Schielen (Strabismus) – Einleitung

Beim Strabismus – umgangssprachlich Schielen oder Silberblick genannt – handelt es sich um das Schielen des Auges. Dieses ist Ausdruck einer Augenmuskelgleichgewichtstörung, die zu einer Fehlstellung beider Augen führt.

Thesaurussynonyma und ICD-10: Alternierender Strabismus; Heterophorie (latentes Schielen); Heterotropie (manifestes Schielen); Hypertropie (Höhenschielen); Hypotropie (Abwärtsschielen); Kongenitaler Strabismus; Koordinationsstörung der Augenmuskeln; Nichtparalytischer Strabismus; Okularmuskelinsuffizienz; Strabismus convergens (Einwärtsschielen); Strabismus divergens (Auswärtsschielen); Zyklotropie (Verrollungsschielen); ICD-10-GM H50.-: Sonstiger Strabismus

Formen des Strabismus

Nach dem ICD-10-GM 

  • Strabismus concomitans convergens (ICD-10-GM H50.0)
  • Strabismus concomitans divergens (ICD-10-GM H50.1)
  • Strabismus verticalis (ICD-10-GM H50.2)
  • Intermittierender Strabismus concomitans (ICD-10-GM H50.3)
  • Sonstiger und nicht näher bezeichneter Strabismus concomitans (ICD-10-GM H50.4)
  • Heterophorie (ICD-10-GM H50.5)
  • Mechanisch bedingter Strabismus (ICD-10-GM H50.6)
  • Sonstiger näher bezeichneter Strabismus (ICD-10-GM H50.8)
  • Strabismus, nicht näher bezeichnet (ICD-10-GM H50.9)

Heterophorie (latentes Schielen)

Heterophorie ist eine Muskelgleichgewichtsstörung beider Augen, die nur unter bestimmten Umständen wie Stress, Müdigkeit oder Alkoholgenuss deutlich wird. Diese Störung wird durch einen Mechanismus des beidäugigen Sehens (Fusion) kompensiert.

Formen der Heterophorie

  • Esophorie: Abweichung zur Nase
  • Exophorie: Abweichung zur Schläfe
  • Hyperphorie: Abweichung nach oben
  • Hypophorie: Abweichung nach unten
  • Zyklophorie: Verrollungsschielen (Inzyklophorie oder Exzyklophorie)

Heterotropie (manifestes Schielen)

Heterotropie ist eine dauerhafte und ständige Abweichung eines Auges von der gemeinsamen Blickrichtung.

Formen der Heterotropie:

  • Strabismus convergens (Esotropie): Abweichung zur Nase (Einwärtsschielen)
  • Strabismus divergens (Exotropie): Abweichung zur Schläfe (Auswärtsschielen)
  • Strabismus verticalis (Hypertropie/Hypotropie): Abweichung nach oben (Höhenschielen) oder nach unten (Abwärtsschielen)
  • Strabismus rotatorius (Zyklotropie): Verrollungsschielen (Inzyklotropie oder Exzyklotropie)

Begleitschielen und Lähmungsschielen

  • Begleitschielen (Strabismus concomitans): Unfähigkeit der Augenmuskeln, beide Blicklinien auf den gleichen Punkt zu richten. Der Schielwinkel ist in allen Blickrichtungen annähernd gleich groß.
  • Lähmungsschielen (paretisches Schielen): Schielwinkel ist in verschiedenen Blickrichtungen unterschiedlich, bedingt durch Lähmung eines oder mehrerer Augenmuskeln.

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Strabismus concomitans (Begleitschielen) tritt meist vor Vollendung des zweiten Lebensjahres auf.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Heterophorie (latentes Schielen): ca. 70 % in Mitteleuropa
  • Heterotropie (manifestes Schielen): ca. 6 % in Mitteleuropa
  • Strabismus concomitans: ca. 7 % in Mitteleuropa

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Begleitschielen (Strabismus concomitans): Tritt häufig vor dem zweiten Lebensjahr auf und bleibt ohne Behandlung bestehen. Es ist gekennzeichnet durch einen konstanten Schielwinkel in allen Blickrichtungen.
  • Latentes Schielen (Heterophorie): Diese Form ist meist symptomlos und wird durch Mechanismen des beidäugigen Sehens kompensiert. Symptome können unter Stress, Müdigkeit oder Alkoholgenuss auftreten.
  • Manifestes Schielen (Heterotropie): Diese Form zeigt eine dauerhafte Abweichung eines Auges von der gemeinsamen Blickrichtung und kann ohne Behandlung zu Sehproblemen führen.
  • Lähmungsschielen (paretisches Schielen): Verursacht durch eine Lähmung der Augenmuskeln, der Schielwinkel variiert in unterschiedlichen Blickrichtungen.

Prognose

  • Unbehandelter Strabismus concomitans: Ohne Behandlung kann sich eine Amblyopie (Schwachsichtigkeit) auf dem schielenden Auge manifestieren, was zu einer einseitigen Blindheit führen kann. Daher ist eine frühzeitige Diagnose und Therapie wichtig.
  • Früherkennung: Babys aus Familien mit Schielen oder mit Verdacht auf Schielen sollten bereits im Alter von 6 bis 12 Monaten beim Augenarzt vorgestellt werden.
  • Behandlung: Die Amblyopie wird durch Okklusionsbehandlung (Abkleben des besser sehenden Auges) therapiert, um das schwächere Auge zu fördern. Diese Methode ist in der Regel erfolgreich, wenn sie frühzeitig begonnen wird.
  • Langfristige Prognose: Bei rechtzeitiger und konsequenter Behandlung können die meisten Kinder ein normales Sehvermögen entwickeln. Eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle ist wichtig, um den Behandlungserfolg zu überwachen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

Zusammenfassend ist die Prognose des Strabismus bei frühzeitiger Erkennung und Behandlung gut. Eine konsequente Therapie kann die Entwicklung einer Amblyopie verhindern und das Sehvermögen beider Augen verbessern.