Hämoperfusion
Detoxikationsverfahren

Bei der Hämoperfusion handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren der Nephrologie, welches der Entfernung von toxischen Substanzen aus dem Blut unter Verwendung eines spezifischen Adsorptionssystems dient. Die Adsorption beschreibt die Anreicherung von Substanzen aus Gasen oder Flüssigkeiten an der Oberfläche eines Festkörpers. Die Detoxikation mittels Hämoperfusion stellt ein extrakorporales (außerhalb des Körpers) Blutreinigungsverfahren dar, dessen Funktionsweise auf der Basis des Bindungsvermögens des genutzten Adsorptionsmediums für die einzelnen Giftstoffe aufgebaut ist.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Entfernung von toxischen Substanzen aus dem Blut. Dabei muss folgende Bedingungen erfüllt sein:
    • Toxinmenge im Blut – nur bei ausreichender Konzentration des Giftstoffes in der Blutbahn ist die Anwendung der Hämoperfusion als sinnvoll zu betrachten. Bei Giftstoffen, die sich primär im Fett, Gehirn oder Knochen ansammeln, wird durch ein extrakorporales Blutreiningungsverfahren kein ausreichender Effekt erzielt.
    • Clearance – das im Blut befindliche Toxin muss durch die Hämoperfusion messbar entfernt werden. Die Eliminationsfähigkeit der Hämoperfusion muss bei jedem Giftstoff bestimmt werden. Die Auswahl des Blutreiningungsverfahrens ist abhängig von den physikalischen Eigenschaften des Toxins. Bei diversen Toxinen ist eine Kombination mehrerer Verfahren sinnvoll.

Vor der Behandlung

  • Bewertung der Indikationen: Es muss sichergestellt werden, dass die Hämoperfusion für den jeweiligen Patienten und dessen spezifische Toxinbelastung geeignet ist. Besonders die Konzentration des Toxins im Blut und seine physikalischen Eigenschaften sind dabei zu beachten.
  • Vorbereitung der Ausrüstung: Die Sterilität der Hämoperfusionskartusche ist zu überprüfen. Bei Bedarf ist eine Dampfsterilisation durchzuführen. Die Auswahl des Adsorptionsmediums (Aktivkohle oder Neutralharze) muss entsprechend der zu entfernenden Toxine getroffen werden.
  • Patientenvorbereitung: Vor der Behandlung sollte der Patient auf mögliche Risiken und Komplikationen hingewiesen werden. Eine Prüfung der Vitalfunktionen und des allgemeinen Gesundheitszustandes ist notwendig.

Das Verfahren

Im Gegensatz zu weiteren Detoxikationsverfahren erfolgt die Toxinelimination weder durch Diffusion noch durch Konvektion. Zum Einsatz kommt die Hämoperfusion bei der Entfernung exogener (von außen zugeführter) Giftstoffe, die nicht mittels Hämodialyse oder Hämofiltration adäquat aus dem Körper eliminiert werden können.

Adsorptionsmedien

Sowohl beschichtete Aktivkohle als auch Neutralharze können bei der Hämoperfusion als Adsorptionsmedien genutzt werden, da beide Substanzen zur Oberflächenvergrößerung befähigt sind. Durch diese Oberflächenvergrößerung wird die Anzahl der Toxinbindungsplätze massiv erhöht. Erreicht wird diese hohe Zahl der Bindungsplätze über granulaartige (körnchenartig) Partikelstrukturen mit unebener Oberfläche. Um bei der Hämoperfusion einen ausreichenden Effekt zu erzielen, werden in den Hämoperfusionskartuschen zwischen 70 und 300 Gramm der Adsorptionsgranula eingeschlossen.

Aktivkohle

  • Die Oberfläche von 300 Gramm beschichteter Aktivkohle entspricht einer Oberfläche von ungefähr 400.000 Quadratmetern.
  • In diese mit Aktivkohle gefüllte Kartusche wird nun das Blut das Patienten über einen Bluteingang eingeführt. Nach erfolgter Befüllung der Kartusche werden die im Blut enthaltenen Giftstoffe irreversibel (nicht wieder rückgängig zu machen) aus dem Blut entfernt. Nach erfolgter Reinigung des Blutes verlässt das Blut über einen speziellen Blutausgang die Kartusche und wird wieder dem Blutkreislauf des Patienten zugefügt. Die Elimination der Giftstoffe durch das Adsorptionsmedium in der Kartusche kann so lange erfolgen, bis eine Sättigung (fehlende Bindungsfähigkeit) der Bindungsstelle für die Toxine auftritt. Zur weiteren Hämoperfusion ist dann ein Austausch der Kartusche nötig.
  • Wie bereits beschrieben, beruht das Prinzip der Hämoperfusion auf der Oberflächenvergrößerung der Aktivkohle oder der Neutralharze. Die Aktivkohle kann entweder aus biologischen Materialen wie Torf oder Kokosnussschalenkohle hergestellt werden oder aus nichtbiologischen Elementen wie beispielsweise verschiedener geologischer Kohlearten. Damit die Aktivkohle in einen aktivierten Zustand übergehen kann, muss sie allerdings an der Luft oder in wasserdampfreicher Umgebung oxidiert werden. Die Oxidation stellt eine chemische Reaktion dar, bei der ein Stoff Elektronen abgibt, die dann von einem anderen Molekül aufgenommen werden. Ohne diese Aktivierung wäre die notwendige Bindungsfähigkeit von Toxinen nicht gegeben. Damit die im Blut enthaltenen Toxine überhaupt binden können, muss der Blutfluss durch die verbleibenden Hohlräume der Aktivkohle gelangen.

Die Beschichtung der Aktivkohle ist von großer Bedeutung in der Detoxikation mittels Hämoperfusion, da bei fehlender Beschichtung das Risiko einer lebensbedrohlichen Embolie durch die raue Oberfläche der Aktivkohle relativ hoch ist. Außerdem können stark ausgeprägte Thrombozytopenien (Verminderung der Zahl der Blutplättchen) und Leukopenien (Verminderung der Zahl der weißen Blutkörperchen) auftreten. Auch die Möglichkeit der Entstehung einer Hämolyse (Zerstörung und Auflösung der roten Blutkörperchen) ist durch die Oberflächeneigenschaften der unbeschichteten Aktivkohle gegeben. Durch die Beschichtung werden jedoch nicht nur diese Risikofaktoren reduziert, es wird auch eine Barriere für Proteine (Eiweiß) erstellt, sodass kein Proteinverlust für den menschlichen Organismus vorliegt. Ein häufig verwendetes Beschichtungsmaterial ist die Zellulose.

Kunstharze

Die Verwendung spezieller Kunstharze in der Hämoperfusion beruht auf der Tatsache, dass sowohl Neutralharze als auch ionische Kunstharze insbesondere lipophile (fettliebende) Giftstoffe binden können und so zur Klärung des Blutes beitragen. Als Beispielsubstanz für Kunstharze kann das Polystyrol genannt werden.

Durchführung der Hämoperfusion

  • Vor Beginn der Detoxikationstherapie mittels Hämoperfusion ist primär zu prüfen, ob die Kartusche steril ist. Sollte dies nicht der Fall sein, muss vorher eine Dampfsterilisation erfolgen.
  • Um eine adäquate Entgiftung zu erreichen, muss ein Blutfluss von 200 bis 300 ml pro Minute angestrebt werden. In Abhängigkeit von einer möglichen Heparinbeschichtung muss gegebenenfalls eine Spülung der Kartusche mit heparinversetztem Kochsalz erfolgen. Unabhängig hiervon ist eine Gabe von Heparin in den arteriellen Schenkel des Schlauchsystems indiziert. Zu bedenken ist hierbei jedoch, dass durch die Adsorptionseigenschaften der Aktivkohle Heparin aus dem Blut entzogen wird, sodass die Wirkungskonzentration verändert wird.
  • Um eine mögliche Hypoglykämie zu vermeiden, sollte vor der Hämoperfusion eine Vorspülung der Kartusche mit 5%iger Glucoselösung erfolgen.

Nach der Behandlung

  • Überwachung des Patienten: Nach der Hämoperfusion ist eine sorgfältige Überwachung des Patienten erforderlich, um auf mögliche Komplikationen wie Blutdruckabfall, Thrombozytopenie oder Immunglobulinreduktion zu reagieren.
  • Behandlung von Komplikationen: Bei Auftreten von Komplikationen wie massiven Blutungen oder Bronchopneumonien ist eine sofortige medizinische Intervention erforderlich.
  • Medikamentenmanagement: Die Adsorptionseigenschaften der Hämoperfusion können auch Medikamente wie Antibiotika beeinflussen. Es ist wichtig, die Serumspiegel dieser Medikamente zu überwachen und gegebenenfalls anzupassen.
  • Langzeitnachsorge: Die langfristige Überwachung des Patienten ist wichtig, um sicherzustellen, dass keine weiteren Komplikationen auftreten und um den allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten zu bewerten. Er

Mögliche Komplikationen

  • Blutdruckabfall – aufgrund der Adsorption blutdruckregulierender Hormone wie beispielsweise Noradrenalin oder auch Angiotensin fällt der Blutdruck zu Beginn der Therapiemaßnahme signifikant ab. Der Blutdruckabfall kann durch den Aderlass ins System bei primär instabilem Blutdruck noch verstärkt werden. Möglicherweise sollte daher eine Substitution mit Plasmaexpandern in der ersten Stunde der Therapie durchgeführt werden.
  • Thrombozytopenie – wie bereits aufgeführt, kann die Hämoperfusion zu einem Verlust der Thrombozyten im Blut führen. Als Zeichen für die körpereigene Gegenregulation ist das vermehrte Vorkommen von jungen Thrombozyten zu werten. Folge dieser Thrombozytopenie kann eine massive Blutungskomplikation sein. Untersucht man die Aktivkohle nach erfolgter Hämoperfusion, so ist festzustellen, dass ein dichter Filz aus Fibrin und Thrombozyten in den Kohlepartikeln nachweisbar ist.
  • Reduktion der Anzahl der Immunglobuline – bei den Immunglobulinen handelt es sich um Antikörper, deren Menge im Blut durch die Hämoperfusion reduziert wird. Der genaue Mechanismus ist bisher noch ungeklärt, allerdings konnte bei hämoperfundierten Patienten trotz erfolgreicher Elimination der Toxine aus dem Blut eine Zunahme von Bronchopneumonien (Lungenentzündungen) beobachtet werden.
  • Adsorption von Medikamenten – Da das Risiko des Auftretens einer Pneumonie durch die Hämoperfusion deutlich erhöht ist, sollte den betroffenen Patienten eine Antibiotikatherapie zugutekommen. Als problematisch ist jedoch zu werten, dass durch das Adsorptionsmedium neben Toxinen auch Antibiotika gebunden werden können. Durch die Bindung an das Medium wird der wirksame Serumspiegel des Antibiotikums reduziert, sodass der Effekt der Behandlung nicht garantiert werden kann. Bisher wurden noch keine aussagekräftigen In-Vivo-Studien (Studie, die an Probanden durchgeführt wird) durchgeführt, die diesen Effekt belegen konnten, allerdings konnte in vitro (Untersuchung im Reagenzglas) nachgewiesen werden, dass beispielsweise das Antibiotikum Ampicillin nach dreistündiger Hämoperfusion zu 100 % aus dem Blut entfernt wurde.

Literatur

  1. Hörl W: Dialyseverfahren in Klinik und Praxis: Technik und Klinik. Georg Thieme Verlag 2003
  2. Risler T: Facharzt Nephrologie. Elsevier Verlag 2008
  3. Keller C: Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 2007
  4. Nowack R, Birck R: Dialyse und Nephrologie für Fachpersonal. Springer Verlag 2009
  5. Schneemann H: Angewandte Arzneimitteltherapie. Springer Verlag 2001

     
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