist eine Herzrhythmusstörung, die zur Gruppe der Reizbildungsstörungen gehört. Grund dafür ist die Verlangsamung der Reizverarbeitung am Sinusknoten.

Anatomie und Physiologie

Der Sinusknoten (Nodus sinuatrialis; Synonyme: Sinuatrial-Knoten (SA-Knoten) oder Keith-Flack-Knoten) ist das primäre Schrittmacherzentrum des Herzens und befindet sich im Bereich des rechten Herzohrs in der Nähe des Sulcus terminalis (Vertiefung zwischen dem Ansatz der Vena cava superior und der Vena cava inferior).

Nachts sinkt die Herzfrequenz bei vielen Menschen auf 45-55 Schläge pro Minute. Eine physiologische (ohne Krankheitswert) Sinusbradykardie tritt häufig bei jungen Menschen sowie Sportlern auf, deren Herz unter Belastung adäquat reagiert.

Formen der Sinusbradykardie

Physiologische Sinusbradykardie:

  • Bei jungen Menschen und Sportlern, die keine Beschwerden aufweisen.
  • Nächtliche Bradykardien von < 30-40 Schläge pro Minute bei Ausdauersportlern (Ökonomisierung der Herzarbeit).

Pathologische Sinusbradykardie:

  • Extracardiale Genese:
    • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
    • Hypothermie (Unterkühlung)
    • Erbrechen, Typhus
    • Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss)
  • Kardiale Genese:
    • Sick-Sinus-Syndrom (krankhafter Sinusknoten)

Ein Sinusbradykardie kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: ausgeglichen

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) einer Sinusknotenerkrankung liegt bei über 45-Jährigen bei 1:1.000. 

Verlauf und Prognose

Verlauf

Asymptomatische Verläufe

  • Häufig bei jungen Menschen und Sportlern, meist ohne Beschwerden.
  • Herzfrequenz steigt unter Belastung adäquat an, was eine gute Anpassung und Ökonomisierung der Herzarbeit zeigt.

Symptomatische Verläufe

  • Bei älteren Menschen oder bei Vorliegen bestimmter Grunderkrankungen wie Hypothyreose oder dem Sick-Sinus-Syndrom.
  • Symptome: Schwindel, Synkopen (kurzzeitige Bewusstlosigkeit), zerebrale Mangeldurchblutung.
  • Kennzeichen für pathologische Bradykardie: Herzfrequenz nimmt selbst unter Belastung nicht zu.

Diagnostik

  • EKG-Messungen und Berücksichtigung der klinischen Symptomatik.
  • Differentialdiagnostische Abklärung bei neu aufgetretener Bradykardie, um zugrunde liegende Erkrankungen wie Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss) auszuschließen.

Prognose

Asymptomatische Patienten

  • Bei klinisch herzgesunden Menschen, die keine Herzfrequenz-senkenden Medikamente einnehmen, wirkt sich eine asymptomatische Ruhebradykardie unter 50/min in der Regel nicht negativ auf die Prognose aus [1].
  • Ein Ruhepuls von über 80/min ist mit einer signifikant erhöhten Mortalität (Sterberate) verbunden.

Patienten mit Herzfrequenz-senkenden Medikamenten

  • J-förmiger Zusammenhang zwischen Ruhepuls und Mortalitätsrate.
  • Sehr niedrige sowie sehr hohe Ruhefrequenzen sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert.
  • Enge Überwachung und Anpassung der Medikation notwendig.

Behandlung der Grunderkrankung

  • Im Vordergrund steht die Therapie der Grunderkrankung, die die Bradykardie verursacht.
  • Anpassung der Medikation oder Behandlung einer zugrunde liegenden Erkrankung wie Hypothyreose kann die Symptome der Bradykardie lindern und die Prognose verbessern.

Studienergebnisse [1]

  • Patienten ohne Herzfrequenz-senkende Medikation: linearer Anstieg der Mortalität mit der Herzfrequenz.
    • Gruppe mit Ruhepuls < 50/min: Mortalität nicht signifikant niedriger als in der Referenzgruppe (Ruhepuls: 60-69/min).
    • Gruppe mit Ruhepuls > 80/min: Mortalitätsrisiko um 49 % erhöht.
  • Patienten mit Herzfrequenz-senkender Medikation: J-förmiger Zusammenhang zwischen Ruhepuls und Mortalitätsrate.
    • Gruppe mit Ruhepuls > 80/min: Mortalität um 255 % höher als im Referenzbereich.
    • Gruppe mit Ruhepuls < 50/min: Mortalität um 142 % erhöht.

Literatur

  1. Dharod A et al.: Association of Asymptomatic Bradycardia With Incident Cardiovascular Disease and Mortality: The Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis (MESA). JAMA Intern Med 2016;176(2):219-227

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Bradykarde Herzrhythmusstörungen im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 023), April 2019 Langfassung