Einnässen (Enuresis) – Einleitung

Bei der Enuresis handelt es sich um das unwillkürliche Einnässen des Kindes.

Synonyme und ICD-10: Enuresis diurna; Enuresis nocturna; Enuresis nocturna neurotica; funktionelle Enuresis; Incontinentia urinae nichtorganischen Ursprungs; nervöse Enuresis; nichtorganische Enuresis; nichtorganische Enuresis nocturna; nichtorganische Harninkontinenz; nichtorganische primäre Enuresis; nichtorganische sekundäre Enuresis; psychogene Enuresis; psychogene Enuresis nocturna; Urininkontinenz nichtorganischen Ursprungs; ICD-10-GM F98.0: Nichtorganische Enuresis

Im 3. bis 6. Lebensjahr entwickelt sich eine stabile Blasenkontrolle, zuerst tagsüber, später dann nachts. Bis zum fünften Lebensjahr gilt das nächtliche Einnässen als physiologisch.

Von einer primären Inkontinenz (Harninkontinenz; Unfähigkeit des Zurückhaltens von Harn) spricht man, wenn diese von frühester Kindheit an besteht.

Die Enuresis zählt zu den häufigsten Störungen im Kindesalter.

Formen der Enuresis

Kriterien und Definitionen der ICCS [1]

  • Kontinuierliche Harninkontinenz
  • Intermittierende Harninkontinenz:
    • Enuresis nocturna: Nächtliches Einnässen (Bettnässen)
    • Enuresis diurna: Einnässen am Tage (Tagnässen)
    • Einnässen sowohl im Schlaf als auch im Wachzustand: Subform der Enuresis und der tagsüber auftretenden Harninkontinenz

Kriterien

  • Ausschluss organischer Ursachen (neurogen, strukturell oder andere medizinische Ursachen)
  • Chronologisches Mindestalter von 5,0 Jahren
  • Dauer mindestens 3 Monate
  • Frequenz mindestens eine Episode pro Monat
    • ≥ 4 Episoden/Woche: häufiges Einnässen
    • < 4 Episoden/Woche: seltenes Einnässen
    • < 1 Episode/Monat: Symptome aber keine Störung

Unterscheidung

  • Primäre Enuresis: Von Geburt an bestehendes Einnässen bzw. noch nie länger als 6 Monate trocken.
  • Sekundäre Enuresis: Erneutes Einnässen nach einer mindestens sechs Monate andauernden trockenen Phase.
  • Adulte Enuresis: Einnässen über das achtzehnte Lebensjahr hinaus, Häufigkeit bei jungen Erwachsenen 2-6 %.

Nach den Ursachen

  • Nichtorganische (funktionelle) Enuresis:
    • rein nächtliches Einnässen (monosymptomatische Enuresis nocturna, NEM)
    • nächtliches Einnässen mit zusätzlichen Tagessymptomen (nicht monosymptomatische Enuresis nocturna, Non-MEN)
    • Blasendysfunktion mit isolierter Tagessymptomatik:
      • überaktive Blase (engl. overactive bladder, OAB) und Dranginkontinenz (imperativer Harndrang/plötzlich auftretender, sehr starker, nicht beherrschbarer Harndrang mit anschließendem unwillkürlichen Harnabgang)
      • Miktionsaufschub (Verweigerungssyndrom, bei dem Harn in bestimmten Situationen (Schulweg, Schule, Spielsituationen, Fernsehen usw.) zurückgehalten und das Wasserlassen hinausgezögert wird.)
      • dyskoordinierte Miktion (Entleerung der Harnblase) (Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination)
      • unteraktive Blase (engl. underactive bladder) 
  • Organische Enuresis (tritt selten auf); Einnässen aufgrund von: 
    • anatomischen Störungen/Erkrankungen – Fehlbildung der Harnwege (häufig assoziiert mit Fehlbildungen der Niere)
    • neurologischen Störungen/Erkrankungen:
      • kongenital (angeborenen)
      • erworbenen tumorösen oder entzündlichen Krankheiten des Nervensystems, die die Blaseninnervation beeinträchtigen 
    • Polyurischen Nierenerkrankungen

In der Regel handelt es sich um eine funktionelle Störung. Nur selten sind psychische Ursachen wie erhöhte Belastung (z. B. Scheidung/Trennung der Eltern) Auslöser des Einnässens. 

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Jungen zu Mädchen beträgt 2:1.

Häufigkeitsgipfel: Die höchste Prävalenz von Enuresis findet sich im Kindesalter, insbesondere bei 7-Jährigen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Nächtliches Einnässen (Enuresis nocturna): 7-13 % bei 7-Jährigen, 1-2 % bei Jugendlichen.
  • Tagsüber (Enuresis diurna): 2-3 % bei 7-Jährigen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Einnässende Kinder erleben einen hohen Leidensdruck. Sie scheuen sich, bei Freunden zu übernachten oder haben Angst vor Schulausflügen.
  • In den meisten Fällen reichen einfache Maßnahmen (Standardurotherapie: z. B. Miktions-/Toilettentraining) aus, um das Einnässen zu beenden.
  • Bei Vorliegen weiterer Ausscheidungsstörungen wird zunächst die Stuhlinkontinenz oder Obstipation, anschließend die tagsüber auftretende Harninkontinenz und zuletzt die Enuresis therapiert.

Prognose

  • Die Häufigkeit bei jungen Erwachsenen beträgt 2-6 %.
  • Ca. 70 % der Patienten mit Insomnie erfüllen auch ein Jahr später noch die diagnostischen Kriterien.
  • Eine funktionelle Störung ist in der Regel die Ursache, psychische Ursachen wie erhöhte Belastung (z. B. Scheidung/Trennung der Eltern) sind selten.

Komorbiditäten 

Kinderpsychiatrische (hyperkinetische Störungen (ADHS); Angststörungen, depressive Störungen) und gastroenterologische Störungsbilder (Stuhlretention und Obstipation/Verstopfung) sind mit der Enuresis assoziiert.

Literatur

  1. Austin PF, Bauer S, Bower W et al.: The standardization of terminology of bladder function in children and adolescents: update report from the Standardization Committee of the International Children’s Continence Society (ICCS). Neurourol Urodyn 2016; 35: 471-81  

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Enuresis und nicht-organische (funktionelle) Harninkontinenz bei Kindern und Jugendlichen. (AWMF-Registernummer: 028-026), Dezember 2015 Langfassung