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Bobath-Konzept

Bei dem Bobath-Konzept (Synonym: Neurodevelopmental Treatment – NDT) handelt es sich um ein Konzept, welches sowohl in der Physiotherapie als auch in der Ergo- und Logopädie zur Behandlung von Patienten mit einer zerebralen Bewegungsstörung (CP) unabhängig vom Alter eingesetzt wird. Die Entwicklung des Konzepts beruht auf den Erfahrungen der Gymnastiklehrerin Dr. h. c. Berta Bobath (1907-1991). Sie bemerkte, dass sich eine Spastizität (krampfartig erhöhte Spannung der Skelettmuskulatur, bedingt durch eine Schädigung des Nervensystems) durch gezieltes Training beeinflussen lässt.

Ihr persönliches Schlüsselerlebnis zur Aufstellung dieser Theorie war die Behandlung eines schwer spastischen Patienten. Zu dieser Zeit galt in Europa die Lehrmeinung, dass eine Spastizität nicht beeinflussbar und auf Grund dessen nur eine Stärkung der "gesunden" Seite vonnöten sei. Diese Stärkung sollte eine Kompensation der Hemiplegie (Halbseitenlähmung – komplette Lähmung einer Körperseite) darstellen.

Mit der Erfahrung als Gymnastiklehrerin war sie in der Lage, gezielte Entspannungs- und Muskelstärkungsübungen durchzuführen und stellte fest, dass nicht nur der Tonus (Muskelspannung) des Patienten reduziert werden konnte, sondern dass es dem Patienten möglich war, Eigenbewegungen selbst zu initiieren. Zusammen mit ihrem Mann Karel (1906-1991) erforschten sie die Hintergründe des Erfolges der Therapie.

Das Verfahren

Das Konzept beruht neben der bedeutsamen Entdeckung der Tonusbeeinflussung auf der Betrachtung des menschlichen Körpers als Ganzes aus Körper und Geist. Des Weiteren wurde von Karel Bobath festgestellt und später von Forschern empirisch belegt, dass auf Grund der Plastizität (Umgestaltungsfähigkeit) des menschlichen Gehirns eine Umverteilung und Umstrukturierung von Prozessen, die zuvor in nicht funktionierenden Hirnarealen stattfanden, von gesunden Hirnarealen übernommen werden können.

Außerdem nahm man in dem Denkmodell nach Bobath an, dass sensorische Reize (Sinneswahrnehmungen) willkürliche Bewegungen hervorrufen können. Nach diesem Muster soll bei Patienten durch die entwickelten Behandlungstechniken eine Inhibition (Hemmung), eine Stimulation (Förderung) und eine Fazilitation (Ermöglichung des Zusammenspiels von Nerven und Muskulatur) einer Bewegung hervorgerufen werden. Nicht nur die Inhibition, sondern auch die Stimulation dient der Tonusbeeinflussung. Die Fazilitation hingegen soll Stell-, Gleichgewichts- und Stützreaktionen der Normalität annähern.

Vom Bobath-Therapeuten Deutschlands e. V. wurden die teilweise bereits genannten Prinzipien zusammengestellt:

  • die Veränderlichkeit (Offenheit des Konzeptes)
  • Ganzheitlichkeit
  • Zielbezogenheit der Therapie (individuelle Unabhängigkeit und Selbstständigkeit)
  • neurologische Fundierung (nur wissenschaftlich bewiesene Verfahren dürfen der Liste an Übungen in der Therapie hinzugefügt werden)
  • entwicklungsbezogene Motorik (die Einbeziehung des Alters des Patienten in die Auswahl der Therapieansätze)
  • Alltagsbezogenheit
  • auf das Individuum bezogene Vorgehensweise (nur ein auf den Patienten abgestimmtes Programm führt zum Erreichen des Therapieziels)
  • auf die Therapie bezogene Arbeit und Betreuung von Angehörigen

Die Art der Reaktion des Patienten auf die passive Bewegung durch den Therapeuten wird als Bewertung der Effizienz der Therapie angesehen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Therapieansätzen gibt es im Bobath-Konzept keine Liste aus definierten Übungen, sodass die Weiterentwicklung der Maßnahmen immer fortgeführt wird.

Von besonderer therapeutischer Bedeutung ist das Bobath-Konzept für Patienten mit einer Zerebralparese (Erkrankung deren Ursprung häufig eine frühkindliche Hirnschädigung ist und durch Störungen der willkürlichen Bewegungskoordination auf Grund einer Beeinflussung des Nerven- und Muskelsystems bemerkbar wird), das heute als erfolgreichstes Konzept für die Behandlung und Pflege dieser Patienten bezeichnet wird.

Das Bobath-Konzept wird eingesetzt bei:

  • apoplektischem Insult (Synonyme: Schlaganfall, Apoplex, Hirninfarkt, Hirnschlag) – es handelt sich um eine plötzliche Erkrankung des Gehirns, die durch das Auftreten entweder einer Hirnblutung, einer Minderdurchblutung eines Gehirngefäßes oder anderer Anfallauslöser gekennzeichnet ist
  • Schädel-Hirn-Traumata – Oberbegriff für einerseits verschlossene als auch offene Schädelverletzungen mit Perforation (Öffnung) der Dura mater (harte und äußere Hirnhaut) mit einer Schädigung des Gehirns. Der Schweregrad eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT) ist durch römische Ziffern codiert (SHT I, SHT II, SHT III)
  • hypoxischer Hirnschädigung – schwere Beeinträchtigung der Hirnleistung durch Sauerstoffmangel. Als Resultat des Mangels kommt es zum Absterben von Hirnzellen, die nach heutigem Forschungsstand als nicht regenerierbar definiert sind. Der Hirnschaden kann beispielsweise durch das Auftreten eines Herzinfarktes oder eines Ertrinkungsunfalles auftreten.
  • Hirntumoren – z. B. Astrozytome, Oligodendrogliome, Meningeome
  • genetischen Veränderungen des Nervensystems
  • Entwicklungsstörungen und Verzögerungen

Bei der Verwendung des Bobath-Konzepts sind keinerlei Komplikationen bekannt, allerdings ist die Anwendung bei folgenden Krankheitsbildern kontraindiziert (negative Beeinflussung des körperlichen Zustandes):

  • schwere Herzerkrankungen
  • maligne (bösartige) Tumore mit Metastasen (Tochtergeschwülste)
  • Fieber

Ihr Nutzen

Das Bobath-Konzept gilt in der Betreuung und Therapie von Patienten mit zerebraler Bewegungsstörung als erfolgreichstes Muster. Folgende Aspekte sind als Nutzen für den Patienten hervorzuheben:

  • Verbesserung des Zusammenspiels von gesunder und gelähmter Seite
  • Wiedererlernen von verloren gegangenen Bewegungsabläufen und Fähigkeiten
  • Inhibition (Hemmung) der Spastizität und Korrektur abnormer Bewegungs-und Haltungsmuster
  • Prävention (Vorbeugung und Verhinderung) von Schmerzen
  • Erhöhung der Flexibilität und Zurückgewinn der ehemaligen Eigenständigkeit


Literatur

  1. Das Bobath-Konzept: Wurzeln, Entwicklungen, neue Aspekte; Biewald; Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2003
  2. Bobath-Konzept in der Pflege: Grundlagen, Problemerkennung und Praxis; Dammshäuser; Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2005
  3. Erfahrungen mit dem Bobath-Konzept: Grundlagen - Behandlung - Fallbeispiele; Rohlfs; Thieme Verlag 2005
  4. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch; Aksu, Albrecht etc.; de Gruyter Verlag 1990
  5. Die Bobath-Therapie in der Erwachsenenneurologie; Gjelsvik; Thieme Verlag 2007

     
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