Neurodestruktive Verfahren

Bei neurodestruktiven Verfahren bzw. der Neurodestruktion (Synonyme: Neuroablation, Neurolyse, Neurochirurgische Schmerztherapie) handelt es sich um einen invasiven, destruierenden ("zerstörenden") Eingriff zur langfristigen Ausschaltung von Nerven bzw. Nervengeflechten. Diese schmerztherapeutische Maßnahme zielt auf die sensible Funktion der Nerven und ist in der Regel meist temporär wirksam, da z. B. regenerative Prozesse fortschreiten und eventuell ein erneutes Eingreifen erfordern. Da es sich bei der Neurodestruktion um ein sehr komplikations- und risikoreiches Verfahren handelt, ist die Indikation streng zu stellen und ein Eingreifen als letzte Therapiestufe zu werten.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Extrem starke chronische Schmerzzustände – z. B. Tumorschmerzen
  • Verbesserung starker Spastizität nach Rückenmarksverletzungen

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Da die Indikationen, wegen der erheblichen Komplikationen und Risiken, sehr eng gefasst sind und eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse obligat ist, ergeben sich die Kontraindikationen aus den genannten Indikationen.

Vor der Operation

Vor dem Eingriff muss ein ausführliches Anamnesegespräch erfolgen und der Patient muss über mögliche Komplikationen aufgeklärt werden. Eine röntgenologische Untersuchung der Wirbelsäule bzw. anderer anatomischer Zielstrukturen stellt, neben der gründlichen klinischen Inspektion, die Planung des Eingriffs sichern. Thrombozytenaggregationshemmer (blutverdünnende Medikamente) sollten ca. 5 Tage zuvor abgesetzt werden. Dies muss mithilfe einer Blutuntersuchung (Gerinnungsparameter) kontrolliert werden. Zur Unterstützung der Wundheilung bzw. des Therapieerfolges empfiehlt es sich, dass der Patient den Nikotinkonsum einstellt.

Das Verfahren

Die Destruktion des Nervengewebes erfolgt entweder unter Durchleuchtungskontrolle (Röntgenfilm in Echtzeit) oder unter CT-Kontrolle (Computertomographie). Dabei werden perkutan (durch die Haut) neurotoxische Substanzen an das Zielgewebe appliziert. Zu diesem Zweck können die folgenden Neurolytika eingesetzt werden:

  • Ammoniumsalze
  • Ethanol (Äthanol)
  • Glycerin
  • Kresol
  • Phenol

Zuvor wird eine Testinjektion mit Lokalanästhetika durchgeführt. Diese Maßnahme hat diagnostischen Charakter und zeigt den korrekten Ort der Intervention an. Zudem erlaubt die Testinjektion eine prognostische Aussage bezüglich der Wirksamkeit der folgenden Neurodestruktion. Jedoch geben diese Vorsichtsmaßnahmen keine vollkommende Sicherheit. Die Wirkung der Neurolytika ist unspezifisch und kann sowohl reversibel als auch irreversibel sein, sodass eine Wiederholung notwendig sein kann. Die Zerstörung des Nervengewebes kann auch mithilfe von Thermokoagulation oder Kryochirurgie (Kyrotherapie, Vereisung) erfolgen. Neben der direkten chemischen bzw. thermischen Neurodestruktion sind die folgenden neurodestruktiven Verfahren zu nennen:

  • Chordotomie – Der Eingriff beruht auf einer chirurgischen Durchtrennung der Schmerzbahn im Rückenmark, des sogenannten Tractus spinothalamicus (Vorderseitenstrang). Die Vorderseitenstrangdurchtrennung wird auch als anterolaterale Chordotomie bezeichnet.
  • Neurolyse – Als äußere Neurolyse wird die operative Lösung von Verwachsungen um einen Nerv, z. B. bei Narbenbildung nach Verletzungen oder Frakturen, bezeichnet. Die innere Neurolyse bezeichnet die Freilegung intakter Nervenfasern aus einer endoneuralen Narbe (Narbe innerhalb eines Nervenfaserbündels nach Verletzung des Nervs) zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit durch Dekompression der Nervenfasern.
  • Rhizotomie – Bei diesem Verfahren wird je nach Zielregion auf Höhe des entsprechenden Rückenmarkssegmentes die Hinterwurzel im Hinterhorn des Rückenmarks durchtrennt. Dadurch erfolgt eine Ausschaltung der Schmerz- und Temperaturempfindung sowie der Wahrnehmung von Berührungsreizen.

Nach der Operation

Nach dem Eingriff ist eine engmaschige Kontrolle des Patienten notwendig. Neben der chirurgischen Nachbetreuung (z. B. bei einer Rhizotomie), muss der neurologische Status des Patienten ebenfalls streng überwacht werden, um mögliche Komplikationen frühzeitig zu entdecken.

Mögliche Komplikationen

Je nach Lage des Zielgewebes besteht immer die Gefahr der Mitzerstörung anderer Nervenfasern, sodass das Bild der neurologischen Komplikationen je nach Interventionsort variiert und sehr breit gefächert ist.

  • Ausbleiben des Therapieerfolges
  • Chemische Destruktion benachbarter Strukturen sowie des Rückenmarks
  • Chemische Destruktion entfernter liegender Organe durch intravasale Injektion (in ein Gefäß) der Neurolytika
  • Chemische Neuritis (Nervenentzündung) des betroffenen Nerven mit Auftreten neuer Schmerzen
  • Deafferenzierungschmerzen (Phantomschmerzen)
  • Mechanische Verletzung benachbarter Strukturen
  • Motorische Ausfälle
  • Myelitis (Rückenmarksentzündung)

Literatur

  1. List WF, Osswald PM, Hornke I: Komplikationen und Gefahren in der Anästhesie. Springer Verlag 2002
  2. Henne-Bruns D, Kremer B, Dürig M: Chirurgie. Georg Thieme Verlag 2008
  3. Schulte am Esc J et al.: Anästhesie. Georg Thieme Verlag 2011