Therapieziel
Normale Stuhlfrequenz
Therapieempfehlungen
Die Therapieempfehlungen der Leitlinie chronische Obstipation [1] sehen ein Stufenschema vor.
Jede der im Nachfolgenden vorgestellten Stufen der Therapie sollte im Optimum je zwei Wochen auf ihre Wirksamkeit getestet werden bevor zur nächsten Stufe übergegangen wird.
Bevor dieser Stufenplan jedoch eingesetzt wird, müssen alle möglichen organischen Ursachen differentialdiagnostisch erfasst beziehungsweise ausgeschlossen werden! Als weitere Voraussetzung gilt selbstverständlich das Versagen der oben angegebenen Basistherapie.
Bei einem Stufenwechsel werden alle Maßnahmen der vorangegangenen Stufen weiter eingehalten, das heißt alle Präparate werden weiter verabreicht.
Stufe | Maßnahmen bei Obstipation ohne Entleerungsstörung | Maßnahmen bei Entleerungsstörung |
Ia | Allgemeine Maßnahmen (s. "Weitere Therapie") | |
Ib | Einnahme zusätzlicher Ballaststoffe (Weizenkleie, Flohsamenschalen etc.) | |
II | Macrogol, Bisacodyl, Natriumpicosulfat Lactulose Anthrachinone (s. u. Cave] ggf. Kombi, ggf. Wechsel |
Suppositorien/Klysmen |
III | Prucaloprid Lubiproston, Linaclotid |
ggf. Chirurgie (bei strukturell bedingter Obstipation) ggf. Biofeedback (bei funktionell bedingter Obstipation) ggf. + Laxans, + Supp., + Klysma |
IV | Kombinationstherapie I-III Klysmen, Lavage ggf. Opiatantagonisten |
- |
V | Sakralnervenstimulation Chirurgie (subtotale Colektomie) |
- |
Wirkstoffe (Hauptindikation)
Füll-/Quellmittel
Wirkstoffe | Dosierung |
Flohsamen (Plantogosamen; Psyllium) |
1-2 Btl/d (10-30 gr); Beginn einschleichend mit einem Teelöffel Flohsamenschalen in 150-200 ml Wasser/d – kann fortlaufend auf zwei Teelöffel /d in 300-400 ml Wasser gesteigert werden. Während der Behandlung sollte ausreichend Wasser getrunken werden (> 1,5 L). Die Wirkung setzt erst nach 12 bis 24 Stunden ein. Die maximale Wirkung wird nach etwa 24 Stunden erreicht. |
Leinsamen | 1-2 Esslöffel/d |
- Langsamer Wirkeintritt
- Nebenwirkungen bei längerem Gebrauch: Darmträgheit, Hypokaliämie (Kaliummangel), Hyponatriämie (Natriummangel), Hypocalcämie (Calciummangel), Melanosis coli (harmlose, fleckförmige Dunkelfärbung der Dickdarmschleimhaut)
- Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten!
Hydragoge Laxantien
Wirkstoffe | Dosierung | Besonderheiten |
Bisacodyl | 1-2 x 5 mg/d 10 mg Supp/d |
Mittel der ersten Wahl zeitlich unbegrenzte Anwendung – auch in der Schwangerschaft schnelle Wirkung (Supp) |
Natriumpicosulfat | 5-20 Trpf./d | Mittel der ersten Wahl zeitlich unbegrenzte Anwendung – auch in der Schwangerschaft |
- Wirkweise: antiresorptiv-sekretorisch im Colon (Dickdarm), Stimulation der propulsiven Motilität (Bewegung) im Colon (Dickdarm)
- Indikationen: Einsatz bei chronischer Obstipation
- Einsatz auch in der Schwangerschaft
- Nebenwirkungen bei längerem Gebrauch: sehr selten Gewöhnung, Elektrolytverschiebungen (Verschiebungen der Konzentrationen der Blutsalze/Elektrolyte)
Osmotisch-wirksame Laxantien (Abführmittel)
Wirkstoffe | Dosierung | Besonderheiten |
Lactulose | 20-40 ml/d | Weiterer Einsatz bei hepatischer Enzephalopathie |
Lactitol | 0,25 g/kg KG | Einmaldosis morgens oder abends mit viel Flüssigkeit |
Polyethylenglykole (PEG, Macrogol) |
2-3 Btl/d | Mittel der ersten Wahl Einsatz auch in der Schwangerschaft |
Sorbitol | ca. 10 g | gelegentlich Unverträglichkeit (Meteorismus) |
- Wirkweise: osmotische Wasserbindung
- Indikationen: Einsatz bei chronischer Obstipation
- Nebenwirkungen: sehr selten Gewöhnung, Elektrolytverschiebungen (Verschiebungen der Konzentrationen der Blutsalze/Elektrolyte)
Weitere Hinweise
- Als rektale Entleerungshilfen werden empfohlen: Bisacodyl-/CO2-Zäpfchen
- Klysmen sollten nicht dauerhaft verabreicht werden
- Siehe auch unter "Weitere Therapie".
Obstipation in der Schwangerschaft
- Füll- und Quellstoffe (z. B. Leinsamen, Weizenkleie, Flohsamenschalen, Agar-Agar)
- Osmotische Laxanzien (z. B. Lactulose oder Macrogol) oder sekretorische Laxanzien (z. B.Bisacodyl oder Natriumpicosulfat)
- Rektale Mikroklistiere mit Glycerol
- Siehe auch unter "Weitere Therapie".
Opioid-induzierte Obstipation
Opioid-induzierte Obstipation (OIC; engl.: Opioid-Induced Constipation): Auftreten unter Opioidtherapie unabhängig von Applikationsform und Indikation in 80 % der Fälle mit mindestens eine der nachfolgend genannten Nebenwirkungen: Obstipation, Übelkeit und/oder Schläfrigkeit.
- Therapie:
- Prophylaktische Gabe von Laxantien mit Beginn der Opioidtherapie: osmotische (bevorzugt Makrogel) und /oder stimulatorische Laxantien
- Selektive Blockade der peripheren μ-Opioidrezeptoren durch Opiatantagonisten:
- Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon (Verhältnis 2 : 1);
- Methylnaltrexon
- Naloxegol (oraler, peripherer μ-Opioidrezeptorantagonist): 25 mg/d oral)
- Siehe auch unter "Weitere Therapie".
Cave!
- Salinische Laxantien wie Magnesiumhydroxid sollten aufgrund ihres Nebenwirkungsspektrums nicht zur Therapie der chronischen Obstipation eingesetzt werden [1].
- Osmotisch wirksame Salze, Magnesiumhydroxid bzw. Paraffinöl sollten bei Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung und einer Obstipation nicht eingesetzt werden [2].
- Phosphathaltige Klistiere (z. B. Klistier®, Klysma®) haben das Risiko schwerer Hyperphosphatämien (Phosphatüberschuss) nach Anwendung bei kleinen Kindern. Phosphathaltige Klistiere dürfen daher bei Säuglingen und Kleinkindern (unter sechs Jahren) nicht angewendet werden.
- Anthrachinone: Das Deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat wiederholt vor dessen Einsatz gewarnt und betont dass ihr Einsatz auf Kurzzeitgebrauch beschränkt bleiben sollte. Anthrachinone sind kontraindiziert in Schwangerschaft und Stillzeit. Sie werden daher nicht mehr empfohlen. (laut Leitlinie chronische Obstipation können Anthrachinone eingesetzt werden [1])
- Abführmitteltees bestehen meistens aus einem Gemische von Anthrachinonderivaten, die ungenau dosiert mit Teelöffel in heißem Wasser unterschiedlich lange extrahiert werden. Sie werden daher nicht empfohlen.
- Paraffinöl: Es kann am Darmepithel eine Fremdkörperreaktion auslösen und zur Malabsorption (lat.: „schlechte Aufnahme“) von fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) und Medikamenten führen. Ferner besteht vor allem bei bettlägerigen und alten Patienten die Gefahr durch Regurgitation ("wieder Hochwürgen von Speisebrei") und Aspiration (hier: Eindringen in die Lunge) eine Lipidpneumonie (Lipid-Lungenentzündung) auszulösen. Es wird daher nicht empfohlen [1].
- Rizinusöl: Rizinusöl ist ein schlecht schmeckendes, sehr starkes Abführmittel, welches zu Diarrhoe (Durchfall), Abdominalbeschwerden (Bauchschmerzen) und Elektrolytstörungen führen kann. Es wird daher nicht empfohlen.
- Von der dauerhaften Anwendung von Klysmen wird abgeraten [1].
Literatur
- Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) und der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS): Chronische Obstipation: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 021/019 (Stand: 02/2013)
- S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung Kurzversion 1.0 – Mai 2015 AWMF-Registernummer: 128/001OL