Roux-Y-Magenbypass

Beim Roux-Y-Magenbypass (Synonyme: Roux-en-Y gastric bypass, RYGB, Magenbypass) handelt es um ein operatives Verfahren der Adipositas-Chirurgie.

Der Magenbypass kann bei einer Adipositas ab einem BMI ≥ 35 kg/m2 mit einer oder mehreren Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen angeboten werden, wenn die konservative Therapie erschöpft ist.

Zur Gewichtsreduktion dienen beim Roux-Y-Magenbypass zwei unterschiedliche Effekte: ein verstärktes Sättigungsgefühl tritt nach der Operation einerseits durch einen therapeutischen Malabsorptionseffekt (geringere Aufnahme von Nahrungsbestandteilen aus dem Magen-Darm-Trakt ins Blut) als auch durch die Bildung eines Magenpouches (künstlich verkleinerter Magen) auf.
Der Eingriff ist mit einer deutlichen Reduktion von Körpergewicht, Diabetesraten (Remissionsrate von ca. 62 %) und anderen kardiovaskulären Risikofaktoren assoziiert [6].
Mit dem Verlust an Körpergewicht durch einen Magen-Bypass hatten Patienten mit einem Follow-up-Zeitraum von rund vier Jahren ein relativ um 46 % geringeres Risiko, dass erstmals eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche) diagnostiziert wurde [9].

Indikationen (Anwendungsgebiete) für die Adipositaschirurgie [gemäß S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen, s. u.]

  • Bei Patienten mit einem BMI ≥ 40 kg/m2 ohne Begleiterkrankungen und ohne Kontraindikationen ist nach Erschöpfung der konservativen Therapie nach umfassender Aufklärung eine adipositaschirurgische Operation indiziert.
  • Patienten mit einem BMI ≥ 35 kg/m2 mit einer oder mehreren Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2,  Herzinsuffizienz, Hyperlipidämie, arterieller Hypertonus, koronare Herzerkrankung (KHK), Nephropathie, Obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS), Adipositas-Hypoventilationssyndrom, Pickwick Syndrom, nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) oder nicht alkoholische Fettleberhepatitis (NASH), Pseudotumor cerebri, Gastroösophageale Refluxerkrankung (GERD), Asthma bronchiale, chronisch venöse Insuffizienz (CVI), Harninkontinenz, immobilisierende Gelenkerkrankung, Einschränkungen der Fertilität oder polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO-SyndroM) sollte eine adipositaschirurgische Operation angeboten werden, wenn die konservative Therapie erschöpft ist.
  • Unter bestimmten Umständen kann eine Primärindikation zu einem adipositaschirurgischen Eingriff gestellt werden, ohne dass vorher ein konservativer Therapieversuch erfolgte. Die Primärindikation kann gestellt werden, wenn eine der folgenden Bedingungen gegeben ist: bei Patienten
    • mit einem BMI ≥ 50 kg/m2.
    • bei denen ein konservativer Therapieversuch durch das multidisziplinäre Team als nicht erfolgsversprechend bzw. aussichtslos eingestuft wurde.
    • mit besonderer Schwere von Begleit- und Folgeerkrankungen, die keinen Aufschub eines operativen Eingriffs erlauben.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Instabile psychopathologische Zustände
  • Unbehandelte Bulimia nervosa
  • Aktive Substanzabhängigkeit
  • Schlechter Allgemeinzustand
  • Fehlende Indikation − sollte die Adipositas durch eine Erkrankung (z. B. Hypothyreose, Conn-Syndrom (primärer Hyperaldosteronismus, PH), Morbus Cushing, Phäochromozytom) hervorgerufen werden

Vor der Operation

Vor der Operation muss ein ausführliches Basis-Screening erfolgen, um mögliche Vorerkrankungen genau evaluieren zu können und um den Effekt der Operation schon vor dem Eingriff einschätzen zu können. Auf Grund dessen ist es notwendig, eine Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckerspiegels (Nüchternglucose) durchzuführen, da dieser ein wichtiger Hinweis auf einen Diabetes mellitus und in der Regel auch auf ein metabolisches Syndrom darstellt. Außerdem muss auf Begleiterkrankungen wie ein Schlafapnoesyndrom, eine Hypoventilation (unzureichende Atmung), eine pulmonalarterielle Hypertonie (erhöhter Blutdruck der Lungengefäße), eine koronare Herzerkrankung (KHK) und ein Cor pulmonale (Herzerkrankung als Folge einer Lungenerkrankung) eingegangen werden.
Zur Vermeidung
intraoperativer und postoperativer Komplikationen müssen vorliegende Erkrankungen in der Regel vor dem Eingriff medikamentös optimal eingestellt werden. Weiterhin ist es unabdingbar, dass auch der Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) einer ausführlichen Untersuchung unterzogen wird. Dieses dient unter anderem der Diagnose einer gastroösophagealen Refluxerkrankung (Sodbrennen) oder eines Magenulkus (Magengeschwür). In solchen Fällen ist eine präoperative Therapie beispielsweise mit Protonenpumpeninhibitoren (medikamentöse Magensäurehemmer) notwendig.

Das Operationsverfahren

Als Grundprinzipien des Roux-Y-Magenbypasses sind die Abtrennung des kleinen Vormagens vom größeren Restmagen und die Verbindung zwischen Vormagen (Magenpouch; künstlich miniaturisierter Magen) und Dünndarm zu nennen. Hierdurch wird die aufgenommene Nahrung vom Ösophagus (Speiseröhre) in den Vormagen transportiert. Anschließend erfolgt der Nahrungstransport unter Umgehung sowohl des Restmagens als auch des Duodenums und des oberen Anteils des Jejunums (Leerdarm) in den anastomisierten (operative Verbindung zweier Anteile des Magen-Darm-Traktes) Dünndarmschenkel. Durch die Umgehung der verschiedenen Anteile des Gastrointestinaltraktes wird die Verdauung verzögert, da der Nahrungsbrei erst verspätet zusammen mit den Verdauungsenzymen transportiert wird.

Das Operationsverfahren führt sowohl durch ein verstärktes Sättigungsgefühl zu einer reduzierten Nahrungszufuhr als auch durch die gezielte operative Ausschaltung des Restmagens, des Duodenums und der oberen Dünndarmanteile. Hieraus ergibt sich natürlich auch das Risiko eines Frühdumpingsyndroms, bei dem unverdünnter osmotisch wirksamer Nahrungsbrei Flüssigkeit in Richtung des Darmlumens verschiebt, wodurch es zu einem Verlust von Plasma und zur Kininfreisetzung (Regulierung der Gefäßweite) kommt. Durch eine zusätzliche mechanische Dehnung der Darmschlingen kann es durch die Kombination der Faktoren zu einem Volumenmangel kommen, der bis zu einem Schockstatus führen kann. Als schwächere Symptome können auch eine Tachykardie (Herzrasen) und Nausea (Übelkeit) auftreten. 

Nach der Operation

Im Anschluss an die Operation ist eine intensive Kontrolle des Patienten notwendig. Hierzu sollte der Patient postoperativ auf eine "Intermediate Care"-Station verlegt werden. Noch am Operationstag oder am ersten postoperativen Tag sollte bereits eine vorsichtige Mobilisierung des Patienten erfolgen. Am zweiten postoperativen Tag sollte eine Röntgenuntersuchung mit Gastrographinschluck (Schluck von röntgendichten Kontrastmittel) durchgeführt werden, um mögliche Insuffizienzen oder Stenosen (Verengungen) nachweisen zu können. Ein langsamer und schonender Kostaufbau über mehrere Wochen ist anzustreben.

Mögliche Komplikationen

  • Frühdumpingsyndrom (s. o.) mit der Folge eines Volumenmangelschocks.
  • Volumenmangelschock − als Folge der Operation ist es möglich, dass hyperosmolarer Nahrungsbrei Flüssigkeit aus dem Gewebe ins Darmlumen verschoben wird. In Abhängigkeit von der Ausprägung kann ein Schockzustand folgen, der eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig machen kann.
  • Malabsorption ("schlechte Aufnahme") − im Rahmen der Operation wird eine gezielte Malabsorption herbeigeführt, die die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen wie Fetten und Kohlenhydraten reduziert. Hiermit können jedoch auf Grund der fehlenden Selektivität auch Mangelerscheinungen entstehen, denen unbedingt vorzubeugen ist. Als präventive Maßnahmen sind die ausreichende Proteinzufuhr (Eiweißzufuhr) und die zusätzliche Calcium- und Eisenaufnahme vorzunehmen. Des Weiteren muss unter anderem der Intrinsic Factor zugeführt werden, da dieser von der Magenschleimhaut gebildet wird. Ohne den Intrinsic Factor kann Vitamin B12 nicht im Ileum (Krummdarm) absorbiert werden.
  • Lungenembolie
  • Wundheilungsstörungen
  • Magenperforation (Magendurchbruch)
  • Insuffizienz der Anastomose, d. h. eine unzureichende Verbindung zwischen den operierten Organanteilen
  • Thrombosen

Weitere Hinweise

  • Alkoholintoleranz: Nach einer bariatrischen Operation mit Anlage eines Roux-en-Y gastric bypass (RYGB) hatte es zur Folge, dass die Blutalkoholspiegel nach einem starken alkoholischen Probegetränk schneller anstiegen als in einer Kontrollgruppe von adipösen Frauen, bei denen die RYGB-Operation noch nicht durchgeführt worden war (operierte Frauen: nach 5 Minuten 1,1 Promille Alkohol im Blut; noch nicht operierte Frauen: Peak erst nach 20 Minuten mit 0,80 Promille) [7].
  • Immunologische Veränderungen, die eine Nahrungsmittelallergie begünstigen; einhergehend mit Symptomen einer Nahrungsmittelintoleranz wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Flatulenz (Blähungen), Obstipation (Verstopfung) und Diarrhoe (Durchfall) [10].
  • In einer Studie aus Zentraldänemark unterzogen sich in den Jahren 2006 bis 2011 2.238 stark adipöse Patienten einem Roux-Y-Magenbypass. Bei ca. 8 % der Patienten hat sich nach diesem Eingriff der Gesundheitszustand subjektiv verschlechtert. Die häufigsten Symptome waren Abgeschlagenheit, Bauchschmerzen und ein Dumping-Syndrom. Die Abgeschlagenheit, über die 40 % der Patienten klagten, ist wahrscheinlich Folge einer Anämie (Blutarmut) wegen nicht ausreichender Resorption von Eisen, Folsäure oder Vitamin B12. Weitere Spätfolgen waren Nephrolithiasis (Nierensteine; 21 %), Cholelithiasis (Gallensteine; 31 %) und Hypoglykämien (Unterzuckerungen; 38 %) [8].

Literatur

  1. MacDonald KG: Magenbypass bei morbider Fettsucht. Chirurg. 2000. 71:140-145
  2. Busch P, Wolter S, Rawnaq T, Kaifi JT, Aberle J, Izbicki JR, Mann O: Operative Technik und deren Outcome in der metabolischen Chirurgie: Konventioneller und Banded Gastric Bypass. Zentralbl Chir. 2009. 134:32-37
  3. Keuthage W: Bariatrische Operationen bei Adipositas und Typ-2-Diabetes. Diabetes aktuell. 2010. 8:124-130
  4. Miller K, Hell E: Malabsorptionsmethoden in der bariatrischen Chirurgie. Zentralbl Chir. 2002. 127:1044-1048
  5. Wolf A: Handbuch Essstörungen und Adipositas. Springer Verlag 2008
  6. Adams TD, Davidson LE et al.: Health benefits of gastric bypass surgery after 6 years. JAMA 2012; 308: 1122-31
  7. Pepino M Y et al.: Effect of Roux-en-Y Gastric Bypass Surgery. Converting 2 Alcoholic Drinks to 4. JAMA Surg. Published online August 05, 2015. doi:10.1001/jamasurg.2015.1884
  8. Gribsholt SB et al.: Prevalence of Self-reported Symptoms After Gastric Bypass Surgery for Obesity. JAMA Surg. Published online January 06, 2016. doi:10.1001/jamasurg.2015.5110
  9. Sundström J: Weight Loss and Heart Failure: A Nationwide Study of Gastric Bypass Surgery Versus Intensive Lifestyle Treatment, Circulation 2017, 10.1161/CIRCULATIONAHA.116.025629 doi: https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.116.025629
  10. Boerlage TC et al.: Gastrointestinal symptoms and food intolerance 2 years after laparoscopic Roux-en-Y gastric bypass for morbid obesity. Br J Surg 2017 Mar;104(4):393-400. doi: 10.1002/bjs.10419. Epub 2016 Dec 19.

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Therapie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 050-002), Januar 2009 Kurzfassung Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Prävention und Therapie der Adipositas. (AWMF-Registernummer: 050-001), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) 2014
  3. S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 088-001), Februar 2018 Langfassung
     
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