Cardiotokographie (CTG, Herzton-Wehenschreiber)

Die Cardiotokographie (CTG; Synonyme: Cardiotokographie, CTG-Registrierung, Cardiotokogramm, Herztonwehenschreibung; cardio = Herz, toko = Wehe und graphein = Schreiben) ist ein unverzichtbares diagnostisches Verfahren in der Geburtshilfe zur simultanen (gleichzeitigen) Registrierung und Aufzeichnung der Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und der Wehentätigkeit bei der werdenden Mutter.  Das CTG (Cardiotokogramm) dient der rechtzeitigen Erkennung fetaler (kindlicher) Gefahrenzustände. Die ermöglicht, frühzeitig zu intervenieren (einzugreifen) und damit eine fetale Schädigung zu verhindern.

Das Verfahren wird antepartal (vor der Geburt) und subpartal (unter der Geburt) eingesetzt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Beachte: Gemäß der Leitlinie "Konsultationsfassung: Fetale Überwachung (Indikation und Methodik zur fetalen Zustandsdiagnostik in der Schwangerschaft) kommen die Autoren nach der Auswertung der vorhandenen Evidenz zum Schluss, dass die Dopplersonographie und CTG bei Low-Risk-Schwangerschaft nicht notwendig sind.

A. Gründe zur erstmaligen CTG-Registrierung im Rahmen der Schwangerenvorsorge sind:

  • Anämie (Blutarmut) der Mutter (Hämoglobin < 10 g/dl oder 6 mmol/l)
  • Arrhythmien (Herzrhythmusstörung) des Feten (speziell Tachyarrhythmien/Kombination aus Arrhythmie/Herzrhythmusstörung) und Tachykardie/schneller Herzschlag) im Ultraschall diagnostiziert,
  • Blutungen während der Spätschwangerschaft
  • Blutgruppeninkompatibilität (Blutgruppenunverträglichkeit) mit Antikörpernachweis
  • Diabetes mellitus
  • Dopplerbefund suspekt (verdächtig) oder pathologisch/krankhaft (z. B. PI (Pulsatility-Index) in A. umbilicalis > 90. Perzentile)
  • Drogenabusus (z. B. Nikotinabusus)
  • Hydramnion (krankhaft vermehrtes Fruchtwassermenge; AFI (amniotic fluid index) > 25 cm)
  • Hypertonie (Bluthochdruck; ≥ 140/90 mmHg)
  • Virale (z. B. TORCH (TORCH-Komplex umfasst die wichtigsten Infektionskrankheiten bzw. deren Erreger, die eine pränatale Gefährdung des Kindes bedeuten können) inklusive Parvovirus B19) und bakterielle (AIS) Infektionen
  • Verminderte Kindsbewegungen
  • Maternale (mütterliche) Kreislaufinstabilität
  • Mehrlingsschwangerschaft
  • Oligohydramnion (krankhaft verminderte Fruchtwassermenge; „single pocket“ < 2 cm, d. h., wenn irgendwo eine Fruchtwassernische mit einer vertikalen Eindringtiefe < 2 cm gefunden wird)
  • Terminüberschreitung (> 7 Tage; s. u.)
  • Thrombophilien (Thromboseneigung) und Kollagenosen: Kollagenosen (Gruppe von Bindegewebserkrankungen, die durch Autoimmunprozesse bedingt sind): systemischer Lupus erythematodes (SLE), Polymyositis (PM) bzw. Dermatomyositis (DM), Sjögren-Syndrom (Sj), Sklerodermie (SSc) und Sharp-Syndrom ("mixed connective tissue disease", MCTD)
  • Unfall mit abdominalem Trauma (Verletzung der Bauchorgane) oder schwerer Verletzung der Mutter
  • Vorzeitige Wehentätigkeit/Frühgeburt
  • Fetale Wachstumsrestriktion (IUGR, intrauterine growth restriction)

B. Gründe zur CTG-Wiederholung sind u. a. folgende CTG-Veränderungen/Befunde: 

  • Anhaltende Tachykardie (Herzfrequenz > 160/Minute)
  • Bradykardie (Herzfrequenz < 100/Minute)
  • Dezelerationen – wehenabhängiges Absinken der Herzfrequenz des Kindes
  • Hypooszillation, das heißt zu geringe Schwankungsbreite der Herzfrequenz; Anoszillation – keine Schwankungen der Herzfrequenz
  • Intrauteriner Fruchttod (IUFT; Totgeburt) bei vorangegangener Schwangerschaft
  • Mehrlinge
  • Verdacht auf Plazentainsuffizienz (Mutterkuchenschwäche), das heißt Beeinträchtigung des kindlichen Stoffwechsels – nach klinischem oder biochemischem Befund
  • Tokolyse (medikamentöse Wehenhemmung)
  • Verdacht auf Übertragung (s. u.)
  • Unklarer Cardiotokogramm-Befund bei Verdacht auf vorzeitige Wehentätigkeit
  • Uterine Blutung (Blutung aus der Gebärmutter)

Das Verfahren

Das Gerät besteht aus drei Bestandteilen: einem Ultraschallkopf (Dopplerultraschall-Transducer) und einem Wehendruckmesser (Drucktransducer; Tokogramm), die mittels eines elastischen Gurtes am Bauch der Mutter angebracht werden und einem Analysegerät, das die Signale verarbeitet und sichtbar auf einem Monitor und gleichzeitig zur Dokumentation auf einem Papier aufzeichnet.
Das CTG misst den zeitlichen Abstand zwischen zwei Herztönen des Kindes und nimmt gleichzeitig über den Wehendruckmesser die Wehen der Mutter auf.
Daraus errechnet das Analysegerät die Herzfrequenz
(Anzahl der Herzschläge pro Minute) des Ungeborenen.
Des Weiteren gibt es CTG-Geräte, die in einem dritten Kanal (Kineto-Cradiotokogramm = K-CTG) Bewegungssignale des Kindes darstellen.

Bewertungsschema – fetale Herzfrequenz (K.T. Schneider et al. [S3-Leitlinie])

Terminologie Definition
Grundfrequenz (SpM) mittlere, über mindestens 5 bis 10 Minuten beibehaltene FHF (fetale/kindliche Herzfrequenz) in Abwesenheit von Akzelerationen (wehenabhängiges Ansteigen der Herzfrequenz des Kindes) bzw. Dezelerationen (wehenabhängiges Absinken der Herzfrequenz des Kindes) in Schlägen pro Minute (SpM); bei fetaler Unreife liegt die mittlere FHF (fetale Herzfrequenz) im oberen Streubereich
Normbereich
0-150 SpM (Schläge pro Minute); am Entbindungstermin zwischen 115 (4. Perzentile) und 160 Schlägen pro Minute (96. Perzentile) liegt (nach Daumer 2007, EL II)
Bradykardie
  • leichte Bradykardie (100-109 SpM)
  • schwere Bradykardie (< 100 SpM)
Tachykardie
  • leichte Tachykardie (151-170 SpM)
  • schwere Tachykardie (> 170 SpM)
 Bandbreite (Variabilität) Die Bandbreite (Variabilität) ist die SpM-Differenz Differenz der Schläge pro Minute) zwischen höchster und tiefster Fluktuation (Schwankung) in der auffälligsten Minute innerhalb des 30-minütigen Registrierstreifens.

Fluktuationen treten der fetalen (kindlichen) Grundfrequenz treten 3- bis 5-mal pro Minute auf.
  • Normal: > 5 SpM im kontraktionsfreien Intervall
  • Suspekt: < 5 SpM und > 40 Minuten, aber < 90 Minuten oder > 25 SpM
  • Pathologisch: < 5 SpM und > 90 Minuten
Akzelerationen
Anstieg der FHF > 15 SpM bzw. 1⁄2 Bandbreite und > 15 Sekunden
  • Normal: 2 Akzelerationen in 20 Minuten
  • Suspekt: periodisches Auftreten mit jeder Wehe
  • Pathologisch: keine Akzeleration > 40 Minuten (Bedeutung noch unklar)
Dezelerationen
 Dezelerationen Abfall der FHF > 15 SpM bzw. > 1⁄2 Bandbreite und > 15 Sekunden
  • Frühe Dezeleration: uniforme, wehenabhängig periodisch wiederholte Absenkung der FHF (fetale/kindliche Herzfrequenz, früher Beginn mit der Wehe. Rückkehr zur Grundfrequenz am Ende der Wehe.
  • Späte Dezeleration: uniforme, wehenabhängig periodisch wiederholte Absenkung der FHF, Beginn zwischen Mitte und Ende der Wehe. Nadir (Fußpunkt) > 20 Sekunden nach Wehengipfel. Rückkehr zur Grundfrequenz nach dem Ende der Wehe. Bei einer Bandbreite < 5 SpM sind auch Dezelerationen < 15 SpM gültig.
  • Variable Dezeleration: variabel in Form, Dauer, Tiefe und zeitlicher Abhängigkeit von Wehen, intermittierende/ periodische wiederholte Absenkung der FHF mit raschem Beginn und rascher Erholung. Auch isoliertes Auftreten (in Verbindung mit Kindsbewegungen).
  • Atypische variable Dezeleration: variable Dezelerationen mit einem der zusätzlichen Merkmale:
    • Verlust des primären bzw. sekundären FHF-Anstiegs
    • langsame Rückkehr zur Grundfrequenz nach Kontraktionsende
    • verlängert erhöhte Grundfrequenz nach der Wehe – biphasische Dezeleration
    • Oszillationsverlust während der Dezeleration
    • Fortsetzung der Grundfrequenz auf niedrigerem Level verlängerte
  • Verlängerte Dezeleration: Abrupter Abfall der FHF unter die Grundfrequenz um mindestens 60 bis 90 Sekunden. Als pathologisch zu werten, wenn sie über 2 Wehen bzw. > 3 Minuten anhalten. sinusoidales Muster
  • Sinusoidales Muster: Langzeitschwankung der Grundfrequenz wie Sinuswelle. Das glatte, undulierende Muster von mindestens 10 Minuten besitzt eine relativ fixe Wiederkehr von 3 bis 5 Zyklen pro Minute und eine Amplitude von 5 bis 15 SpM ober- und unterhalb der Grundfrequenz. Eine Grundfrequenzvariabilität kann nicht nachgewiesen werden.


Das CTG ermöglicht die
rechtzeitige Erkennung fetaler (kindlicher) Gefahrenzustände

Interpretation der oben genannte Parameter [1]:

Parameter
(Beurteilung)
Grundfrequenz (SpM)
Bandbreite (SpM)
Dezeleration Akzeleration
Normal
  •  110-150
  • ≥ 5
  •  keine1
  • vorhanden, sporadisch2
 
Suspekt (verdächtig)
  • 100-109
  • < 5
    ≥ 40 Minuten
  • frühe/variable vorhanden, periodisch Dezelerationen
  • vorhanden, periodisch (mit jeder Wehe)
  • 151-170
  • > 25
  • einzelne verlängerte Dezelerationen bis 3 Minuten
 
Pathologisch (krankhaft)
  • < 100
  • < 5
    ≥ 90 Minuten
  • atypische variable Dezelerationen
  • fehlen > 40 Minuten
  • >170
    sinusoidal3
 
  • späte Dezelerationen,  einzelne verlängerte Dezelerationen > 3 Minuten
  • Bedeutung noch unklar

Anhand der oben genannten vier Kriterien kann der Arzt ein CTG wie folgt beurteilen:

  • Normal – alle vier Kriterien sind normal; kein Handlungsbedarf
  • Suspekt – mindestens ein Kriterium ist suspekt (verdächtig) und alle anderen sind normal; Handlungsbedarf: konservativ
  • Pathologisch – mindestens ein Kriterium ist pathologisch (krankhaft verändert) oder zwei oder mehr Kriterien sind suspekt; Handlungsbedarf: konservativ oder operativ
  • Pathologisch – mindestens ein Kriterium ist pathologisch oder zwei oder mehr Kriterien sind suspekt; Handlungsbedarf: konservativ oder operativ

Weitere Hinweise

  • Terminüberschreitung und Übertragung:
    • Gemäß einer Cochrane-Analyse auf Grundlage von 34 randomisierten kontrollierten Studien zeigt sich eine deutliche Verringerung der perinatalen Mortalität (Anzahl der kindlichen Todesfälle in der Perinatalperiode/Totgeburten und Todesfälle bis zum 7. Tag nach der Geburt) bei einer Strategie der Geburtseinleitung ab der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) im Vergleich zu einer abwartenden Strategie (22 Studien, 18.795 Säuglinge): perinatale Todesfälle gab es in der Gruppe der Kinder mit Geburtseinleitung in 4 Fällen, in der Gruppe mit Abwarten waren es 25 (= relative Risikoreduktion um 69 %) [1]. 
    • Die Geburt bei risikoarmen Schwangerschaften (n = 2.760 Frauen) erst nach der 42 SSW einzuleiten, führte zu einer höheren perinatalen Mortalität; Studie wurde daraufhin vorzeitig abgebrochen [2].
      Fazit: Bereits ab 41+0 SSW sollte von einer Übertragung gesprochen werden.

Ihr Nutzen

Mithilfe des CTGs wird im Rahmen der Schwangerenvorsorge Ihr Ungeborenes optimal überwacht.

Während der Geburt zeigt das CTG, ob Ihr Baby den Geburtsstress gut verkraftet und es normal auf die Wehen reagiert.

Auf diese Weise können eventuelle Störungen frühzeitig erkannt und wenn nötig, kann rechtzeitig gehandelt werden.

Literatur

  1. Wennerholm UB et al.: Induction of labour at 41 weeks versus expectant management and induction of labour at 42 weeks (SWEdish Post-term Induction Study, SWEPIS): multicentre, open label, randomised, superiority trial MJ 2019;367:l6131 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.l6131
  2. Middleton P et al.: Induction of labour in women with normal pregnancies at or beyond 37 weeks gestation. Cochrane database of systematic reviews 15 July 2020 doi: 10.1002/14651858.CD004945.pub5

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt. (AWMF-Registernummer: 015-036), August 2013 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V
  2. S1-Leitlinie: Vorgehen bei Terminüberschreitung und Übertragung. (AWMF-Registernummer: 015 - 065), Februar 2014 Langfassung
  3. S2k-Leitlinie: Geburtseinleitung. (AWMF-Registernummer: 015 - 088), Dezember 2020 Langfassung
  4. S3-Leitlinie: Fetale Überwachung in der Schwangerschaft (Indikation und Methodik zur fetalen Zustandsdiagnostik im low-risk Kollektiv). (AWMF-Registernummer: 015 - 089), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung

     
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