Folgeerkrankungen
Dünndarmteilentfernung (Dünndarmresektion)

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch eine Dünndarmresektion (Dünndarmteilentfernung) mit bedingt sein können:

Atmungssystem (J00-J99)

  • Pneumonie (Lungenentzündung)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E99)

  • Malnutrition (Fehlernährung)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektionen

Kreislaufsystem (I00-I99)

  • Thromboembolie – Verschluss einer Lungenarterie durch einen Blutpfropf

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Blutungen, nicht näher bezeichnet
  • Kurzdarmsyndrom (siehe unten)
  • Narbenhernie – Bauchwandbruch im Bereich der Operationsnarbe

Weitere 

  • Anastomosenstenose – Verengung der Verbindungsnaht
  • Nahtinsuffizienz – Unfähigkeit der Naht, die Gewebe zu adaptieren
  • Wundheilungsstörungen

Bei einer Resektion des Dünndarms von erwachsenen Menschen bis zu 50 % ist die Deckung des Energie-, Nähr- und Vitalstoffbedarfs noch möglich, sodass keine Malabsorption ("schlechte Aufnahme") resultiert – vorausgesetzt das Duodenum (Zwölffingerdarm), das Ileum (Krummdarm) sowie die ventilartige Ileozökalklappe (Klappe an der Verbindungsstelle zwischen Krummdarm und Blinddarm) bleiben erhalten. Unter diesen Umständen kann der Verlust des Resorptionsvermögens durch die erhebliche Reservekapazität des Dünndarms – durch Adaption (Anpassung) des Restdarms – ausgeglichen werden [1]. Die Adaption wird durch eine erhöhte Enzymaktivität in der Dünndarmschleimhaut und Größenzunahme der Schleimhautausstülpungen (Zotten) sowie der Schleimhauteinstülpungen (Krypten) ermöglicht [3].

Mit zunehmendem Ausmaß der Resektion verringert sich jedoch die Resorptionsfläche und damit die Deckung des Nähr- und Vitalstoff-, Energie- sowie Wasserbedarfs.
Werden mehr als 50 % des Dünndarms entnommen, wird die Aufnahme von essentiellen Nähr- und Vitalstoffen beeinträchtigt. Eine Resektion über 75 % der Gesamtlänge hat eine ausgeprägte Malabsorption und Malnutrition (Mangelernährung) zur Folge [2].

Unzureichende Ausnutzung von:

  • Kohlenhydraten
  • Proteinen (Eiweiß)
  • Fetten – Mangel an essentiellen Fettsäuren wie Omega-3- und 6-Verbindungen
  • Wasserlöslichen – Vitamin C, B-Vitamine – sowie fettlöslichen VitaminenVitamin A, D, E, K
  • Elektrolyten beziehungsweise Mineralstoffen wie Calcium, Magnesium, Kalium, Natrium, Chlor und Phosphor
  • Spurenelementen wie Eisen, Zink, Kupfer
  • Wasser [4.2.]

Die klinische Symptomatik, die Resorption von Nähr- und Vitalstoffen und die daraus resultierenden Mangelerscheinungen sind neben der verbleibenden Darmlänge im Wesentlichen davon abhängig, ob der Krummdarm, Leerdarm oder die Ileozökalklappe erhalten bleibt. Kommt es bei Dünndarmresektion gleichzeitig zu einer partiellen oder totalen Entfernung des Dickdarms, kann ebenfalls die Resorption erheblich beeinträchtigt und die Symptomatik verschlimmert werden [1].

Resektion des terminalen Ileums

Der untere Teil des Dünndarms – Ileum (Krummdarm), terminales Ileum ist der Ort der Vitamin B12-Resorption und der Gallensalzrückresorption. Vitamin B12 und Gallensalze unterliegen dem Darm-Leber-Kreislauf (enterohepatischer Kreislauf). Dieser ist für die Regelung des Vitamins B12- sowie des Gallensäure-Gleichgewichts unerlässlich.

Folgen – Resektion des terminalen Ileums

Nach operativer Entfernung des terminalen Ileums – von etwa 100 cm – wird der enterohepatische Kreislauf unterbrochen [3]. In der Folge ist die Vitamin B12-Resorption gestört – Vitamin B12-Mangel – und es treten aufgrund der fehlenden Rückresorption unphysiologische Mengen an Gallensalzen in den Dickdarm über. Dort steigern sie die Kontraktionswellen der glatten Muskulatur (Peristaltik) und verringern die Resorption von Wasser. Auf diese Weise verursachen die Gallensäuren eine chologene Diarrhoe (Durchfall) mit hohen Verlusten von Flüssigkeit, Elektrolyten und wasserlöslichen Vitaminen [4.2.]. Die Gallensalze werden letztendlich mit dem Stuhl ausgeschieden.
Die Leber ist nicht in der Lage, den Verlust von Gallensäuren durch Synthesesteigerung auszugleichen, wodurch die Gallensalzkonzentration in der Gallenflüssigkeit abnimmt [4.2.]. Infolge des Verlustes stehen die Gallensalze der Mizellenbildung nicht mehr zur Verfügung. Die kritische mizellare Konzentration führt zu einer verminderten Ausnutzung des Nahrungsfettes sowie der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K [4.2.].

Da Nahrungsfette nicht ausreichend aufgenommen werden können, gelangen die nicht resorbierten Fette sowie Fettspaltprodukte in tiefere Darmabschnitte. Dort beschleunigen sie über eine Stimulation der Peristaltik die Darmpassage und lösen schließlich – infolge des Anstiegs der Stuhlfettausscheidung (Steatorrhoe; chologener Fettstuhl) aus [4.2.]. Indem die Gallensalze im Dickdarm ebenfalls die Kontraktionswellen fördern und die Wasserrückresorption aus dem Darm hemmen, verstärken sie den Fettdurchfall [4.2.] Durch die erhöhten Fettverluste über den Stuhl gehen auch vermehrt die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K sowie essentielle Fettsäuren verloren [4.2.]. Je nach Ausmaß der Fettresorptionsstörung kommt es zur einer negativen Energiebilanz und damit zur Gewichtsabnahme [4.2.].

Die anfallenden Gallensäuren im Dickdarm binden Calcium, wodurch der essentielle Mineralstoff zusammen mit den Gallensäuren vermehrt ausgeschieden wird. Daraus können sich rasch Calcium-Defizite entwickeln. Die Hypocalcämie (Calciummangel) wird zudem durch die nicht resorbierten Fettsäuren begünstigt, denn diese verbinden sich mit Calcium zu unlöslichen Kalkseifen und hemmen so die Calcium-Resorption [4.2.].

Des Weiteren fördert der Gallensäureverlust die Ausscheidung von Oxalsäure im Harn (Hyperoxalurie) und erhöht damit die Gefahr der Nierensteinbildung [4.2.]. Patienten mit einem resezierten Ileum sollten deshalb oxalsäurehaltige Lebensmittel, wie Rote Bete, Petersilie, Rhabarber, Spinat, Mangold sowie Nüsse, meiden [1].

Ursachen für den vermehrten Anfall von Oxalsäure – Oxalurie:

  • Mit den Gallensalzen gelangen hohe Mengen Glycin in den Dickdarm, wo es von Bakterien in Glyoxalat umgewandelt wird. Glyoxalat wird nach der Resorption in der Leber in Oxalsäure umgewandelt [4.2.].
  • Hohe Gallensalzkonzentration im Dickdarm steigert die Durchlässigkeit der Schleimhaut für Oxalat-Ionen [4.2.].
  • Geringe Gallensalzkonzentration verzögert die Resorption von Fettsäuren, sodass sich die Fettsäuren mit Calcium zu unlöslichen Kalkseifen verbinden können. Oxalsäure kann somit nicht mehr von Calcium zu Calciumoxalat gebunden werden, wodurch die freie, aus der Nahrung aufgenommene Oxalsäure verstärkt resorbiert und über den Harn ausgeschieden wird [4.2.].

Resektion der Ileozökalklappe

Die Ileozökalklappe und der Dickdarm dienen der Stabilisierung des Wasser- und Elektrolyt-Haushaltes, der Reduktion von Diarrhöen sowie der Optimierung der Deckung des Energiebedarfs. Die Ileozökalklappe hat auch die Funktion, den Rückfluss von Darminhalt vom bakteriell stark besiedelten Dickdarm in den bakterienarmen Dünndarm zu verhindern.

Bei weitgehendem Ausfall der Ileozökalklappe kann es zu einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms kommen, da Bakterien ohne Hindernis mit dem Reflux von Darminhalt aus dem Dickdarm in den Dünndarm gelangen [2]. Die zellulären Antigene sind in der Lage, primäre Gallensäuren im Dickdarm in sekundäre Gallensäuren umzuwandeln. Die primären Gallensäuren stehen zur Mizellenbildung somit nicht mehr zur Verfügung, wodurch die Resorption von Fetten im Darm verhindert wird. Hohe Konzentrationen sekundärer Gallensäuren erhöht wiederum das Krebsrisiko, da sie Mechanismen unterstützen, die die Entstehung von Tumoren begünstigen [4.2.].
Weiterhin wird die Ausnutzung von Vitamin B12, Kohlenhydraten sowie Proteinen (Eiweiß) beeinträchtigt,
da die Bakterien hohe Mengen dieser Vitalstoffe für ihren eigenen Bedarf aus der Nahrung entnehmen [4.2.]. Aufgrund dessen sind Vitamin B12-Mangelerscheinungen bei Patienten mit fehlender Ileozökalklappe nicht selten. Außerdem wird der Körper nur unzureichend mit Kohlenhydraten und Proteinen versorgt.
Die vermehrte Ansammlung von Bakterien und Bakteriengiften im Dünndarm schädigt die Schleimhaut des Dünndarms [2]. Infolge der mukosalen entzündlichen sowie geschwulstartigen Veränderungen kommt es zur Malabsorption von Nähr- und Vitalstoffen. Insbesondere können die essentiellen Fettsäuren, fettlöslichen Vitamine, Vitamin C, Calcium, Magnesium, Eisen sowie Zink nur ungenügend resorbiert werden [4.2.].

Des Weiteren führt die Beeinträchtigung der Darmschleimhaut zu einem vermehrten intestinalen Eiweißverlust, da der Austritt von Plasmaeiweißen durch die Darmschleimhaut ins Darminnere die Bildungsrate der Proteine (Eiweiß) überschreitet – enterales Eiweißverlustsyndrom. Die Abnahme der zirkulierenden Plasmaeiweiße geht meist mit einer schwer wiegenden Mangelversorgung mit Eiweiß einher [4.2.]. Zudem führt ein erhöhter intestinaler Eiweißverlust zur einer Verringerung des onkotischen Drucks und somit – je nach Ausmaß der verminderten Konzentration der Plasmaeiweiße (Hypoproteinämie) zur Ausbildung von Ödemen [4.2.].

Bei Wegfall der Ileozökalklappe kommt es zu einer Beschleunigung der Dünndarmpassage [4.2.]. Dadurch können Nähr- und Vitalstoffe nicht ausreichend von der Dickdarmschleimhaut resorbiert beziehungsweise zersetzt werden – Verstärkung osmotischer Diarrhöen [2]. Flüssigkeit und Elektrolyte, wie Calcium, Magnesium, Kalium sowie Natrium, gehen in hohen Mengen mit den Diarrhöen verloren [4.2.].

Personen, denen der terminale Ileum beziehungsweise die Ileozökalklappe operativ entfernt wurden, sind aufgrund der Resorptionsstörungen und der vermehrten Verluste über den Stuhl oftmals mit Energie und essentiellen Nähr- und Vitalstoffen unterversorgt [1].

Bedeutung des Dickdarms

Ein voll funktionsfähiger Dickdarm (Kolon) spielt beim Kurzdarmsyndrom eine wesentliche Rolle. Trotz sehr geringer Restlänge des Dünndarms kann mit Hilfe des Dickdarms die Energiebilanz aufrechterhalten bleiben. Der Dickdarm besitzt neben der Aufnahme von Elektrolyten und Wasser die Fähigkeit, die vom Restdarm nicht genutzten Kohlenhydrate sowie Ballaststoffe durch bakteriellen Abbau in kurzkettige Fettsäuren, wie n-Butyrat, Acetat und Propionat, umzuwandeln. Diese werden von der Dickdarmschleimhaut rasch und nahezu vollständig resorbiert.
Kurzkettige Fettsäuren sind für die Funktionsfähigkeit der Dickdarmschleimhaut von erheblicher Bedeutung. Sie dienen die der Mikroflora der Dickdarmschleimhaut als energieliefernde Substrate [4.2.]. Butyrat ist der wichtigste Energielieferant der Schleimhautzellen. Zusammen mit Propionat stimuliert Butyrat die physiologische Zellneubildung in den Krypten des Dickdarms und hält die Aktivität der bakteriellen Enzyme und somit die Funktionsabläufe im Dickdarm aufrecht [4.2.].
Eine hohe Zufuhr von Ballaststoffen sichert damit einen hohen Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren im Dickdarm. Die hierdurch bedingte Senkung des pH-Wertes verhindert die Ansiedlung krankmachender Keime [4.1.]. Ein hoher pH-Wert im Darminneren fördert hingegen die Umwandlung von primären zu sekundären Gallensäuren [1]. Hohe Konzentrationen sekundärer Gallensäuren erhöhen wiederum das
Risiko für Dickdarmkrebs, da sie Mechanismen unterstützen, die die Entstehung von Tumoren begünstigen [1].
Des Weiteren fördern die Fettsäuren die Aufnahme von Natriumchlorid und Wasser im Dickdarm. Infolge der gekoppelten Fettsäure-, Natriumchlorid- und Wasser-Resorption werden verstärkt gelöste Stoffe – osmotisch aktive Moleküle, wie gelöste Salze und Glucose – aus dem Darminneren entfernt. Auf diese Weise wird die Tendenz zu Diarrhöen deutlich reduziert – vorausgesetzt ein intaktes terminales Ileum ermöglicht die Gallensäurerückresorption [4.2.].

Folgen einer partiellen beziehungsweise totalen Resektion des Dickdarms

Wird jedoch der Dickdarm in Kombination mit einer Dünndarmresektion partiell oder total reseziert, entfällt die hohe Reservekapazität des Dickdarms für die Wasser- und Elektrolytresorption. Die Kolektomie (Entfernung des Dickdarms) führt schließlich zu therapeutisch schwer beeinflussbaren Durchfällen [4.2.].
Ebenso können Kohlenhydrate sowie Ballaststoffe bei fehlendem nicht resorbiert werden und gehen vermehrt über den Stuhl verloren – Entwicklung einer osmotischen Diarrhoe. In der Folge werden die Energiebilanz und damit der Ernährungszustand der Patienten erheblich verschlechtert.
Der Verlust der Ileozökalklappe im Zusammenhang mit Kolektomie beschleunigen weiterhin die Dünndarmpassage [4.2.]

Resektion des Jejunums

Im Vergleich zum terminalen Ileum, zur Ileozökalklappe und zum Dickdarm ist die operative Entfernung des Jejunums (Leerdarm) nicht von großer Bedeutung, da die Resorption von Nähr- und Vitalstoffen vom terminalen Ileum übernommen wird [4.2.].

Literatur

  1. Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein Ch, Stähelin H: Ernährungsmedizin. Kapitel 27, 342-374, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999
  2. Biesalski HK; Köhrle J, Schümann K: Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Kapitel 56, 378-382, Georg Thieme Verlag; Stuttgart/New York 2002
  3. Huth K, Kluthe R: Lehrbuch der Ernährungstherapie. Kapitel 11, 12, 256-271, Georg Thieme Verlag Stuttgart New York, 1995
  4. Kasper H: Ernährungsmedizin und Diätetik. Kapitel 1, 75-85 (4.1.), 3, 171-211 (4.2.) Urban & Fischer Verlag; München/Jena 2000
     
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