Atlastherapie

Die Atlastherapie nach Arlen ist ein schonendes, manuelles Verfahren, welches der manuellen Medizin zugeordnet wird. Es beinhaltet eine reflektorische und regulatorische Beeinflussung des vegetativen und peripheren Nervensystems durch eine sanfte manuelle Impulstechnik an den Querfortsätzen des ersten Halswirbels (Synonyme: Atlas; C1).

Zielsetzung und Wirkungsweise der Atlastherapie nach Arlen

Zielsetzung

  • Linderung von Schmerzzuständen: Akute, chronische oder wiederkehrende Schmerzen können durch die Therapie reduziert oder beseitigt werden.
  • Funktionsverbesserung: Durch die Beeinflussung des Nervensystems können Muskelspannung, Gleichgewicht und Schmerzverarbeitung positiv beeinflusst werden.
  • Unterstützung bei verschiedenen Erkrankungen: Die Therapie kann bei einer Vielzahl von Beschwerden wie Asthma bronchiale, Neurodermitis, Verdauungsstörungen und anderen eingesetzt werden.

Wirkungsweise

  • Reflektorische Beeinflussung des Nervensystems: Durch die sanften manuellen Impulse am Atlas werden reflektorische Reaktionen im Nervensystem ausgelöst, die sich positiv auf verschiedene Körperfunktionen auswirken.
  • Regulatorische Effekte: Die Therapie kann regulatorische Prozesse im Körper stimulieren, die zu einer Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens führen.
  • Verbesserung der Muskelspannung und des Gleichgewichts: Durch die gezielte Beeinflussung des Atlas können Muskelverspannungen reduziert und das Gleichgewicht verbessert werden.
  • Schmerzreduktion: Die Therapie kann dazu beitragen, Schmerzen im Bewegungsapparat sowie bei anderen Beschwerden wie Tinnitus oder Schwindel zu lindern.

Indikationen (Anwendungsgebiete) 

  • Asthma bronchiale
  • Atopisches Ekzem (Neurodermitis)
  • Dysmenorrhoe (Regelschmerzen)
  • Funktionsabstimmung von inneren Organen, Haut- und Bindegewebe
  • Gastroösophageale Refluxkrankheit (Synonyme: GERD, Gastro-oesophageal reflux disease; Gastroesophageal Reflux Disease (GERD); Gastroösophageale Refluxkrankheit (Refluxkrankheit); Gastroösophagealer Reflux; Reflux-Ösophagitis; Refluxkrankheit; Refluxösophagitis; peptische Ösophagitis) – entzündliche Erkrankung der Speiseröhre (Ösophagitis), die durch den krankhaften Rückfluss (Reflux) von saurem Magensaft und anderen Mageninhalten hervorgerufen wird
  • Herpes zoster
  • Kiss-Syndrom (Kiss steht als Abkürzung für: Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung) – Störungen der Körperhaltung im Säuglings- und Kleinkindalter, die zu einer Reihe von Verhaltensstörungen führen soll [die Existenz eines Kiss-Syndroms im Sinne eines Krankheitsbildes gilt als nicht bewiesen]
  • Muskeldysbalance, v. a. auch bei spastischen Kindern
  • Obstipation (Verstopfung)
  • Paroxysmale Tachykardien (plötzliche, anfallsweise Auftreten einer stark beschleunigten Herzaktivität)
  • Schmerzzustände im Bewegungsapparat
  • Tinnitus (Ohrgeräusche)
  • Vertigo (Schwindel)
  • Zust. n. Schleudertrauma

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Akute Verletzungen: Besonders im Bereich des Halses und der oberen Wirbelsäule.
  • Schwere degenerative Veränderungen: Insbesondere bei Instabilitäten im Bereich des ersten Halswirbels.
  • Entzündliche Erkrankungen: Wie Rheuma oder akute Infektionen in der Halsregion.
  • Vorhergehende Operationen: An der Halswirbelsäule, die zu einer Instabilität führen können.
  • Neurologische Erkrankungen: Bei bestimmten Bedingungen, die eine Manipulation am Atlas kontraindiziert machen.
    • Leichte neurologische Entwicklungsstörungen: Bei Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel leichte Formen von Zerebralparese oder andere Entwicklungsanomalien.
    • Akute neurologische Symptome: Beispielsweise aufgrund von Sportverletzungen oder leichteren Traumata, die zu temporären neurologischen Ausfällen führen können.

Vor der Therapie

  • Medizinische Anamnese: Umfassende Erfassung der medizinischen Vorgeschichte und aktueller Beschwerden.
  • Manuelle Untersuchung: Prüfung der Beweglichkeit und Stabilität des Atlas sowie angrenzender Strukturen.
  • Aufklärung: Detaillierte Information über das Verfahren und die erwarteten Wirkungen.
  • Einwilligung: Einholung der Zustimmung zur Behandlung.

Das Verfahren

Im Gebiet des Atlaś werden die Muskeln und Sehnen der Halswirbelsäule dicht mit Nerven versorgt. Des Weiteren befinden sich in der unmittelbaren Umgebung des Atlaś das Innenohr, das Kiefergelenk und verschiedene Hirnnervenaustritte aus der Schädelgrube. In Atlashöhe ist zudem der Eingang des Rückenmarks (Medulla spinalis) in den Spinalkanal (Rückenmarkskanal) der Wirbelsäule mit unzähligen Verschaltungen der Pyramidenbahn und den Hirnnervenkernen.

Mit der Atlastherapie lassen sich über diese Nackennerven in unmittelbarer Nähe zum Gehirn zentrale Körperfunktionen wie Muskelspannung, Gleichgewicht und Schmerzverarbeitung positiv beeinflussen.

Traditionell galt zur Bestimmung der therapeutischen Impulsrichtung bei der Atlastherapie nach Arlen die Anfertigung einer a.-p.-Röntgenaufnahme des zervikookzipitalen Übergangs als unverzichtbar. Diese wird möglicherweise durch den klinischen 3-Zeichen-Test zur Ermittlung der therapeutisch wirksamen Atlasimpulsrichtung ersetzt werden, der aus drei diagnostischen Schritten besteht [3, 4]:

  1. Palpatorischer Nachweis der umschriebenen Induration etwa in Höhe C2, zu suchen zwischen M. semispinalis capitis und M. splenius capitis (Seitenvergleich)
  2. Palpatorischer Nachweis der flach hirsekorngroßen, nicht selten sulzigen Induration am kranialen Ende der "Mastoidkerbe" (Seitenvergleich)
  3. Funktioneller Armlängentest (FALT): Wird eine Abweichung vom Ausgangsbefund nachgewiesen, ist der FALT positiv.

Der Arzt setzt mit seinem Mittelfinger kurze Impulse, die über die Seitenfortsätze des Atlas auf den jeweiligen Nackennerven übertragen werden, wodurch ein anderes Wahrnehmungsmuster im Gehirn des Patienten entsteht. Die Atlastherapie beeinflusst so den Spannungszustand der Muskulatur und die Funktion der inneren Organe sowie zugleich die nervale, und indirekt auch die hormonelle Funktion.

Nach der Therapie

  • Beobachtung: Überwachung auf mögliche Reaktionen unmittelbar nach der Behandlung.
  • Nachsorgeanweisungen: Empfehlungen zu Aktivitäten und Ruhephasen nach der Therapie.
  • Folgetermine: Bei Bedarf weitere Termine zur Überprüfung und Fortführung der Behandlung.

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Leichte Schmerzen oder Unbehagen: Insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule.
  • Kreislaufreaktionen: Wie Schwindel oder leichte Übelkeit unmittelbar nach der Behandlung.

Spätkomplikationen

  • Verschlimmerung bestehender Symptome: In seltenen Fällen kann eine vorübergehende Verschlimmerung auftreten.
  • Muskelverspannungen: Als Reaktion auf die Veränderung der Wirbelsäulenposition.
  • Neurologische Reaktionen: Sehr selten, aber mögliche Veränderungen in der Nervenfunktion.

Für die Atlastherapie gibt es keine behandlungstypischen Risiken, da die technische Durchführung ohne Zug, Drehung oder Extension der Halswirbelsäule erfolgt. Sie gilt als sehr schonende Technik. Diese Therapiemethode wird häufig auch bei Kindern eingesetzt.

Die Atlastherapie nach Arlen sollte stets von einem qualifizierten Therapeuten durchgeführt werden, der in dieser speziellen Technik ausgebildet ist. Eine sorgfältige Beurteilung des Patienten vor Beginn der Therapie ist wesentlich, um Kontraindikationen zu erkennen und das Risiko von Komplikationen zu minimieren.

Ihr Nutzen

Die Atlastherapie lindert und beseitigt akute, chronische oder wiederkehrende Schmerzzustände. Sie profitieren bei regelmäßiger Anwendung von dem sanften und sofort wirksamen Verfahren.

Literatur

  1. Arlen A: Leitfaden zur Atlastherapie. Ass Rech Med Prev Sante 1-9 (Munster) 1985
  2. Arlen A, Kraemer M, Patris A: L’analyse radio-functionelle du rachis cervical, 2e partie: la bascule paradoxale de l’atlas. Ann Réadaptation Méd Phys 33:591-601-1990
  3. Coenen W: Der Drei-Zeichen-Test in der atlastherapeutischen Diagnostik. Vortrag auf der Konferenz des wissenschaftlichen Beirats der ÄMKA, Lichtenhagen 2011
  4. Coenen W et al.: Atlastherapie nach Arlen: 3-Zeichen-Test statt Röntgen Ergebnisse einer multizentrischen Studie. Springer-Verlag Berlin Heidelberg (2015) doi: 10.1007/s00337-015-0041-3