Parodontitis – Einleitung

Die Parodontitis gehört zu den Parodontopathien (Erkrankungen des Zahnhalteapparates). Es handelt sich um eine infektiöse Erkrankung, die zu einem entzündlichen Abbau des Parodonts (Zahnhalteapparat) führt. Nach Karies ist die Parodontitis die häufigste Erkrankung der Mundhöhle.

Synonyme und ICD-10: Alveolarpyorrhoe; Parodontitis apicales; Parodontopathien; Parodontose; Peridentale Infektion; Pyorrhea alveolaris; ICD-10-GM K05.2: Akute Parodontitis; engl. Periodontitis; ICD-10-GM K05.3: Chronische Parodontitis)

Anatomie des Zahnhalteapparates

Der Zahnhalteapparat, auch Parodontium genannt, ist ein komplexes System, das den Zahn im Kiefer verankert und stabilisiert. Zu den Hauptkomponenten des Parodontiums gehören:

  • Zahnzement (Cementum): Eine knochenähnliche Substanz, die die Zahnwurzel bedeckt und als Ansatzstelle für die Fasern des Zahnhalteapparates dient.
  • Gingiva (Zahnfleisch): Das Weichgewebe, das den Zahn umgibt und schützt. Es gibt verschiedene Arten von Gingiva (Zahnfleisch), darunter freie, befestigte und interdental Gingiva.
  • Parodontalfasern (Periodontale Ligamente): Bindegewebsfasern, die den Zahnzement mit dem Alveolarknochen verbinden und als Stoßdämpfer bei Kaubelastungen fungieren.
  • Alveolarknochen: Der Teil des Kieferknochens, der die Zahnwurzeln umgibt und stützt.
  • Blutgefäße: Versorgen die parodontalen Gewebe mit Nährstoffen und Sauerstoff.
  • Nerven: Verantwortlich für die sensorische Versorgung des Parodontiums.

Formen der Parodontitis

Es werden zwei Formen der Parodontitis unterschieden:

  • Apikale Parodontitis: Von der Wurzelspitze ausgehend; meist durch eine Infektion der Pulpa (Weichgewebekern eines Zahnes, welcher aus gut vaskularisiertem und innerviertem Bindegewebe besteht; umgangssprachlich Zahnnerv) 
  • Marginale Parodontitis: Vom Zahnfleischsaum ausgehend

Zusätzlich wird die Parodontitis nach Ausmaß und Verlauf unterteilt in:

  • Lokalisierte Parodontitis: Befall von weniger als 30 % der Zahnflächen.
  • Generalisierte Parodontitis: Befall von mehr als 30 % der Zahnflächen.
  • Akute Parodontitis: Plötzlicher Beginn.
  • Chronische Parodontitis: Langsamer, schubweiser Verlauf.
  • Aggressive Parodontitis: Oberbegriff für Formen, die früher als "früh beginnende Parodontitis", "Parodontitis marginalis profunda" oder "rasch progrediente Parodontitis" bezeichnet wurden.

Parodontitis kann auch als Manifestation systemischer Erkrankungen auftreten. Bei therapierefraktärer Parodontitis sprechen Patienten nicht auf eine Therapie an, oft aufgrund genetischer Prädisposition.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Vor der Pubertät haben Mädchen oft häufiger parodontale Erkrankungen, wohingegen nach der Pubertät bis hin ins hohe Alter eher männliche Individuen an Parodontitis leiden.

Häufigkeitsgipfel

  • Parodontitis tritt vorwiegend zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf.
  • Bereits bei Kindern und Jugendlichen werden Gingivitiden beobachtet, die unbehandelt in eine Parodontitis übergehen können.
  • Parodontitis vor der Pubertät ist extrem selten und weist auf genetische Ursachen hin.
  • Schwangere haben durch hormonelle Veränderungen ein erhöhtes Risiko für Gingivitiden und damit für Parodontitis.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Im Erwachsenenalter liegt die Prävalenz bei über 80 % in Deutschland.
  • Aggressive Parodontitis betrifft ca. 1 % der Bevölkerung.
  • Schwere Parodontitis ist die sechsthäufigste Erkrankung weltweit mit einer Prävalenz von 11,2 % [5].
  • Vor der Pubertät zeigen Kinder normalerweise keine parodontalen Attachmentverluste (Prävalenz 0,06-0,35 %).
  • Bei berufstätigen Erwachsenen zwischen 35 und 64 Jahren weisen 80-92 % an 20-47 % der Zahnflächen Attachmentverluste von über 1 mm auf.
  • Taschensondierungstiefen von über 3 mm findet man bereits bei 18-22 % der Berufstätigen zwischen 35 und 64 Jahren an 11-13 % der Zahnflächen. 14 % weisen Tiefen von mehr als 3 mm auf, 4 % von über 4 mm und 2 % von mehr als 5 mm.
  • Sowohl die Prävalenz als auch der Schweregrad der Parodontitis steigen mit zunehmendem Alter, was auf jahrelange falsche Mundhygiene zurückzuführen ist. Auch in hohem Alter kann das Parodont noch gesund sein, wenn es richtig gepflegt wurde.
  • In Deutschland findet man bei 40-45 % der Erwachsenen eine Taschensondierungstiefe von 4-5 mm und bei 15-19 % sogar eine Tiefe von über 5 mm.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Die Parodontitis verläuft in der Mehrheit der Fälle chronisch und schubweise. Die Erkrankung wird meist von den Betroffenen nicht bemerkt, da sie nur selten schmerzhaft ist. Im Laufe der Jahre kommt es jedoch zur Lockerung der Zähne, was häufig das erste wahrnehmbare Symptom darstellt. Der Verlauf kann je nach Schweregrad und Behandlungsansprechen variieren. Bei einer frühzeitigen Erkennung und konsequenten Therapie kann die Erkrankung gestoppt und das Fortschreiten verhindert werden. Die Therapie der Parodontitis umfasst sowohl nichtchirurgische als auch chirurgische Verfahren, wobei nichtchirurgische Maßnahmen in den meisten Fällen ausreichend und sehr effektiv sind. Eine erfolgreiche Behandlung kann die Entzündung kontrollieren und den Zahnhalteapparat stabilisieren.

Prognose

Die Prognose der Parodontitis hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnosestellung und der Konsequenz der durchgeführten Therapie ab. Wird die Parodontitis frühzeitig erkannt und adäquat behandelt, kann sie gestoppt werden. In den meisten Fällen kann eine Parodontitis erfolgreich durch nichtchirurgische Maßnahmen behandelt werden. Trotz konsequenter Therapie und Erhaltungsmaßnahmen kommt es jedoch bei etwa 10 % der Patienten zu erhöhten Attachmentverlusten (fortschreitende Destruktion des Zahnhalteapparat), insbesondere bei der refraktären Form der Parodontitis, die oft die Molaren (Backenzähne betrifft. Unbehandelt führt die Parodontitis in der Regel zum Zahnverlust. Die Erkrankung stellt zudem einen Risikofaktor für verschiedene systemische Erkrankungen dar, darunter Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Diabetes mellitus und Schwangerschaftskomplikationen. Die Parodontitis kann rezidivierend (wiederkehrend) auftreten, weshalb eine regelmäßige zahnärztliche Kontrolle und professionelle Zahnreinigung (PZR) essenziell sind, um ein Wiederauftreten zu verhindern und die Zahngesundheit langfristig zu erhalten.

Komorbiditäten

Parodontitis ist assoziiert mit:

  • Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) [2]
  • Osteoporose [1]
  • Neurodegenerative Erkrankungen (Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson) [3, 4]
  • Diabetes mellitus (bidirektionale Beziehung)

Literatur

  1. Wang CJ, McCauley LK: Osteoporosis and periodontitis. Curr Osteoporos Rep 2016 Dec;14(6):284-291.
  2. Papageorgiou SN, Hagner M, Nogueira AV et al.: Inflammatory bowel disease and oral health: systematic review and a meta-analysis. J Clin Periodontol  2017 Apr;44(4):382-393. doi: 10.1111/jcpe.12698. Epub 2017 Mar 6.
  3. Garcia RI, Nunn ME, Vokonas PS: Epidemiologic associations between periodontal disease and chronic obstructive pulmonary disease. Ann Periodontol 2001 Dec;6(1):71-7.
  4. Leira Y, Domínguez C, Seoane J et al.: Is periodontal disease associated with Alzheimer‘s disease? A systematic review with meta-analysis. Neuroepidemiology 2017;48(1-2):21-31. doi: 10.1159/000458411. Epub 2017 Feb 21.
  5. Global Burden of Disease 2016: Lancet: September 16, 2017

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III - Die deutsche Implementierung der S3-Leitlinie „Treatment of Stage I–III Periodontitis“ der European Federation of Periodontology (EFP). (AWMF-Registernummer: 083 - 043), Dezember 2020 Langfassung