Medikamentöse Therapie
Lipoprotein (a)-Erhöhung (Hyperlipoproteinämie)

Therapieziele

  • Senkung stark erhöhter Lipoproteinwerte zukünftig möglich durch Antisense-Therapie (s. u.)
  • Behandlung begleitender Hyperlipoproteinämien (Fettstoffwechselerkrankungen)
  • Minimierung kardiovaskulärer Risikofaktoren (Rauchen, nicht ausreichende körperliche Bewegung; Behandlung einer eventuellen Hypertonie oder eines Diabetes mellitus)

Therapieempfehlungen

Die Therapie der Hyperlipoproteinämie (hier: Lipoprotein(a)-Erhöhung) stützt sich auf folgende Pfeiler:

  • Sekundärprävention, das heißt Reduktion der Risikofaktoren [kein Effekt auf eine Lipoprotein(a)-Erhöhung]
  • Mikronährstofftherapie (Vitalstoffe; s. u. Therapie mit Mikronährstoffen)
  • Patienten mit stark erhöhten Lp(a)-Werten: Lipoprotein-Apherese (s. u. "Weitere Therapie") [Wirkung auf Lp(a): akute Senkung um > 60 %]
  • Siehe auch „Mögliche zukünftige Therapiemaßnahmen bei einer Lipoprotein(a)-Erhöhung "
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie" (Lebensstiländerung etc.). – die Lipoprotein(a)-Serumkonzentrationen sind durch Lebensstilmaßnahmen praktisch nicht zu beeinflussen; Lebensstiländerungen im Sinne einer diätetische Beeinflussung erhöhter Triglyceride und des LDL-Cholesterins sind jedoch sinnvoll.

Interventionstrategie gemäß dem kardiovaskulärem Gesamtrisiko und LDL-Cholesterin-Spiegel [2]

Kardiovaskuläres Gesamtrisiko                                                               LDL-Wert
< 70 mg/dL
< 1,8 mmol/dL
70 bis < 100 mg/dL
1,8 bis < 2,5 mmol/dL
100 bis < 155 mg/dL
2,5 bis < 4,0 mmol/dL
155 bis 190 mg/dL
4,0 bis 4,9 mmol/dL
> 190 mg/dL
> 4,9 mmol/dL
 < 1 % (niedriges Risiko) Keine Lipidsenkung Keine Lipidsenkung Lebensstilintervention Lebensstilintervention Lebensstilintervention;
wenn unkontrolliert, Medikamente erwägen
 Evidenzklasse/Level  I/C  I/C  I/C  I/C  IIa/C
 ≥ 1 bis < 5 % (oder moderates Risiko) Lebensstilintervention Lebensstilintervention Lebensstilintervention;
wenn unkontrolliert, Medikamente erwägen
Lebensstilintervention;
wenn unkontrolliert, Medikamente erwägen
Lebensstilintervention;
wenn unkontrolliert, Medikamente erwägen
 Evidenzklasse/Level  I/C  I/C  IIa/A  IIa/A  I/A
 ≥ 5 bis < 10 % (oder hoch) Lebensstilintervention,
Medikamente erwägen*
Lebensstilintervention,
Medikamente erwägen*
Lebensstiländerung und sofortige medikamentöse Intervention Lebensstiländerung und sofortige medikamentöse Intervention Lebensstiländerung und sofortige medikamentöse Intervention
 Evidenzklasse/Level  IIa/A  IIa/A  IIa/A  I/A  I/A
 ≥ 10 % (oder sehr hohes Risiko) Lebensstilintervention,
Medikamente erwägen*
Lebensstiländerung und sofortige medikamentöse Intervention Lebensstiländerung und sofortige medikamentöse Intervention Lebensstiländerung und sofortige medikamentöse Intervention Lebensstiländerung und sofortige medikamentöse Intervention
 Evidenzklasse/Level  IIa/A    I/A  I/A  I/A

*Bei Patienten mit Myokardinfarkt (Herzinfarkt) sollte eine Statintherapie unabhängig vom LDL-Cholesterin-Spiegel erwogen werden.

Die aktuelle Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) zur Dyslipidämie empfehlen noch niedrigere Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C)-Zielwerte [Leitlinien: s. u. 2019 ESC/EAS Guidelines]:

Kardiovaskuläres Gesamtrisiko Ziel-LDL-Cholesterin Bemerkungen 
 < 1 % (niedriges Risiko) < 3 mmol/l < 116 mg/dl  
 ≥ 1 bis < 5 % (oder moderates Risiko) < 2,6 mmol/l < 100 mg/dl  
 ≥ 5 bis < 10 % (oder hoch) < 1,8 mmol/l < 70 mg/dl oder mindestens 50 % LDL-C-Reduktion; zu dieser Gruppe zählen u. a. auch Patienten mit einer familiären Hypercholesterinämie und Diabetiker
≥ 10 % (oder sehr hohes Risiko) < 1,4 mmol/l < 55 mg/dl

oder mindestens 50 % Reduktion des LDL-C.

Keine derzeitige Verwendung von Statin: Dies erfordert wahrscheinlich eine hochintensive LDL-senkende Therapie. 
Aktuelle LDL-senkende Behandlung: Eine erhöhte Behandlungsintensität ist erforderlich.

< 1,0 mmol/l < 40 mg/dl Höchstrisikopatienten, die ein 2. vaskuläres Ereignis innerhalb von 2 Jahren erlitten haben, trotz maximaler lipidsenkender Therapie

Weitere Behandlungsziele

  • Non-HDL-C: Non-HDL-C-Sekundärziele sind < 2,2, 2,6 und 3,4 mmol / l (< 85, 100 und 130 mg/dl) für Personen mit sehr hohem, hohem und mittlerem Risiko.
  • ApoB: ApoB-Sekundärziele sind < 65, 80 und 100 mg/dl für Personen mit sehr hohem, hohem bzw. mittlerem Risiko.
  • Triglyceride: Kein Ziel, aber < 1,7 mmol/l
  • Diabetes HbA1c: < 7 % 

Bestimmung des kardiovaskulären Gesamtrisikos nach Prioritäten: 

Sehr hohes Risiko
  • Kardiovaskuläre Krankheiten/Herz- und Gefäßkrankheiten (CVD)
  • Typ-2-Diabetes oder Typ-1-Diabetes mit Zielorganschäden
  • Score ≥ 10 %
Hohes Risiko
  • Ausgeprägte einzelne Risikofaktoren wie:
    • familiäre Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung)
    • schwere Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Score ≥ 5 und < 10 %
Moderates Risiko
  • Familienanamnese: koronare Herzkrankheit (KHK) – vor dem 55. Lebensjahr (Männer) bzw. vor dem 65. Lebensjahr (Frauen)
  • Abdominale Adipositas (Taillenumfang)
    • Frauen: ≥ 88 cm
    • Männer: ≥ 102 cm
  • Fehlende körperliche Aktivität (Bewegungsmangel)
  • Erhöhte Triglyceride und hs-CRP
  • Score ≥ 1 bis < 5 %
Niedriges Risiko
  • Score < 1 %

Siehe auch unter: HeartScore oder Euro Score

Beachte: Das Risiko kann höher sein, als das durch das SCORE-Risikoschätzungssystem errechnet: Folgende Faktoren tragen zur Risikoerhöhung bei:

  • Sozial Benachteiligte
  • Sitzende Patienten und solche mit zentralem Übergewicht
  • Patienten mit Diabetes mellitus
  • Patienten mit niedrigem HDL-Cholesterin oder Apolipoprotein A1, Apolipoprotein B sowie erhöhten Triglyceriden, Fibrinogen, Homocystein, Lp(a) Werten, hs-CRP; familiärer Hypercholesterinämie; gestörte Glukosetoleranz (unzureichende Regulation des Blutzuckers nach oraler Glucosezufuhr)
  • Asymptomatische Probanden mit präklinischer Evidenz für Atherosklerose (Arteriosklerose; Arterienverkalkung), beispielsweise Vorhandensein von Plaques (krankhafte Ablagerungen an den Gefäßwänden) oder einer erhöhten Intima-Media-Dicke der Arteria carotis communis.
  • Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion
  • Patienten mit einer Familienanamnese für vorzeitige koronarer Herzkrankheit (KHK; Erkrankung der Herzkranzgefäße)
  • Patienten mit Übergewicht und Bewegungsmangel

Das Risiko kann dagegen niedriger sein bei denjenigen mit einem sehr hohen HDL-Cholesterinwert oder einer Familienanamnese für Langlebigkeit.

Ziele nach den SCORE Risikokategorien definiert [2]:

Sehr hohem Risiko < 1,8 mmol/L (= 70 mg/dL) und/oder eine LDL-Reduktion um mindestens 50 %, wenn der Ausgangswert im Bereich zwischen 70 mg/dl und 135 mg/dl (1,8 mmol/L und 3,5 mmol/L) liegt (Klasse 1/B- statt bisher 1/A-Empfehlung [10])
Hohem Risiko < 2,5 mmol/L  (= 100 mg/dL)alternativ das LDL-Cholesterin um mindestens 50 % zu senken, wenn der Ausgangswert im Bereich zwischen 100 mg/dl und 200 mg/dl (2.6 - 5.1 mmol/L) liegt (1/B-Empfehlung) [10]
Moderatem Risiko < 3,0 mmol/L  (= 115 mg/dL)


Medikamentöse Maßnahmen:

  • Absenkung des LDL-Cholesterins (s. u. Hypercholesterinämie) [Wirkung auf Lp(a): neutral bis geringer Anstieg]
  • Des Weiteren ist auch ein möglichst hoher HDL-Wert wichtig für die Vorbeugung schwerer kardiovaskulärer Erkrankungen. Er sollte > 1,0 mmol/l (> 46 mg/dl) betragen.
  • Die Werte der Triglyceride sollten im folgenden Bereich liegen: < 1,7 mmol/l (< 150 mg/dl)

Mögliche zukünftige Therapie bei einer Lipoprotein (a)-Erhöhung

  • Ein Antisense-Oligonukleotid (gegen apo(a)-mRNA gerichtet), das die Produktion von Lipoprotein(a) in der Leber blockiert, hat in ersten klinischen Studien die Serumkonzentration deutlich gesenkt: Die Lp(a)-Werte gingen unter den wöchentlichen Injektionen mit „IONIS-APO(a)Rx“ um 67-72 % zurück [1].
  • Phase-II-Studie: Eine Antisense-Therapie (AKCEA-APO(a)-LRx)  bei Studienteilnehmern, die Lp(a)-Wert von mindestens 60 mg/dl (150 nmol/L) sowie eine kardiovaskuläre Erkrankung (Koronare Herzkrankheit (KHK), Myokardinfarkt, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder Apoplex/TIA) aufwiesen, zeigte sich nach 6-monatiger Exposition eine dosisabhängige Wirkung des Medikaments [2]:
    • Placebo-Gruppe: Lp(a)-Spiegel gingen im Mittel um 6 % zurück
    • 20 mg-Dosis jede 4 Wochen: senkte das Lp(a) im Mittel um 35 % (p = 0,003)
    • 40 mg-Dosis jede 4 Wochen um 56 % (p ˂ 0,001)
    • 20 mg-Dosis jede 2 Wochen um 58 % (p ˂ 0,001)
    • 60 mg-Dosis jede 4 Wochen um 72 % (p ˂ 0,001)
    • 20 mg-Dosis jede 2 Wochen um 80 % (p ˂ 0,001)
    Nebenwirkungen: Reaktionen an der Einstichstelle (27 %); Therapiegruppe: 90 % versus Placebogruppe 83 %.
    In einer Endpunktstudie ist als Nächstes die Wirksamkeit auf das Risiko für schwere kardiovaskulärer Ereignisse zu beweisen.

Effekte lipidsenkender Therapieoptionen auf Lp(a) [European Atherosclerosis Society consensus statement]

Medikament Wirkung auf Lp(a)
Inclisiran neutral bis geringer Anstieg
PCSK9-Inhibitoren Reduktion um 20-30 % abhängig vom Ausgangswert
Statine Reduktion um ca. 25 % abhängig vom Ausgangswert
Neue Entwicklungen  
Apo(a) Antisense Oligonucleotide (ASO) Reduktion um 80-90 %
Apo(a) Small interfering RNA (siRNA)
Lepodisiran*
Reduktion um 80-98 %

Wirkung: small interfering RNA-Molekül (siRNA) unterbindet in der Leber die Transkription des Gens einer Lp(a)-Komponente, nämlich von Apolipoprotein A; siRNA Lepodisiran reduziert Lp(a) um gut 90 %, wobei eine halbjährliche oder jährliche Gabe ausreichen könnte [3]

Legende

  • Lp(a) Lipoprotein(a),
  • PCSK9 Proprotein-Convertase-Subtilisin/Kexin-Typ 9,

Literatur

  1. Viney NJ et al.: Antisense oligonucleotides targeting apolipoprotein(a) in people with raised lipoprotein(a): two randomised, double-blind, placebo-controlled, dose-ranging trials. Lancet. 2016 Nov 5;388(10057):2239-2253. doi: 10.1016/S0140-6736(16)31009-1
  2. Tsimikas S et al.: Lipoprotein(a) Reduction in Persons with Cardiovascular Disease. N Engl J Med. 2020 Jan 1.
  3. Nissen SE et al. Lepodisiran, an Extended-Duration Short Interfering RNA Targeting Lipoprotein(a): A Randomized Dose-Ascending Clinical Trial. JAMA 2023; doi:10.1001/jama.2023.21835

Leitlinien

  1. Task Force Members: Piepoli FM, Hoes AW, Agewall S et al. 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: The Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiology and Other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of 10 societies and by invited experts) Developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). Eur Heart J. 2016 Aug 1,37(29):2315-81. doi: 10.1093/eurheartj/ehw106. Epub 2016 May 23.
  2. Mach F et al.: GUIDELINES 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk: The Task Force for the management of dyslipidaemias of the European Society of Cardiology (ESC) and European Atherosclerosis Society (EAS) GUIDELINES 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk: The Task Force for the management of dyslipidaemias of the European Society of Cardiology (ESC) and European Atherosclerosis Society (EAS) European Heart Journal 31 August 2019, ehz455, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz455
  3. Kronenberg F, Mora S, Stroes ESG et al.: Lipoprotein(a) in atherosclerotic cardiovascular disease and aortic stenosis: a European Atherosclerosis Society consensus statement. Eur Heart J. 2022;43(39):3925-46 doi: 10.1093/eurheartj/ehac361

     
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