Medikamentöse Therapie
Hörsturz

Therapieziel

  • Verbesserung der Symptomatik 

Therapieempfehlungen

  • Infusionstherapie zur Verbesserung der Fließfähigkeit des Blutes (Rheologika) bzw. durchblutungsfördernde Therapie: niedermolekulare Dextrane, Pentoxifyllin (Vasodilatator/Arzneimittel, das die Gefäße erweitert); Nimodipin (Calciumkanalblocker) kann zur Nachbehandlung gegeben werden (Beachte: Ein gesicherter Wirkungsnachweis ist nicht gegeben!) [1]
  • Glucocorticoide zur Therapie eines idiopathischen sensorineuralen Hörsturzes: Prednisolonäquivalent, 250 mg, i.v. (ggf. auch oral) für 5 Tage; ggf. auch intratympanale Therapie ("d. h. direkt in das Mittelohr verabreicht"; s. u. "Intratympanale Glucocorticoid-Therapie); intratympanale Therapie wie folgt:
    • Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) des Trommelfells
    • Patient 30 Grad rekliniert (Rückwärtsneigen)
    • z. B. 1 ml Triamcinolon Kristall-Suspension mittels dünner langer Nadel 30 G (z. B. Lumbal-Nadel)
    • Punktion inferior
    • Pauke anfüllen
    • Patient 20 Minuten in Position lassen
    • Schlucken vermeiden
    Laut aktueller Leitlinie [1]: Remissionsrate von 59-87 %, mit einem Hörgewinn von 12-19 dB im Hochtonbereich und 20-34 dB im Mittel- und/oder Tieftonbereich.
  • Beachte die Ergebnisse der HODOKORT-Studie: Hochdosis-Therapie (intravenöses Prednisolon 250 mg/d über 5 Tag) dem Niedrigdosis-Regime (orales Prednisolon bei 60 mg/d über 5 Tage): systemische Hochdosis-Glucocorticoidtherapie war bei Patienten mit idiopathischem plötzlichen sensorineuralen Hörverlusts (Hörsturz, ISSNHL) einer Niedrigdosis-Therapie nicht überlegen, jedoch mit einem höheren Risiko von Nebenwirkungen verbunden [12].
  • Je nach genauer vermuteter Pathogenese (bei Hochton-Schwerhörigkeit) kann auch eine Therapie mit Lidocain i. v. stationär durchgeführt werden (Cave Nebenwirkung: Krampfanfall!), jedoch ist auch hier die Wirksamkeit nicht belegt
  • Weitere Verfahren, deren Effektivität belegt ist, sind:
    • Apherese (Blutwäsche) zur Senkung des Fibrinogenspiegels
    • Hyperbare Oxygenierung (HBO; Synonyme: hyperbare Sauerstofftherapie, HBO-Therapie; engl.: hyperbaric oxygen therapy; HBO2, HBOT) – Therapie, bei der medizinisch reiner Sauerstoff unter einem erhöhten Umgebungsdruck zur Anwendung kommt [3] (s. u. "Weitere Therapie")
  • Hinweis: Die Notwendigkeit einer zeitnahen Therapie des Hörsturzes ist derzeit anhand klinischer Daten nicht belegbar!

Weitere Hinweise

  • Hochtonausfälle sprechen besser auf intratympanale (Corticoidinjektion mit Dexamethason; zweimal wöchentlich für 14 Tage) und Hörminderungen im tieferen Tonbereich auf orale Glucocorticoide (Prednisolon über zehn Tage in ausschleichender Dosierung) an: Das Gehör der Niederfrequenzgruppe erholte sich bei 56 % der Patienten komplett und bei 19 % partiell. Die Hochfrequenzgruppe zeigte in 23 % eine komplette Erholung und in 9 % eine partielle [6].
  • Bei Patienten mit profundem idiopathischen plötzlichen sensorineuralen Hörverlust (ISSNHL ≥ 90 dB) hat eine adjuvante Heparingabe (einmalige Injektion 10.000 IU / d) zusätzlich zur Behandlung mit systemischen Glucocorticoiden und einmalig eine intratympanische Steroidinjektion (ITSI-Gruppe) zu folgendem Ergebnis geführt: durch die adjuvante Heparin-Therapie in Kombination mit der systemischen Glucocorticoid-Therapie konnten signifikant mehr der oben genannten Patientengruppe die Hörfähigkeit (Hörschwelle von 90-100 dB) wiedererlangen als mit einer kombinierten systemischen und lokalen Glukokortikoid-Therapie (nach 2 Monaten wurden entsprechende Erfolge festgehalten: 42, 8 % versus 19, 7 %) [7].
  • Eine adjuvante Migränemedikation aus Nortriptylin (25 mg, Eskalation bis auf 75 mg) und Topiramat (25 mg, Eskalation bis auf 150 mg) – zusätzlich zur oralen oder intratympanalen Steroidtherapie – führte zu einer signifikanten Verbesserung der Hörschwelle in mittleren Frequenzen 500, 1.000, 2.000 und 4.000 Hz (pure tone average, PTA) sowie der Hörschwellen bei 250 und 8.000 Hz gegenüber dem Ausgangsniveau 10].
  • Hörsturz-Therapie bei Diabetes mellitus: 
    • Bei einem plötzlichen Hörverlust scheint eine topische Behandlung mit Steroiden – insbesondere eine intratympanale Injektion – besser zu wirken als eine systemische Therapie; zugleich geringeres Risiko für starke Blutzuckerschwankungen (Metaanalyse von 23 Studien) [11].
    • Bei Patienten mit Hörsturz, die zudem unter einer Hypertriglyzeridämie litten, und sich zugleich unter einer lipidsenkender Therapie befanden, war die Ansprechrate (Wiedererlangung des Hörvermögens) signifikant höher als bei Patienten der Kontrollgruppe, die nur eine Standardtherapie erhielten (Lipidsenkende Therapie-Gruppe vs. Kontrollgruppe: 80,0 % vs. 62,3 % [8].
      Kommentar: Single-Center-Studie ohne Randomisierung

Intratympanale Glucocorticoid-Therapie

  • Das Glucocorticoid wird durch das Trommelfell in das Mittelohr gespritzt und gelangt durch die Membran des runden Fensters in die Perilymphe. Dadurch, dass die Blut-Cochlea-Schranke umgangen wird, kann eine 425- bis 1270-fach höhere Konzentration in der Perilymphe als nach systemischer Gabe erreicht werden.
  • Intratympanale Therapie (Verweildauer des Medikaments am runden Fenster, je nach Protokoll 10-45 min, da die injizierte Lösung u. a. schnell wieder durch die Eustachische Röhre abfließt) = höhere Wahrscheinlichkeit einer Hörschwellenverbesserung als eine Placebo- oder Nulltherapie [4, 5].
  • Für Patienten mit Diabetes mellitus stellt die intratympanale Glucocorticoid-Therapie eine sichere Alternative zur systemischen Therapie dar.
    Systemische Nebenwirkungen einer Glucocorticoid-Therapie wie katabol, Infektanfälligkeit, Wundheilungsstörungen, Thromboseneigung, Natriumretention (Zurückhaltung von Natrium im Körper); Auftreten eines Diabetes mellitus (Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): bis zu 46 %), werden so vermieden.
  • Intratympanale versus systemische Corticoid-Applikation: Bei Patienten mit idiopathischem Hörverlust ließ sich keine Therapiestrategie favorisieren: beide Corticoid-Applikationen waren gleichwertig. Fazit: Bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten von Corticoiden ist die intratympanal Corticoid-Applikation eine gleichwertige Alternative [9].
  • Mögliche Nebenwirkungen der Therapie: Schmerzen an der Injektionsstelle und Schwindel

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für den Energiestoffwechsel sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Kalium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Grüntee-Polyphenole, Epigallocatechingallate)
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Phosphatidylserin, Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesiumcitrat und Kaliumcitrat))

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. S1-Leitlinie: Hörsturz (Akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust). (AWMF-Registernummer: 017-010), Januar 2014 Langfassung
  2. Probst, R., K. Tschopp, E. Ludin, B. Kellerhals, M. Podvinec, and C.R. Pfaltz: A randomized, double-blind, placebo-controlled study of dextran/pentoxifylline medication in acute acoustik trauma and sudden hearing loss. Acta Otolaryngol, 1992: p. 435-43
  3. Bennett, M.H., T. Kertesz, M. Perleth, P. Yeung, and J.P. Lehm: Hyperbaric oxygen for idiopathic sudden sensorineural hearing loss and tinnitus. Cochrane Database Syst Rev, 2012. 10 : p. CD004739
  4. Plontke SK, Caye-Thomasen P, Agrawal S, Mikulec T (2009): A systematic review and metaanalysis of intratympanic glucocorticosteroids for idiopathic sudden sensorineural hearing loss. Cochrane Database Syst Rev (Protocol) 4:CD008080; full review 2014 (under review)
  5. Garavello W, Galluzzi F, Gaini RM, Zanetti D (2012): Intratympanic steroid treatment for sudden deafness: a meta-analysis of randomized controlled trials. Otol Neurotol 33:724-729
  6. Choo OS et al.: Differences in Clinical Characteristics and Prognosis of Sudden Low- and High-Frequency Hearing Loss. Laryngoscope 2016, online 7. November; doi: 10.1002/lary.26382
  7. Kim J et al.: Heparin therapy as adjuvant treatment for profound idiopathic sudden sensorineural hearing loss. Laryngoscope 09 August 2019 https://doi.org/10.1002/lary.28231
  8. Chen C et al.: Impact of hyperlipidemia as a coexisting factor on the prognosis of idiopathic sudden sensorineural hearing loss: A propensity score matching analysis. Clin Otolaryngol 2019 https://doi.org/10.1111/coa.13421
  9. Mirian C, Ovesen T: Intratympanic vs Systemic Corticosteroids in First-line Treatment of Idiopathic Sudden Sensorineural Hearing Loss: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. Published online March 12, 2020. doi:10.1001/jamaoto.2020.0047
  10. Abouzari M et al.: Adjuvant Migraine Medications in the Treatment of Sudden Sensorineural Hearing Loss. Laryngoscope 2020 https://doi.org/10.1002/lary.28618
  11. Wang H et al.: Local vs Systemic Use of Steroids for Sudden Deafness with Diabetes: A Systematic Review and Meta-Analysis. Ear Nose Throat J 2023; https://doi.org/10.1177/01455613231170090
  12. Plontke SK et al.: High-Dose Glucocorticoids for the Treatment of Sudden Hearing Loss NEJM Evid 2024;3(1) doi: 10.1056/EVIDoa2300172

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Hörsturz (Akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust). (AWMF-Registernummer: 017-010), Januar 2014 Langfassung

     
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