Depressionsrisiko bei Verordnung hormoneller Kontrazeption

Der Zusammenhang zwischen Veränderung von Stimmung und Antrieb beziehungsweise Depressivität und der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva wird schon lange diskutiert und untersucht. Östrogene sollen eher eine antidepressive Wirkung haben, Gestagene wirken wahrscheinlich eher stimmungsverschlechternd.

Dänische Autoren veröffentlichten eine große, bevölkerungsbasierte, prospektive Kohortenstudie, die zum ersten Mal den Zusammenhang zwischen der Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva und dem Depressionsrisiko untersuchte. In die Analyse gingen Daten von 1.061.997 Frauen ein (Daten der Danish Sex Hormone Register Study). Das Follow-up betrug im Mittel 6,4 Jahre.

Im Vergleich zu Frauen, die keine Kontrazeptiva einnahmen, hatten die Patienten, die kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) einnahmen, ein 1,23-faches Risiko für die Erstverwendung eines Antidepressivums (95 % CI, 1,22-1,25).

Nachfolgend das Depressionsrisiko, d. h. die Erstverwendung eines Antidepressivums in Abhängigkeit von der Form des hormonellen Kontrazeptivums:

  • Benutzer von reinen Gestagenpräparaten hatten ein erhöhtes Risiko für die Erstverwendung eines Antidepressivums von 1,34 (95 % CI, 1,27-1,40)
  • Benutzer eines Levonorgestrel-haltigen intrauterinen Systems von 1,4 (95 % CI, 1,31-1,42).
  • Benutzer eines Vaginalrings (Etonogestrel) von 1,6 (95 % CI, 1,55-1,69)
  • Benutzer eines Norgestrolmin-Pflasters von 2,0 (95 % CI, 1,76-2,18)

Für Depressionsdiagnosen wurden ähnliche oder etwas niedrigere Schätzungen gefunden. Das relative Risiko fiel in der Regel mit zunehmendem Alter ab.

Jugendliche (Altersgruppen, 15-19 Jahre) hatten unter Verwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva eine Risikoerhöhung für eine erste Verwendung eines Antidepressivums von 1,8 (95 % CI, 1,75-1,84) und solche, die Progestin-Pillen (auch Progestagene genannt) einnahmen, eine Risikoerhöhung von 2,2 (95 % CI, 1,99 -2,52).

Sechs Monate nach Beginn der Anwendung von hormonellen Kontrazeptiva erreichte die Risikoerhöhung für ein Antidepressivums 1,4 (95 % CI, 1,34-1,46).
Bei der Referenzgruppe, die nie zuvor hormonelle Kontrazeptiva benutzten, erhöhte sich die Depressionswahrscheinlich nach Einnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva auf 1,7 (95 % CI, 1,66-1,71).

Fazit: Gestagenhaltige Kontrazeptiva gehen mit einer erhöhten Depressionswahrscheinlichkeit einher.

Weitere Hinweise

  • Hormonelle Kontrazeption ("Antibabypille" etc.)-Anwenderinnen versus Frauen, die im Untersuchungszeitraum niemals hormonelle Kontrazeptiva angewendet haben [2]:
    • Suizidversuch 1,97-fach (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,85-2,10) häufiger
    • 3,08-fach (1,34-7,08) häufiger vollendeter Suizid
    • stärkste Assoziation zwei Monate nach Beginn der Kontrazeption
    • kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KHK; Kombination aus Östrogenen und Gesta­genen) relatives Risiko von 1,91 (1,79-2,03)
    • Monopräparate mit Progestin relatives Risiko von 2,29 (1,77-2,95)
    • Vaginal-Ringe (enthalten in der Regel ein Gestagen) relatives Risiko von 2,58 (2,06-3,22)
    • Kontrazeptiv-Pflaster (Gestagenprodukt) relatives Risiko von 3,28 (2,08-5,16) 
  • Dänische Registerdaten: Nachweis einer verdoppelten Rate für Suizidversuche, die für Suizide sogar verdreifacht [3]:
    • besonders ausgeprägt war der Zusammenhang bei den 15- bis 19-Jährigen und schwächte sich bei den älteren Frauen etwas ab
    • höchste Risikoerhöhung wurde für Progestin-Implantate (4,4-fach) und Medroxyprogesteron-Depot-Formulierungen (6,5-fach) berechnet (möglicherweise handelt es sich um eine Indikationsbias: Form des Selektionsbias, die dazu führt, dass Populationen in die Analyse einbezogen werden, die für das beabsichtigte Analysekollektiv nicht repräsentativ sind)
  • Die Ergebnisse einer Studie legen nahe, dass die Einnahme von oralen Kontrazeptiva, insbesondere in den ersten zwei Jahren, das Risiko einer Depression erhöht. Weiterhin könnte die Einnahme von oralen Arzneimitteln im Jugendalter das Risiko einer Depression im späteren Leben erhöhen. Die Ergebnisse stimmen mit einem kausalen Zusammenhang zwischen OC-Konsum und Depression überein, der durch die Geschwisteranalyse gestützt wird [4].

Literatur

  1. Skovlund CW et al.: Association of Hormonal Contraception With Depression. JAMA Psychiatry 2016 Nov 1;73(11):1154-1162. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2016.2387.
  2. Skovlund CW et al.: Association of Hormonal Contraception With Suicide Attempts and Suicides. Am J Psychiatry. 2017 Nov 17:appiajp201717060616. doi: 10.1176/appi.ajp.2017.17060616
  3. Skovlund CW et al.: Association of Hormonal Contraception With Suicide Attempts and Suicides. Am J Psychiatry 2018; 175:336–342; doi: 10.1176/appi.ajp.2017.17060616. https://ajp.psychiatryonline.org/doi/full/10.1176/appi.ajp.2017.17060616
  4. Johansson T et al.: Population-based cohort study of oral contraceptive use and risk of depression Epidemiology and Psychiatric Sciences 2023;32 doi https://doi.org/10.1017/S2045796023000525

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Hormonelle Empfängnisverhütung. (AWMF-Registernummer: 015 - 015), September 2020 Langfassung
     
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