Oraler Glukosetoleranztest (oGTT) bei Schwangerschaftsdiabetes

Der Glukosetoleranztest (GTT; Glucose Challenge Test, GCT; 75-g-oGTT) dient zur Erkennung eines Gestationsdiabetes mellitus (Schwangerschaftsdiabetes, GDM). Etwa 3–8 % der Schwangeren sind betroffen.

Das Verfahren

  • Benötigtes Material
    • 1,0 ml NaF-Blut je Blutentnahme für Glucose
    • 1,0 ml venöses Vollblut mit GlucoEXAKT (Sarstedt) je Blutentnahme für Glucose
  • Vorbereitung der Patientin
    • Mindestens 14 Tage Abstand zu einer akuten Erkrankung
    • Keine Operationen am oberen Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt)
    • Keine außergewöhnlich schwere körperliche Belastung
    • Vor Testbeginn Nüchternperiode von mindestens acht Stunden
    • Kein Rauchen vor und während des Tests
    • Testbeginn zwischen sechs und neun Uhr morgens
    • Während des Tests soll die Schwangere sitzen und keine unnötigen Bewegungen ausführen
    • Keine weiteren Untersuchungen während des Tests durchführen
  • Störfaktoren
    • Hungerzustand
    • Lange Bettlägerigkeit
    • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
    • Hypokaliämie (Kaliummangel)
    • Hochgradige Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
    • Hyperlipoproteinämie (erhöhte Blutfette)
    • Leberzirrhose (fortgeschrittene Leberschädigung)
    • Metabolische Azidose (Übersäuerung, z. B. Urämie = Harnvergiftung)
    • Stress
    • Medikamente (soweit möglich drei Tage vorher absetzen):
      • Benzodiazepine
      • Diuretika (vor allem Thiazide, entwässernde Medikamente)
      • Hormone
      • Hormonelle Kontrazeptiva (Antibabypille)
      • Schilddrüsenhormone
      • Steroide (Kortisonpräparate)
      • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR, Schmerzmittel)
      • Laxantien (Abführmittel)
      • Nicotinsäure (Niacin, Vitamin B3)
      • Nitrazepam (Schlafmittel)
      • Phenothiazine, Phenazetin (alte Schmerzmittel)

Durchführung

  • Zeitpunkt: Screening bei allen Schwangeren in der 24+0 bis 27+6 Schwangerschaftswoche
  • 50-g-Glucose-Screeningtest (GCT):
    • Unabhängig von Nahrungsaufnahme und Tageszeit
    • Einnahme von 50 g wasserfreier Glucose in 200 ml Wasser
    • Die Schwangere darf nicht nüchtern sein
    • Messung des Glucose-Serumspiegels nach 60 Minuten (venöses Plasma)
  • 75-g-oGTT:
    • Am Untersuchungstag morgens nüchtern (mindestens 8 Stunden Nüchternperiode)
    • Einnahme von 75 g Glucose (z. B. 75 g Dextrose in 300 ml Wasser)
    • Blutentnahmen nüchtern, nach 60 und 120 Minuten

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Screening und Diagnostik auf Gestationsdiabetes mellitus (Schwangerschaftsdiabetes, GDM)
  • Gelegenheits-Glucose-Messung ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) oder Nüchternglucose ≥ 92 mg/dl (5,1 mmol/l)
  • Nüchternglucose (Zweitmessung) 92-125 mg/dl (5,1-6,9 mmol/l)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Manifester Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Ketonurie (Ausscheidung von Ketonkörpern im Urin) ohne Glukosurie (Zuckerausscheidung im Urin)
  • Azidose (Übersäuerung des Blutes)
  • Fieberhafte Erkrankungen
  • Hepatitis (Leberentzündung)

Normwerte

50-g-Glucose-Screeningtest (GCT)

Zeitpunkt Referenzwert
Nach 1 Stunde < 135 mg/dl (7,5 mmol/l)

75-g-oGTT (Empfehlung: WHO, DGG)

Zeitpunkt Referenzwert
Nüchtern 92 mg/dl (5,1 mmol/l)
Nach 1 Stunde 180 mg/dl (10,0 mmol/l)
Nach 2 Stunden 153 mg/dl (8,5 mmol/l)

Interpretation

  • Ein Blutglucosewert von ≥ 135 mg/dl (7,5 mmol/l) im 50-g-GCT gilt als positives Screening → erfordert diagnostischen 75-g-oGTT.
  • Wird in einem der Messpunkte des 75-g-oGTT der jeweilige Schwellenwert erreicht oder überschritten, ist die Diagnose Gestationsdiabetes gesichert.

Vergleich: 50-g-Glucose-Screeningtest vs. 75-g-oraler Glukosetoleranztest (oGTT)

Test Bedingungen Zielsetzung Vorteile Nachteile
50-g-Glucose-Screeningtest (GCT) Einnahme von 50 g Glucose unabhängig von Nahrungsaufnahme und Tageszeit, Blutentnahme nach 60 Minuten Erstes Screening auf Gestationsdiabetes mellitus (GDM) Schnell, einfach, keine Nüchternphase erforderlich, hohe Akzeptanz bei Schwangeren Relativ geringe Spezifität, positives Ergebnis erfordert Bestätigung durch 75-g-oGTT
75-g-oraler Glukosetoleranztest (oGTT) Nüchtern ≥ 8 h, Einnahme von 75 g Glucose, Blutentnahmen nüchtern, nach 60 und 120 Minuten Diagnosesicherung bei Verdacht auf GDM Goldstandard zur Diagnosestellung, hohe Sensitivität und Spezifität, international standardisiert (WHO, DGG) Aufwendiger, zeitintensiver, Nüchternheit erforderlich, stärkere Belastung für Patientin

Weitere Hinweise

  • Autoantikörper können ergänzend untersucht werden (bei etwa 10 % der Schwangeren mit Gestationsdiabetes nachweisbar) und deuten auf eine Disposition zu Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) hin.
  • Die „ScreenR2GDM“-Studie zeigte, dass ein zweizeitiges Vorgehen (24.-28. SSW: 50-g-Screeningtest, bei positivem Ergebnis 75-g-oGTT) zu etwa 50 % weniger GDM-Diagnosen und 45 % weniger Insulinbehandlungen führte – ohne Nachteile für Mutter und Kind [1].
  • Etwa 6-8 Wochen nach der Geburt entwickeln 1 von 8 Frauen mit Gestationsdiabetes eine reaktive Hypoglykämie (Unterzuckerung; < 70 mg/dl). Prospektive Daten zeigen, dass eine RH mit einem besseren metabolischen Profil assoziiert ist [2].

Literatur

  1. Hillier TA et al.: A Pragmatic, Randomized Clinical Trial of Gestational Diabetes Screening. N Engl J Med 2021; 384:895-904 doi: 10.1056/NEJMoa2026028
  2. Quansah DY et al. Reactive hypoglycaemia during the OGTT after gestational diabetes mellitus: Metabolic implications and evolution. Diab Med 2022; https://doi.org/10.1111/dme.14920